Bälle auf den Bildschirm werfen: Jetzt wird auch noch der Basketballkorb smart
Auf der Suche nach neuen Möglichkeiten, Bildschirme an Sportgeräte zu montieren, ist der Basketballkorb ins Visier der Visionäre geraten. Weg mit dem Brett, dran mit dem Screen, fertig ist «The Huupe». Wächst da zusammen, was zusammen gehört?
Stell dir vor, du kaufst einen 4000 Franken teuren Riesenbildschirm, der immerhin mit HD-Auflösung glänzen kann – und hängst ihn dann in die Einfahrt oder den Hinterhof, um ihn mit Basketbällen zu bewerfen. Eine Vorstellung, die mich vielleicht deshalb so irritiert, weil sie das Gegenteil dessen ist, was ein Backyard Court oder der Korb über dem Garagentor bislang waren. Eine Möglichkeit abzuschalten, während der Ball durch das Kettennetz rasselt. Es wäre jetzt einfach, über das Huupe-Konzept zu spotten und vielleicht mache ich das gleich auch noch. Aber die Welt verändert sich nun mal. Seit die Sportbranche Online-Training und vernetzte Geräte zum Megatrend erkoren hat, soll möglichst jedes Gerät via Bildschirm und Abo-Modell auf ewig mit den stetig zahlenden Kundinnen und Kunden verbunden bleiben. Wir alle entscheiden, ob die Anbieter damit durchkommen. Ich durfte kürzlich einen Fitness-Spiegel testen und war anfangs fasziniert. Sieht cool aus, macht schon Spass – aber irgendwann verfliegt der Zauber und dann steht da nur noch ein sauteurer Staubfänger.
Zumindest mir geht es so, dass ich in dieser Preisklasse nicht zu Spontankäufen neige und auch den Huupe, der sich ohnehin nur in den USA vorbestellen lässt, wohl niemals in irgendeinen Warenkorb werfen werde. Aber ich bin ein neugieriger Betrachter der Entwicklung.
Was kann The Huupe?
Mit dem Huupe bekommst du nicht nur einen ca. 170x120 Zentimeter grossen wetterfesten Bildschirm mit eingebauten 20-Watt-Stereo-Lautsprechern, sondern auch alles, was sonst noch nötig ist. Eine höhenverstellbare Korbanlage zum Beispiel. Und da fällt mir auf, dass das System doch gar nicht so teuer ist. Gut, es gibt günstige Körbe, aber ich vergleiche natürlich mit dem High-End-Segment. Bei dieser Alternative von Spalding brauchst du laut Beschreibung noch ein Gegengewicht von ca. 230 Kilogramm. Am besten in Goldbarren drauflegen.
Womit ich zurück zum Huupe und zum Thema Diebstahlsicherung komme, denn so ein weithin sichtbarer Riesenbildschirm weckt eventuell Begehrlichkeiten. Den Huupe lässt du des Nachts vielleicht mit unguten Gefühlen draussen im Regen stehen. Aber keine Sorge, beruhigt der Hersteller, das Teil sei ziemlich schwer, mit einem speziellen Schloss gesichert und funktioniere ohnehin nur an seiner Aufhängung. Hoffentlich wissen die Diebe das. Und Vandalen, die das schicke Ding besprayen oder verkratzen könnten, sind in deiner Villengegend sicher ohnehin nicht unterwegs. Vermutlich werden die ersten Geräte dort stehen, wo das Geld locker sitzt, oder als Attraktion bei Events zum Einsatz kommen.
Vorausgesetzt, er wird weder geklaut noch beschädigt, kann der Huupe nicht nur Aufgaben stellen und Treffer zählen, sondern bietet auch Trainingseinheiten an, die sich via App auswählen lassen und dich zum Abo-Kunden machen sollen. Falls du ein paar Jahre professionell Basketball gespielt hast, kannst du dich auch selbst als Coach bewerben.
Neben aufgezeichneten Sessions soll es auch Live-Trainings geben, über die integrierte Kamera bist du mit deinem Coach oder Mitspielern verbunden. Und sobald nicht nur Konserven abgespielt werden, sondern Leben reinkommt, finde ich das Konzept gleich interessanter. Gegen den alten Kumpel, der inzwischen leider 800 Kilometer weit weg wohnt, aber ebenfalls reich genug für einen Huupe im Hof ist, eine Runde Horse zu spielen oder zum Freiwurf-Contest anzutreten – das hat doch was.
