Abgeschlagene Köpfe und Haustiere: KI hilft bei der Identifizierung von Nazca-Figuren
Eine neue Studie zeigt, dass eine KI trotz weniger Trainingsdaten bei der Untersuchung großer Datenmengen Erfolg haben kann. Mit ihrer Hilfe entdeckten Forschende 303 bisher unbekannte Nazca-Geoglyphen in Peru.
Ein Forschungsteam unter der Leitung von Masato Sakai hat mithilfe einer KI in nur sechs Monaten 303 bisher unbekannte Nazca-Geoglyphen in Peru identifiziert. Die Ergebnisse veröffentlichten die Forschenden im September 2024 in der US-amerikanischen Fachzeitschrift «Proceedings of the National Academy of Sciences». Der Beitrag ist frei zugänglich.
Ein Großteil der dadurch bekannt gewordenen Geoglyphen zeigen demnach Menschen, abgeschlagene Köpfe und Haustiere. Anhand der Resultate versuchen die Forschenden auch Rückschlüsse auf den Zweck der Nazca-Figuren zu ziehen.
Was sind Nazca-Geoglyphen?
In der Zeit zwischen etwa 100 vor und 650 nach Christus legten Menschen der Paracas- und Nazca-Kulturen Linien im Boden der peruanischen Nazca-Ebene an. Sie entfernten dazu die oberste Gesteinsschicht, um den helleren Untergrund freizulegen, oder nutzten Steine und Kies zur Andeutung der Linien. Manche Linien verlaufen bis zu 20 Kilometer geradeaus, andere bilden Figuren – sogenannte Geoglyphen, also Bilder in der Landschaft. Sie stellen Menschen, Haus- und Wildtiere, Pflanzen sowie Werkzeuge dar.
Die bekannten Geoglyphen messen weniger als zehn bis mehrere 100 Meter im Durchmesser. Aufgrund ihrer Größe ist die Form der Figuren nur aus der Entfernung zu erkennen, etwa von den in der Nähe verlaufenden Wegen, die von den Menschen genutzt wurden.
In den 1940er Jahren wurde begonnen, mithilfe von Luftbildern nach neuen Geoglyphen zu suchen. Seit 2004 werden auch Satellitenaufnahmen dazu genutzt. 430 Figuren waren bis 2020 bekannt, 380 davon mit einer vergleichsweise kleinen durchschnittlichen Größe von neun Metern. Sie verteilen sich über ein Gebiet von etwa 38 Kilometern Länge und mehr als 20 Kilometern Breite.
Wie hat KI bei der Forschung geholfen?
Trotz der Vorteile der Luftbildarchäologie ist die Suche nach neuen Nazca-Geoglyphen schwierig. Das betreffende Gebiet ist sehr groß und die Figuren sind aufgrund der jahrhundertelangen Erosion für das Auge oft kaum zu sehen. Eine KI lässt sich jedoch auf Mustererkennung trainieren und ist in der Lage, Daten deutlich schneller zu analysieren als Menschen.
Die Forscherinnen und Forscher nutzten ein KI-Modell, das auf einem neuronalen Netz basiert. Es ist auf Bilderkennung spezialisiert und kann selbstständig lernen. Sie fütterten das Modell mit hochaufgelösten Luftbildern des Gebiets und die KI suchte darin nach subtilen Mustern und Merkmalen, die auf Geoglyphen hinweisen können. Das größte Problem dabei waren die schlechten Kontraste der Fotos sowie die begrenzt verfügbaren Trainingsdaten. Die 430 bis dahin bekannten Geoglyphen dienten als positive Trainingsbeispiele. Um mehr Trainingsmaterial zu erhalten, wurden diese auch gespiegelt, gedreht und mit veränderten Farbwerten versehen.
Die KI berechnete durch ihre Analyse Wahrscheinlichkeitswerte, die sie als Farbskala auf einer Karte darstellte. Die Wissenschaftler identifizierten anhand dieser Wahrscheinlichkeiten mehr als 1300 mögliche Treffer. Die vielversprechendsten davon untersuchten die Teams bei Ortsbegehungen zwischen September 2022 und Februar 2023. Sie setzten dabei Drohnen ein, um die Gebiete gezielt von oben untersuchen zu können.
Aus der Studie geht hervor, dass für die Feldforschungen 1440 Arbeitsstunden aufgewendet wurden – mit Erfolg: Durch die KI-gestützte Vorauswahl und die daraus resultierenden Untersuchungen konnten die Forschenden 303 bisher unbekannte Geoglyphen identifizieren.
Welche weiteren Erkenntnisse gibt es?
Die neu erkannten Formen halfen dem Forscherteam auch dabei, Rückschlüsse auf den Zweck der Figuren zu ziehen. Die in den Boden gescharrten größeren Geoglyphen befinden sich meistens in der Nähe der langen, geraden Wege über die Nazca-Ebene. Die Forschenden gehen davon aus, dass diese Geoglyphen von und für große Gemeinschaften geplant und angelegt wurden. Sie stellen hauptsächlich wilde Tiere dar und könnten für große Zeremonien mit rituellem Zweck genutzt worden sein.
Die kleineren Figuren aus aufgeschichteten Steinen liegen dagegen an weniger zielgerichteten Pfaden, die kreuz und quer über die Ebene verlaufen. Sie könnten laut der Studie eher von Einzelpersonen oder kleinen Gruppen genutzt worden sein. Die Motive zeigen laut der Studie vor allem Menschen, abgeschlagene Köpfe und domestizierte Tiere, insbesondere Lamas. Wilde Tiere, wie Vögel, Affen und sogar einen Killerwal gibt es dagegen seltener. Diese Figuren könnten zum Austausch von Informationen gedient haben, vermuten die Forscher.
Die Studie unterstreicht des Weiteren, dass KI eine große Unterstützung im Bereich der Luftbildarchäologie sein kann. Sie hilft dabei, Spuren der Vergangenheit an und unter der Erdoberfläche zu identifizieren. Das sei nicht nur für den Erkenntnisgewinn hilfreich, sondern auch, um die historischen Hinterlassenschaften vor Bebauung oder weiterer Erosion zu schützen.
Fühlt sich vor dem Gaming-PC genauso zu Hause wie in der Hängematte im Garten. Mag unter anderem das römische Kaiserreich, Containerschiffe und Science-Fiction-Bücher. Spürt vor allem News aus dem IT-Bereich und Smart Things auf.