Der große Raclette-Test: Da wird ja der Hund in der Pfanne verrückt!
«Raclette ist Raclette ist Raclette. Große Unterschiede zwischen einzelnen Grills? Alles Käse!» So dachte ich zumindest, bevor ich drei Raclette-Geräte an einem Abend hintereinander weg angeheizt habe. Wären mir dabei die deutlichen Abstufungen zwischen Luxus-, Mittel- und Kompaktklasse nicht aufgefallen, müsste ich schon mächtig einen an der Pfanne haben. Habe ich aber nicht!
Der Tisch biegt sich unter der Last der Auswahlmöglichkeiten. Raclette ist eine zutiefst basisdemokratische Art des Essens. Keiner muss sich dem Geschmacksdiktat eines einzelnen Kochs beugen. Jeder wählt seine Menüfolge ganz für sich allein und doch genießen alle zusammen. Raclette lebt deshalb auch von einem reichhaltigen Angebot von Zutaten in Schüsseln, Schalen und Töpfen, auf Tellern, Servierplatten und Holzbrettchen. Man freut sich jedes Mal wieder über den Abwechslungsreichtumund doch erscheint es einem auch jedes Mal wieder zu üppig und zu viel. Nachdem sämtliches Geschirr noch einmal aufs Engste zusammengeschoben wurde, ist dann auch ein kleines Plätzchen in der Mitte des Tisches freigeräumt – für die Stars des Abends. Auftritt: das Trio des guten Geschmacks, unsere drei heißen Raclette-Konkurrenten
Lono von WMF, der Mercedes Benz unter den Raclette-Grills (1500 W; Preis um die 100 Euro)
Der erste Eindruck: Mal gucken
Über die Reihenfolge hat das Los entschieden. Es soll ja fair zugehen. Die Limousine unter den Raclette-Geräten rollt als erstes ins Wohnzimmer. Der Lono von WMF für acht Pfannen ist ein edler Augenschmaus: reduziertes, fast schon puristisches Design, schlichte Eleganz, kein Zierrat, keine Schnörkel – ganz so als hätte ihn ein Bauhaus-Architekt entworfen. Dabei wirkt das matt glänzende Edelstahl-Gestell mit der großen, schwarzen Grillplatte sehr stabil. Hier wackelt nichts. Als einziger Grill des Abends bietet der Lono gleich zwei Ebenen für die Pfännchen. Auf der oberen, direkt unter der glühenden Heizspirale, wird gegrillt und überbacken. Auf der unteren können langsame Esser ihre Pfannen zum Warmhalten parken – oder sie auch einfach nur dort abstellen, wenn sie nicht wissen, wohin mit der geleerten, noch heißen Pfanne.
Ein nicht zu unterschätzendes Detail: Auf der Unterseite gibt es eine Halterung für das Kabel. Später im Küchenschrank liegt oder hängt es also nicht im Weg herum und man muss es auch nicht umständlich um das Gerät herumwickeln. Wie praktisch! Überhaupt wirkt es, als hätten sich die Entwickler bei WMF eine Extra-Runde Gedanken gemacht. Den Pfannen liegen schwarze Spachtel zum Auskratzen bei. Die Grillplatte kann gewendet werden, um auf der anderen Seite in zwei Ausbuchtungen Crepes zuzubereiten. Geniale Idee! Außerdem bietet eine ansprechend gestaltete Broschüre ausgefallene Rezepte wie «Rinderfilet mit Mango und Feta» oder «gegrillte Feigen mit Mascarpone-Creme». Yummy! Der erste Eindruck dieses Grills könnte kaum appetitanregender, äh, besser sein.
Der zweite Eindruck: Mal grillen
Mann, Mann, Mann, das dauert! Meine Familie ist hungrig und deshalb ungeduldig. Der Grill braucht uns allen zu lang, bis er auf Betriebstemperatur ist. Also: unbedingt immer vorheizen! Nach einer gefühlten Ewigkeit, die in Wahrheit wohl nur 15 Minuten lang war, geht es dann aber ab: In Rekordzeit sind Kartoffeln, Pilze, Zucchini oder Mais überbacken. Bis auf den Grund der Pfanne wird alles schnell und gleichmäßig heiß. Auf der oberen Grillplatte brate ich bei allen drei Geräten Fleisch, Garnelenspieße und Bacon, um einen direkten Vergleich zu haben. Während der Bacon schnell vor sich hin brutzelt und schmackhaft knusprig wird, brauchen Fleisch und Garnelen etwas länger. Ein bisschen Geduld braucht es beim Raclette ja sowieso, beim WMF Lono eben noch ein bisschen mehr. Nichts für eilige Esser!
