Produkttest

Boom, roasted! Mit Ikawa selbst Kaffee rösten

Dieser Schritt ist nur logisch: Du hast dir eine Kaffeemühle und einen Siebträger in die Küche gestellt, jetzt kannst du dank Ikawa zu Hause Kaffee rösten und dein Kaffee-Hobby auf die Spitze treiben. Overkill? Vielleicht. Macht aber verdammt viel Spass.

Kaffee zu Hause rösten ist eigentlich eine uralte Tradition. In Äthiopien, dem Ursprungsland des Kaffees, gehört die Kaffeezeremonie seit Jahrhunderten zum Alltag. Auf den meditativen Akt des Kaffeeröstens folgt der aufputschende Genuss des schwarzen Getränks. Diese Kaffeezeremonie bringt Ikawa nun mit ihrem «Smart Home Coffee Roaster System» ins 21. Jahrhundert. Das Gerät im schlichten Design hat genau einen Knopf, die Steuerung läuft über die Ikawa-App. Das Grundprinzip ist denkbar einfach: Oben kommen 50 Gramm grüne Bohnen rein, der Ikawa röstet sie automatisch nach den Vorgaben der App und spuckt zunächst die Silberhäute und dann die gerösteten Bohnen unten aus.

Bevor wir über die genaue Funktionsweise sprechen, müssen wir uns mit den Grundprinzipien des Kaffeeröstens beschäftigen. Dabei hilft mir der Röster meines Vertrauens. Taro Hosoe betreibt mit seiner Frau Alessandra das Hosoe Caffè in Zürich. «Kaffee rösten läuft fast immer gleich ab, egal ob ich auf meiner grossen Maschine röste oder du auf dem Ikawa kleine Mengen verarbeitest», sagt Taro. Der grüne Kaffee wird unter ständiger Bewegung auf über 200 Grad erhitzt und wechselt seine Farbe von grün, über gelb zu goldbraun und färbt sich schliesslich dunkelbraun.

Taro in seiner Rösterei in Zürich
Taro in seiner Rösterei in Zürich

Crack (und ich mein nicht die Droge)

Alles entscheidend ist der sogenannte «Crack». Sobald die Bohnen eine Temperatur zwischen 180 und 190 Grad erreichen, fangen sie hörbar an zu knacken. Die Bohne weitet sich, Feuchtigkeit tritt aus. «Das ist der wichtigste Punkt beim Rösten. Ab diesem Zeitpunkt beginnt sich das Aroma im Kaffee zu entwickeln...», sagt Taro. Dabei können schon ein paar Sekunden den Unterschied machen zwischen perfektem und verbranntem Kaffee. «Du musst üben, üben, üben», lacht Taro. Ich habe den Ikawa Home Roaster in seine Rösterei gebracht, inklusive den grünen Bohnen von Rafael Vinhal.

Etwas unsicher zeige ich Taro, wie das Teil funktioniert. Oben fülle ich 50 Gramm grüne Bohnen in den Trichter und drehe daran, damit die Bohnen in die Röstkammer fallen. Danach stelle ich die Röstkurve über die App ein. Die bestimmt, wie heiss die Bohnen über die Zeit von sieben Minuten rösten. Da ich schon etwas getüftelt und probiert habe, weiss ich, dass der Crack bei etwa fünf Minuten passiert. Laut Ikawa ist das bei ihrem Gerät die ideale Röstdauer.

Alles heisse Luft

Jetzt brauch ich die Röstkurve nur noch an den Ikawa Röster zu senden und der röstet meine Bohnen automatisch. Durch einen heissen Luftstrom zirkulieren die Bohnen im Innern und rösten so gleichmässig. Eine kleine Sichtluke erlaubt uns, die Bohnen dabei zu beobachten. An der Rösttemperatur können wir jetzt aber nichts mehr ändern, da diese – einmal von der App an den Ikawa gesendet – vom Gerät gesteuert wird. Ganz im Gegensatz zu Taros grossem 5-Kilo-Röster. Lüftung und Temperatur kann er dort mit Drehknöpfen beeinflussen und seine Röstkurve auf einem Tablet verfolgen. «Fast wie ein DJ», sagt Taro und lacht.

Taros DJ Pult. Bild: Alexandra Cherali
Taros DJ Pult. Bild: Alexandra Cherali

Dass der Ikawa keine Konkurrenz für einen Röster im fünfstelligen Franken-Bereich ist, versteht sich von selbst. Tatsächlich steht die Pro-Version des Ikawa aber in vielen Röstereien, um Teströstungen zu vorzunehmen. Es lohnt sich nämlich nicht, kiloweise Kaffee auf einer grossen Maschine zu verbraten, bloss um zu merken, dass die Röstung für die Tonne ist. Stattdessen lassen sich im Ikawa 50 Gramm rösten, probieren und gegebenenfalls die Temperaturkurve anpassen. Passt der Geschmack, lässt sich das am grossen Röster dann umsetzen.

