

Angst vor der Spritze: Was kann Kindern (und Eltern) helfen?
Wenn aus dem kleinen Pikser zum ersten Mal ein grosses Drama wurde, sind vor der nächsten Impfung alle angespannt. Viele Kinder entwickeln Angst vor Spritzen, die du im Zusammenspiel mit der Ärztin oder dem Arzt zumindest etwas lindern kannst.
Es braucht nicht viel, um in einen Teufelskreis zu geraten. Eine schmerzhafte Erfahrung kann ausreichen, um die Angst vor der nächsten Impfung bei Kindern immer weiter anschwellen zu lassen. Ich erinnere mich an völlig entspannte Termine und staunende Kulleraugen, die kaum glauben wollten, dass es das schon gewesen sein sollte.
Und an das hilflose Gefühl, ein schreiendes Kleinkind auf dem Schoss zu haben, das sich weder von gutem Zureden noch von einem bunten Windrädchen oder Kuscheltieren ablenken und beruhigen liess – und noch zwei Spritzen bekommen sollte. Ist die Angst erstmal da, zieht sie sich oft durch die Kindheit weiter.
Als Vater oder Mutter bist du in so einer Situation dazu verdammt, vor Impf- oder sonstigen Arztterminen ruhige Zuversicht auszustrahlen. Nähe und Trost zu bieten, ohne dem Kind vorzulügen, dass bei der Spritze rein gar nichts zu spüren sein wird. Gar nicht so einfach, wenn du wie ich selbst schon vom Geruch des Desinfektionsmittels einen erhöhten Puls und eine weisse Nase bekommst.
Angenehmes Umfeld, geringeres Schmerzempfinden
Dass das Bild, das du abgibst, dein Kind beeinflussen kann, zeigt diese aktuelle experimentelle Studie. Eine Forschungsgruppe um Prof. Christiane Hermann von der Abteilung für Klinische Psychologie der Universität Giessen hat untersucht, wie sich positive und negative Bilder auf die Schmerzwahrnehmung von Acht- bis Dreizehnjährigen auswirken. Die 42 Probandinnen und Probanden wurden dafür nicht mit Spritzen traktiert, sondern leichten Hitzereizen am Unterarm ausgesetzt.
«Bilder der neutral schauenden Mutter, einer lächelnden Fremden oder angenehme Szenen reduzierten die wahrgenommene Schmerzintensität», heisst es in der Pressemeldung. Und weiter: «Unangenehme Bilder führten zu einer Verstärkung der Schmerzreaktionen, die sich besonders in psychophysiologischen Werten wie zum Beispiel der Hautleitfähigkeit oder der Aktivität der Stirnmuskulatur zeigte.» In welche Kategorie fällt mein besorgtes Gesicht? Das Bild einer lächelnden Fremden mitzugeben und selbst fernzubleiben, ist natürlich keine Option. Daher ist es ratsam, die Situation so gut wie möglich vorzubereiten.

Ehrlich sein, für Ablenkung sorgen
Das Robert-Koch-Institut nennt in seinen Tipps für den Praxisalltag verschiedene Punkte zur Schmerz- und Stressreduktion. Dazu gehört, dass bei Kindern unter 10 Jahren ein Elternteil anwesend ist und mit offenen Karten gespielt wird: Das Fachpersonal klärt ruhig darüber auf, was gleich passieren wird, und verzichtet auf falsche Phrasen wie: «Du spürst das kaum!» Entsprechend solltest du deinem Kind im Vorfeld wirklich nichts dergleichen erzählt haben, sonst ist der Schock vorprogrammiert.
Natürlich spielen auch Sympathie und Empathie eine Rolle – jedes Kind ist anders, jeder Arzt und jede Ärztin ebenso. Manche mögen es sachlich, andere kreativ. Mit positiven Bildern lässt sich zum Beispiel auch sprachlich arbeiten, indem die behandelnde Person kindgerechte und positive Formulierungen wählt. «Gleich setzt sich ein Schmetterling auf deine Haut, um sauber zu machen» hat bei Kleinkindern eine andere Wirkung als «ich desinfiziere jetzt die Einstichstelle». Das kann vor dem unvermeidbaren Pikser entspannend wirken.

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Warum tut dieser Pikser denn mal mehr, mal weniger weh? «Manchmal hat man einfach das Pech, in der Nähe eines Nervs zu landen», sagt die Kinderärztin meines Vertrauens. «Ausserdem brennen manche Impfstoffe mehr als andere, es ist nicht immer die Injektionsstelle, die schmerzt.»
Ein kleines Lotteriespiel also, bei dem du als Vater oder Mutter das Kind am besten an der Hand hältst, die es im entscheidenden Moment ganz fest drücken kann. Kleinkinder können auf dem Schoss gehalten und getröstet werden und Kinder bis sechs Jahre lassen sich mit Spielzeug, Videos oder Musik ein wenig von den Schmerzen ablenken. Bei Jugendlichen oder Erwachsenen kann laut Empfehlungen Husten oder Luftanhalten hilfreich sein, um den Kopf etwas auszutricksen.
Schmerzstillende Joker
Wenn die Angst gross ist, gibt es in Absprache mit der Ärztin oder dem Arzt die Option, Schmerzpflaster einzusetzen, die allerdings 30 bis 60 Minuten vorher angebracht werden müssen. Schnellere Wirkung verspricht Eisspray, das wenige Sekunden vor dem Einstich dafür sorgen kann, dass die entsprechende Stelle etwas betäubt wird.
Weder das eine noch das andere ist die Zauberformel, denn gelindert wird nur der Schmerz beim Einstich, nicht jener im Muskel. Daher gilt auch hier: Keine falschen Hoffnungen wecken. Wenn das Kältespray schon als Schock oder das Anbringen des Pflasters als Beginn der «Leidensphase» wahrgenommen wird, kann beides auch kontraproduktiv oder zumindest nicht die erhoffte Entspannung der Situation sein. Durch die Bank positiv reagieren Kinder wahrscheinlich nur auf: Belohnungen.
Die Belohnung nicht vergessen
In meiner Kindheitserinnerung hat mich vor allem ein Gedanke durch die als endlos empfundene Wartezeit vor Spritzen getragen: Der Gedanke an die kleine Belohnung, die ich mir im Anschluss daran aussuchen durfte. Ein «Lustiges Taschenbuch», eine Süssigkeit, oder was auch immer.
Die Aussicht auf Belohnung ändert zwar nichts am Schmerz, verknüpft aber zumindest positive Gefühle mit dem Tag X. Und häufig bleibt der letzte Eindruck, den dein Kind mit nach Hause nimmt, länger haften als das kleine Pflaster.
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Einfacher Schreiber, zweifacher Papi. Ist gerne in Bewegung, hangelt sich durch den Familienalltag, jongliert mit mehreren Bällen und lässt ab und zu etwas fallen. Einen Ball. Oder eine Bemerkung. Oder beides.