Der dritte Eindruck: Mal schrubben
Kennt noch jemand diese Spülmittelwerbung aus den 90ern, in der es hieß »Während in Villariba noch geschrubbt wird, wird in Villabajo schon gefeiert!»? Der Lono kommt ganz eindeutig aus Villabajo! Eine Antihaft-Beschichtung auf Pfannen und Grillplatte macht den Abwasch zwar nicht zu einer Feier, aber zumindest zu einem Spaziergang. Im Handumdrehen erledigt! Wer jemals nach Grillgelagen stundenlang fettverschmiertes Gerät eingeweicht und abgewaschen hat, weiß wie erleichternd das sein kann. Selbst spülmaschinengeeignet ist die Grillausstattung. Eine saubere Sache, dieser Lono!
Fazit: Gönn dir! Wer wirklich oft Raclette isst (und nicht nur einmal im Jahr zu Weihnachten), der sollte ruhig tiefer in Tasche greifen und sich das Lono von WMF leisten. Man freut sich bestimmt bei jedem Aufbau wieder über das formschöne Design und später beim Grillen über die durchdachte Handhabung. Das Lono ist wie ein gern gesehener Gast, der immer wieder kommt darf.
Bewertung: Sieben von acht Pfannen
ART-6430 von Cloer, der Ford Fiesta unter den Raclette-Grills (1200 W; Preis um die 50 Euro)
Der erste Eindruck: Mal gucken
Wuchtig und schwer liegt die graue Natursteinplatte auf diesem Raclettegrill für acht Pfannen. Sie hat etwas von einem blank polierten Grabstein. Würde nur noch eine Inschrift fehlen, vielleicht «R.I.P. Rinderfiletstreifen. Es war so schön mit Euch!». Wer will, kann das Gerät auch mit zweigeteilter Deckplatte erstehen: zur einen Hälfte Naturstein, zur anderen Aluminiumguss. Ich habe mich für die durchgehende Stein-Variante entschieden, ganz einfach, weil ich neugierig auf diese Art von Grill-Erlebnis war. Auf Metall hat doch jeder schon diverse Male gegrillt und gebraten, aber auf Stein… Schauen wir mal, ob dieses Raclette in Zukunft einen Stein bei mir im Brett haben wird – oder gleich eine ganze Steinplatte. Das Design hat es jedenfalls nicht: Der Grill wirkt sehr funktional, eher schlicht und einfallslos. Die Verarbeitung ist nicht hochwertig, sondern zweckmäßig. Kleine feine Details fehlen, ebenso wie die Spachtel zu den Pfännchen. Das Auge isst hier nicht mit.
Der zweite Eindruck: Mal grillen
Es dampft und zischt und qualmt und stinkt. Genau davor hatte die Gebrauchsanweisung beim ersten Einschalten aber bereits gewarnt. Also ruhig Blut! Nach wenigen Momenten hat sich der Qualm dann auch wieder verzogen. Die Steinplatte braucht annähernd eine halbe Stunde, um sich aufzuheizen. Und auch die Pfännchen wollen und wollen nicht heiß werden – und schon gar nicht gleichmäßig. Eine ganze Weile zerläuft der Käse oben bereits, während die Zutaten unten in der Pfanne kalt bleiben. Doch ist die Betriebstemperatur erstmal erreicht, wird doch noch alles gut. Auf der Natursteinplatte gelingen die Garnelen mit Abstand am schnellsten und besten. Sie haben genau die richtige Mischung aus knusprig und saftig. Fleisch und Bacon geraten ebenfalls ganz wunderbar – und problemlos. Sollten Huhn, Schwein oder Rind auf dem Stein aber doch mal drohen anzubrennen , hilft ein wenig (!) Salz, das man einfach auf die Oberfläche streut. Ich muss schon sagen: Eine Grillplatte aus Naturstein ist definitiv ein Pfund – und das nicht nur wegen ihres Gewichts.
Der dritte Eindruck: Mal schrubben
Och ja… Die Pfannen haben eine Antihaft-Beschichtung. Ein, zwei, drei Pfannen spüle ich zum Test mit der Hand: drei, zwei, eins, sauber! Den Rest der Aufgabe erledigt meine allerbeste Freundin, die Spülmaschine. Der Stein ist allerdings nicht für die Maschine geeignet. Hier ist Handarbeit gefragt. Und das dauert wegen fehlender Beschichtung durchaus länger und erfordert intensives Schrubben. Auch kann es für manch zartes Persönchen zur Herausforderung werden, das schwere Ding durch die Gegend zu wuchten. Die Kalorien des nicht weniger wuchtigen Essen kann man so schnell wieder verbrennen. Aber alles in allem bleibt der Aufwand noch im Rahmen. Schwamm drüber!
Fazit: Sehr solide, zumal zu diesem Preis! Mit diesem Grill kommt man heil durch den Abend. Die Steinplatte mag auf den ersten Blick gewöhnungsbedürftig sein, ermöglicht dann aber doch mal eine andere, eine besondere Art zu grillen. Ich habe seit diesem Test jedenfalls ein Herz für Stein!