Mittlerweile hören wir den ersten Crack eindeutig. Ein leises Knacken nach fünfeinhalb Minuten. Nach sieben Minuten ist der Kaffee fertig. Im kleinen Gefäss unter dem Ikawa haben sich Silberhäute der gerösteten Bohnen gesammelt. Ich wechsle das Gefäss und drücke den Knopf, was die Bohnen mit einem sehr befriedigenden «Ratsch» in den Behälter katapultiert. Fertig ist der selbst geröstete Kaffee. Fachmännisch betrachtet Taro die gerösteten Bohnen. «Sieht gut aus», sagt er und riecht an den frisch gemahlenen und abgekühlten Bohnen. Diese brauchen jetzt mindestens einen Tag, damit noch verbleibende Gase entweichen können. Das Aroma ist nach etwas drei Tagen ideal. Das brauchst du beim Rösten immer zu bedenken.

Experimente

Und, was meint Meister Taro zum kleinen Röster? «Ein tolles Gerät für dich als Einsteiger. Es erinnert mich an meine ersten Gehversuch mit einer Popcorn-Maschine. Die funktioniert eigentlich ganz ähnlich, bloss konnte ich da die Temperatur gar nicht kontrollieren».

Den Bohnen kannst du beim Rösten zuschauen.
Den Bohnen kannst du beim Rösten zuschauen.

Die Temperaturkurve macht den Ikawa Röster zum idealen Gerät für Experimente. Mitgeliefert sind schon einige Grünkaffeebohnen, zu denen es Rezepte gibt. QR-Code auf der Rückseite scannen, fertig. Dort beginnt der Spass aber erst. Die Röstkurven extrem zu ändern und diese beiden Röstungen zu vergleichen, ist ultra spannend. Geschmäcker, die bei einer heissen Röstung gar nicht vorhanden sind, lassen sich bei tieferen Temperaturen und kürzerer Entwicklungszeit nach dem ersten Crack klar ausmachen. Vergleichst du eine helle und eine dunkle Röstung des gleichen Kaffees, wird schnell klar: Das ist wie Tag und Nacht. Und schliesslich kannst du sogar verschiedene Kaffeesorten nach dem Rösten mischen und so deine eigene Hausmischung herstellen.

Fertig geröstete Bohnen
Fertig geröstete Bohnen

Rösten ist mein neues Hobby. Ich liebe es, zu experimentieren und das kann ich mit dem Ikawa stundenlang. Vor allem auch, weil die App so nahtlos und zuverlässig funktioniert. Ich habe schon dutzende Geräte mit Bluetooth-Anbindung getestet, teilweise von grossen Herstellern. Keine funktioniert so reibungslos wie die Ikawa-App. Der Aufbau ist simpel und logisch, das Erlebnis wird nicht durch unnötigen Schnickschnack verkompliziert. Das zieht sich beim Rösten durch. 50 Gramm abwägen, einfüllen, Start drücken. Das ist alles. Dabei ist die Menge von 50 Gramm Fluch und Segen zugleich. Einerseits lässt diese Kleinmenge Experimente zu. Andererseits dauert es, wenn du grössere Mengen deines Lieblingsrezepts rösten willst. Weil die Bohnen immer noch mindestens 24 Stunden ausgasen müssen, musst du etwas vorplanen. Gut Ding will Weile haben

Fazit

Der Ikawa Home Roaster ist die absolute Antithese zum Kapselkaffee und das liebe ich. Es braucht Zeit, Geduld und Wissen, um deinen eigenen Kaffee zu rösten. Dafür wirst du mit deinem Kaffee belohnt. Egal ob Vollautomat, Filter oder Siebträger: Wer Freude an Kaffee hat, dem kann ich das Gerät bedingungslos empfehlen. Zugegeben: Der Preis ist hoch. Es gibt mit Popcornmaschinen weit günstigere Alternativen zum Ikawa. Allerdings ist das Frustpotential auch exponentiell höher, da sich die Temperatur nicht steuern lässt und die Röstung weniger gleichmässig ausfällt. Es gibt auch günstigere Heimröster, die dann mehr Platz und manuelle Eingaben erfordern und weniger stylisch ausschauen. So gesehen besetzt der Ikawa Home seine ganz eigene Nische: Wer will, kann experimentieren, muss aber nicht, da sich der Kaffee automatisch und ohne dein Zutun röstet.

PS: Ich wurde von mehreren Seiten auf dieses Video von AlexiBexi aufmerksam gemacht. Darin behauptet er, dass beim Rösten zu Hause giftige Stoffe entstehen und du daher die Finger davon lassen solltest. Ich habe bei den Profis nachgefragt. Der Ikawa ist vollkommen bedenkenlos, wenn du deinen Kaffee nicht komplett verbrennst. Leider hat AlexiBexi die Quellen seiner Aussagen nirgends verlinkt. Mach deine eigene Recherche.

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Als ich vor über 15 Jahren das Hotel Mama verlassen habe, musste ich plötzlich selber für mich kochen. Aus der Not wurde eine Tugend und seither kann ich nicht mehr leben, ohne den Kochlöffel zu schwingen. Ich bin ein regelrechter Food-Junkie, der von Junk-Food bis Sterneküche alles einsaugt. Wortwörtlich: Ich esse nämlich viel zu schnell. 

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