Freundschaft hält gesund – mehr als jede andere Beziehung
11.9.2023
Freundschaft muss nicht perfekt sein. Aber ohne Sozialleben wird der Mensch krank und einsam. So gesund ist dein Freundeskreis wirklich für dich.
Ist es die richtige Ernährung? Ausreichend Sport und Schlaf? Ein schickes Auto oder die neuste Mode? Was macht Menschen glücklich und gesund? Im Grunde ahnt jede und jeder: Es sind vor allem immaterielle Dinge, die uns bereichern. Das berühmteste Forschungsprojekt zu diesem Thema stammt von der renommierten Harvard Universität. Mit der «Grant Studie» wurde über einen Zeitraum von 80 Jahren untersucht, was als Glück empfunden wird. Im Laufe dieser Zeitspanne haben die Forschenden den Gesundheitsverlauf der Teilnehmerinnen und Teilnehmer und ihr weiteres Leben, einschließlich ihrer Erfolge und Misserfolge in Karriere und Privatleben, unter die Lupe genommen.
Die Erkenntnis: «Unsere sozialen Beziehungen und wie glücklich wir in diesen sind, haben einen starken Einfluss auf unsere Gesundheit», so Studienleiter Robert Waldinger, Professor für Psychiatrie an der Harvard Medical School. «Es ist gut, sich um seinen Körper zu kümmern, aber auch die Pflege von Beziehungen ist eine wichtige Art der Selbstfürsorge.»
Um diese Selbstfürsorge zu feiern, haben wir uns die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse aus Glücks- und Freundschaftsforschung näher angesehen, mit guten Nachrichten: Nach der Lektüre wird das nächste Treffen mit deinen Buddies besonders schön.
Best of Freundschaft: Deine Gesundheit verbessert sich
Die Wissenschaftsjournalistin Lydia Denworth, die ein Buch über die Wissenschaft der Freundschaft geschrieben hat, ist erstaunt, wie stark sich soziale Isolation auf unser Immunsystem auswirkt. Wenn man einsam ist, ändern zum Beispiel die weißen Blutkörperchen ihr Verhalten, was zu mehr Entzündungen und einer geschwächten Immunantwort führt.
Neue Forschungsergebnisse zeigen außerdem: Gute Freundinnen und Freunde und gute körperliche Gesundheit sind möglicherweise noch enger miteinander verbunden als bisher angenommen. Dies geht aus einer Studie hervor, die erst kürzlich in der Zeitschrift «Society for Personality and Social Psychology» veröffentlicht wurde. Im Rahmen der Studie wurden mehr als 4000 Personen drei Wochen lang beobachtet, die mittels Smartphones/-watches positive und negative Erfahrungen mit ihren engsten sozialen Beziehungen notierten und dabei ihren Blutdruck, ihre Herzfrequenz, ihren Stressfaktor und ihre Bewältigungsfähigkeit bewerteten. Das Ergebnis: Positivere Erfahrungen in sozialen Beziehungen waren im Allgemeinen mit besserer Bewältigung, geringerem Stress und niedrigerem systolischen Blutdruck (d. h. Blutdruckspitzen bei Stress) verbunden.
Sozial integrierte Menschen leben ausserdem in der Regel länger und gesünder, haben ein geringeres Risiko für Bluthochdruck und bessere Selbstheilungskräfte.
Du lebst länger und besser
Forschende der «Brigham Young University» in Utah haben den Gesundheitszustand von mehr als 300 000 Personen über acht Jahre dokumentiert. Sie analysierten dafür Daten aus 148 zuvor veröffentlichten Längsschnittstudien, in denen die Häufigkeit menschlicher Interaktionen gemessen wurden. Das Ergebnis: Soziale Beziehungen führen zu einer tieferen Sterblichkeitsrate rsp. zu einem längeren Leben.
Im Gegensatz dazu stellte das Forschungsteam auch fest, wie sich geringe soziale Interaktion im Vergleich zu bekannten Risikofaktoren auswirkt: Sie scheint etwa dem Rauchen von 15 Zigaretten pro Tag, ist gleichwertig mit Alkoholismus und schädlicher als Bewegungsmangel oder Fettleibigkeit zu entsprechen. Auffallend war auch: Der positive Einfluss von Verwandten, Kindern und Partnerinnen oder Partnern fällt im Vergleich zu dem von Freundschaften deutlich geringer aus.
Mit dem Alter hat der gesunde «Friends-Effekt» übrigens nichts zu tun, so der Studienleiter: «Freundschaftliche Beziehungen bieten einen gewissen Schutz für alle Altersgruppen – vom Teenie-Alter bis zur Rente.»
Du wirst glücklich und seelisch stabil
Interessanterweise besitzen Glück und positive psychische Gesundheit eine Art Netzwerkeffekt – sie verbreiten sich über Beziehungen. Du hast vielleicht schon von der Idee gehört, dass alle Menschen weltweit über sechs oder weniger Ecken miteinander verbunden sind? Glück ist in ähnlicher Weise vernetzt. Eine in Harvard durchgeführte Studie mit 5000 Personen über 20 Jahre ergab: Das Glücksgefühl einer Person verbreitet sich in der Regel über drei Grade. Wenn also eine Person glücklich ist wirkt sich das noch auf einen Freund eines Freundes eines Freundes aus.
Im Gegensatz dazu scheint Traurigkeit diese Ausstrahlungswirkung nicht zu haben. Eine Studie der University of Warwick ergab: Glücksgefühle und eine positive psychische Verfassung breiteten sich bei Menschen in Gruppen aus, Depressionen hingegen nicht. Menschen, die viele und gute Freundschaften pflegen, haben außerdem eine höhere Schmerzschwelle und sind auch mental widerstandsfähiger. Dies geht aus einer an der Oxford University durchgeführten Studie hervor.
Wer über ein ausgedehntes soziales Netz verfügt, produziert mehr Endorphine, also Glückshormone. Studienleiterin Katerina Johnson dazu: «Diese Ergebnisse sind auch deshalb interessant, weil neuere Forschungen darauf hindeuten, dass das Endorphinsystem bei psychischen Problemen wie Depressionen gestört sein kann. Dies könnte einer der Gründe dafür sein, dass sich depressive Menschen oft sozial zurückziehen.»
Ihr Fazit? «Nicht nur unsere Studie deutet darauf hin, dass die Qualität unserer sozialen Beziehungen unsere körperliche sowie geistige Gesundheit und Lebenserwartung beeinflussen. Daher ist es wichtig zu verstehen, welche neurobiologischen Mechanismen dabei eine Rolle spielen. Defizite in unseren Interaktionen sind die meist übersehenen Faktoren, die zur Verschlechterung der Gesundheit unserer modernen Gesellschaft beitragen.»
Titelfoto: shutterstockJanina Lebiszczak
Autorin von customize mediahouse
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