Bewertung: Fünf von acht Pfannen
RA-2992 von Tristar, der VW Passat unter den Raclette-Grills (1300 Watt; Preis um die 70 Euro)
Der erste Eindruck: Mal gucken
Was Halbes und nichts Ganzes: Dieser Grill hat sowohl eine Steingrillplatte, als auch ein «Backblech», wie es die Gebrauchsanweisung nennt. Dieser Hybrid-Grill könnte so seine Vorteile haben, die Optik zählt leider nicht dazu. Die recht dünne, recht leichte Steinplatte erinnert eher an eine bei der letzten Teilsanierung übergebliebene Badezimmerkachel. Man traut sich kaum, sie länger anzusehen, könnte sie im nächsten Moment doch in Tausend Teile zerspringen. Auch die Grillplatte ist eher ein Leichtgewicht. Das Gerät darunter wirkt aber durchaus stabil und kompakt, eine Vertrauen erweckende Konstruktion. Kleiner Pluspunkt sind die kleinen Punkte: Jede Pfanne hat eine andere Farbkennzeichnung am Stiel, damit man sie auch ja nicht verwechselt. Irgendwie rührt mich diese Idee. Was wäre nur so schlimm daran, wenn man sich aus Versehen das Pfännchen des Sitznachbarn schnappt? Der wird sich schon melden (in unserer Familie sogar ganz bestimmt). Und wie sollen dann eigentlich Farbenblinde noch in Frieden und ohne Streit essen können? Der Thermostat ist von einer Kontrollleuchte eingefasst, ein Art Leuchtring in strahlendem Blau. Gerade bei schummriger Zimmerbeleuchtung macht diese kleine technische Spielerei durchaus was her und lässt den Grill sofort in einem anderen Licht erscheinen: Sie gibt ihm etwas Elegantes.
Der zweite Eindruck: Mal grillen
Unter uns Fressmaschinen: Der Abstand zwischen Pfanne und Heizspirale ist hier recht gering, was zur Folge hat, dass man die Zutaten in seiner Pfanne nicht so hoch stapeln kann, sie man gerne möchte, weil einem der Käse ansonsten ganz schnell anbrennt. Bescheidenheit ist gefragt. Aber wer will bei Raclette schon bescheiden sein? Die einzige Lösung: Man wärmt sich gleich mehrere Pfannen auf. Das kann natürlich nur, wer sich zwei oder mehr Pfannen-Farben merken kann. Nicht, dass es sonst womöglich noch zu Verteilungskämpfen am Tisch kommt! Die Kombination aus Eisen- und Steinplatte ist beim Grillen allerdings großartig. Gerade durch die vorher von mir so gescholtene Dicke (oder in diesem Fall besser: Dünne) der Platten werden sie schnell heiß, halten die Hitze und grillen mit hoher Temperatur zuverlässig alles weg, was nicht bei Drei auf den Bäumen war: Huhn, Rind, Garnelen. Ich nehme also alles zurück. Mea culpa! Auf einer Badezimmerfliese lässt sich ganz wunderbar grillen, zumindest auf dieser.
Der dritte Eindruck: Mal schrubben
Weniger wunderbar lässt sich die «Fliese» am Ende des Abends säubern. Es ist doch viel drauf geblieben, was nicht ohne Kraftakt wieder runter zu bekommen ist. Einfacher als die Steinplatte ist die Metallplatte zu reinigen. Am einfachsten und schnellsten sind die beschichteten Pfannen wieder sauber. Nun ja, einen gewissen Aufwand bringt Abwaschen wohl leider immer mit sich. Obwohl… wäre das nicht noch eine Idee: der selbstreinigende Raclettegrill? Liebe Eidgenossen, wie gerne würde ich eines Tages laut ausrufen: «Und wer hat’s erfunden? Die Schweizer!» Bis dahin wird die Welt euch aber immer für ein andere kreative Höchstleistung dankbar sein: das Raclette-Essen!
Fazit: Kleine verspielte Details machen hier durchaus einen Unterschied. Der ideale Grill für Menschen, die sich mit Entscheidungen schwer tun: Will ich auf Metall oder auf Stein grillen? Ach, mache ich doch einfach beides. Und beides geht auch wirklich ganz gut!
Bewertung: Sechs von acht Pfannen
Ich bin seit 20 Jahren Journalist und war unter anderem Redakteur eines Wissensmagazins, Textchef eines Nachrichtenmagazins und Chefredakteur eines Jugendmagazins. Für mich können Themen und Texte gar nicht abwechslungsreich und bunt genug sein. Am liebsten jeden Tag etwas Anderes, Neues, Spannendes. Die Menschen um mich herum aber, also jene, die mit mir Tisch, Bett und Badezimmer teilen, die dürften gerne den Rest meines Lebens dieselben bleiben.