Vielleicht funktioniert Gamification bei Games besser als bei monotonem Training vor einem Fitnessspiegel. Dabei schwitzt jede und jeder für sich, aber hier baust du durch das direkte Duell eine Beziehung auf. Vielleicht ist so etwas wie Huupe ja ein Gamechanger. Statt auf der Playstation NBA 2K23 zu zocken wieder echte Körbe zu werfen und trotzdem auf einen Bildschirm zu gucken, das wäre doch auch für Couch-Potatoes ein guter Kompromiss. Du kannst auch einfach ein NBA-Spiel oder eine Serie streamen, während du den Huupe ins Visier nimmst. Richtig hinzuschauen haben wir eh bald verlernt. Mit dem Smartphone als Second Screen vor der Nase schauen viele nur noch bei den Highlights auf. Dann lieber Bälle auf den Bildschirm werfen. Je mehr ich darüber nachdenke – und den Preis ausblende – desto besser gefällt mir die Idee.
Wer findet's doof?
Ganz sicher ganz viele. Weil: Wo sind wir nur hingekommen? Und vielleicht dreht sich auch James Naismith im Grabe um. Der Mann hat Basketball erfunden, als er 1891 den Auftrag hatte, an der YMCA Training School in Springfield (Massachusetts) eine Hallensportart zu entwickeln, die seine hyperaktive Studentengruppe durch den Winter bringt. 13 Regeln und zwei Pfirsichkörbe, die der Hauswart noch herumstehen hatte, genügten für eine der besten Ideen der Sportgeschichte.
Basketball begeisterte sofort und doch war es ganz gut, dass der Grundgedanke zwar beibehalten, aber ein paar Feinheiten weiterentwickelt wurden. Das erste Spiel endete mit 1:0. Dribblings waren noch kein Teil des Spiels und der Ball durfte ein «ordinary association football» sein. Auch das Brett, das nun zum Bildschirm mutiert, wurde erst später eingeführt. Da die Körbe an der Zuschauer-Galerie aufgehängt waren, sollte es verhindern, dass übermütige Fans ins Spiel eingreifen.
Traditionsbewussten steht es natürlich jederzeit offen, klassisch zu spielen und den Ball nach jedem Treffer per Besenstiel aus dem Korb zu stochern.
Basketball-Set für Traditionalisten:
Hätte Naismith einige Jahrzehnte später bei Samsung gearbeitet, wäre er vielleicht selbst auf die Idee mit dem Flatscreen gekommen. So aber ist davon auszugehen, dass er den Huupe gehasst hätte. Wobei ... vielleicht auch nicht. Denn er fremdelte damit, dass das Spiel immer rauer wurde und beschwerte sich schon 1910 mit den Worten: «Oh my gracious, they are murdering my game» über die verlotterten Sitten. Die Regel, dass das Spiel ohne Körperkontakt stattfinden soll, war dem Mann wichtig – und da kann der Huupe natürlich helfen. Vielleicht wäre Naismith also doch ein Fan gewesen.
Wie geht's weiter?
Im Dauerlockdown des Jahres 2043, wenn uns nach der Omikron-, Opfikon- und Gamescom-Welle die Minion-Variante dazu zwingt, unsere Pandemie-Abende weitestgehend alleine zu verbringen, könnte so etwas wie der Huupe ein toller Zeitvertreib sein. Abends ab 22 Uhr, wenn die Temperatur unter 38 Grad sinkt, im Licht des Bildschirms ein paar Bälle mit zugeschalteten Freunden zu werfen – das hätte doch was. Fände ich besser, als nur auf der Playstation zu zocken oder in Zucks Metaverse abzutauchen. Wobei ich beim Huupe die Sorge hätte, dass der Navi-im-Auto-Effekt zuschlägt.
Wer sich auf ein fix verbautes System festlegt, stellt irgendwann fest, dass es nach nicht allzu langer Zeit heillos veraltet und das Smartphone einfach besser ist. Es müsste also eine Austauschmöglichkeit geben, um auf dem aktuellen Stand bleiben zu können. Vielleicht übernimmt auch einfach Apple das Geschäft. Mit dem iPad XXXXL, an das sich der iHoop koppeln lässt. Ich lege mich fest: Huupe wird die Welt erobern oder krachend scheitern. Aber ans halb reale, halb virtuelle Spielen werden wir uns schneller gewöhnen, als sich James Naismith im Grabe umdrehen kann. Bis es soweit ist, halten wir sein schönes Spiel klassisch, simpel und erschwinglich.
titelbild: screenshot YoutubeSportwissenschaftler, Hochleistungspapi und Homeofficer im Dienste Ihrer Majestät der Schildkröte.