Das 6-Minuten-Tagebuch
A5, Liniert, Harter Einband
3 Minuten morgens, 3 Minuten abends: Das soll reichen, um nachhaltig zufriedener zu werden. Ob es bei mir geklappt hat, liest du hier.
Sechs Minuten meiner täglichen Zeit im Tausch gegen mehr Glück, Zufriedenheit und Freude im Leben. Ein verführerisches Angebot, das allerdings ein wenig zu gut klingt, um wahr zu sein. Dachte ich, als ich vor einigen Monaten mit dem 6-Minuten-Tagebuch startete. Aber von vorne …
Unzählige Male habe ich mir vorgenommen, ein Dankbarkeitstagebuch zu führen. Jeden Tag ein paar Dinge notieren, für die ich dankbar bin. Sollte eigentlich kein großes Problem sein, schließlich schätze ich sehr viel an meinem Leben. Trotzdem: Bislang hat es stets an der Umsetzung gehapert. Ein paar halbgare Versuche mit unkonkreten und unregelmäßigen Notizen und mehrere Notizbücher, die lediglich auf den ersten Seiten einige magere Einträge vorweisen können – zu mehr hat es bisher nicht gereicht. Spätestens nach ein paar Tagen ist mein löblicher Vorsatz kläglich im Alltagssumpf versunken und ich bin frustriert zurück geblieben. Doch nun soll alles anders werden.
Diesmal versuche ich mein Vorhaben mit Unterstützung: dem 6-Minuten-Tagebuch. Werde ich mit Anleitung und gezielten Fragen doch noch zu einer Tagebuch-Schreiberin?
Das ist das Versprechen des Tagebuchs: Morgens drei Minuten, abends drei Minuten und dank positiver Psychologie steigerst du dein Wohlbefinden und schreibst dich im Laufe der Zeit glücklicher. Erfolg und Verkaufszahlen des Buches sprechen dafür, dass tatsächlich etwas dahinterstecken könnte.
Nun bekommst du für dein Geld kein leeres Tagebuch, dass du auf gut Glück mit irgendwelchen Gedanken füllst. Sondern eine wohl durchdachte Anleitung inklusive persönlicher Einführung von Autor Dominik Spenst. Dazu den verständlich zusammengetragenen wissenschaftlichen Hintergrund zum Thema und schließlich Tagebuch-Seiten mit konkreten Fragen, Anregungen und Zitaten für ein halbes Jahr Glücklich-Schreiben.
Ich habe mir zunächst die Zeit genommen, die ersten 90 Seiten des Buchs durchzulesen, bevor ich mit dem tatsächlichen Tagebuchschreiben begonnen habe. Die Erläuterungen sind schlüssig, Spenst argumentiert auf wissenschaftlicher Basis und vermeidet unseriös, übertriebene Versprechungen. Das gefällt mir. Sogar mit einer eigenen Wirksamkeitsstudie kann der Autor zu den 6-Minuten-Tagebüchern punkten. Zeit für meinen persönlichen Praxistest.
Ein Dankbarkeits- oder Glückstagebuch zu schreiben, um das eigene Wohlbefinden zu steigern, ist keine neue Idee und die Wirksamkeit ist mittlerweile gut belegt. Im 6-Minuten-Tagebuch ist für jeden Tag eine Seite im Buch vorgesehen, die dir mit gezielten Fragen dabei hilft, dich zu fokussieren. Zitate, Sinnsprüche und kleine Anekdoten regen die Gedanken an. Neben den Tages-Seiten mit einem Abschnitt jeweils für drei Minuten morgens und drei Minuten abends gibt es noch weitere Aufgaben:
Hier dämmerte mir bereits, dass die Umsetzung all dieser Inhalte wohl kaum in sechs Minuten am Tag schaffbar sein wird. Aber das ist doch das Versprechen, das (wohl nicht nur) bei mir den Ausschlag gab, es zu versuchen.
Tatsächlich stelle ich schnell fest, dass die sechs Minuten eher metaphorisch zu verstehen sind. Ich schaffe es in der kompletten ersten Woche nicht ein einziges Mal, in der angegebenen Zeit zu bleiben. Vielleicht muss ich mich erst eingrooven? Aber es fällt wahrscheinlich nicht nur mir schwer, mal eben auf Knopfdruck herunterzuschreiben, wie ich am besten für einen guten Tag sorge oder drei Dinge aufzulisten, für die ich dankbar bin.
Auch die zusätzlichen Fragen, wie «In welchem Alter warst du bis jetzt am glücklichsten?» oder «Wie würdest du dein letztes Jahr in einem Satz beschreiben?» kann ich nicht beantworten, ohne zumindest kurz nachzudenken. Außerdem bezweifle ich sehr, dass der gewünschte Zufriedenheitseffekt eintritt, wenn ich mich nicht mit den Fragen und meinen Antworten auseinandersetze. Die sechs Minuten sind aus meiner Sicht also eher eine Marketingstrategie als wirklich realistisch sinnvoll. Ein erster Downer, muss ich zugeben.
Davon einmal abgesehen, starte ich aber ausgesprochen gut in die erste Ausprobiert-Woche mit meinem neuen Begleiter. Am ersten Tag ergeht es mir geradezu prächtig. Zufall oder tatsächlich schon die Wirkung des Buchs? Beziehungsweise: Konnte ich mich endlich durchringen, mit dem Tagebuch zu starten, weil ich einen richtig guten Tag erwischt habe. Oder wurde der Tag so gut, weil ich mit dem Tagebuch begonnen habe? Die Antwort liegt – wie so oft – wohl irgendwo dazwischen. Drei (bzw. eher sieben) morgendliche Minuten mit positiven Gedanken werden kaum allein die Macht haben, meinen ganzen Tag zu verzaubern. Doch der Effekt hält die ganze Woche an. Ich bin zufrieden, das kann ich ungeschönt zugeben. Ob es nun am Tagebuch lag, vermag ich nicht zu sagen.
Ungünstigerweise hält die gute Stimmung nicht über diese erste Woche hinaus. Es kann ohnehin reiner Zufall gewesen sein. Meine Stimmung war gut, so furchtbar schlecht ist sie sonst aber auch nicht. Und nach etwa zehn Tagen schleicht sich ein anderes, absolut nicht gewolltes Gefühl ein: Ich bin gestresst. Huch? Das war nicht der Plan. Aber nach der anfänglichen Euphorie kommt der Einbruch. Ich schaffe es zwei Tage in Folge nicht, in das Tagebuch zu schreiben. Prompt folgt das schlechte Gewissen. Na toll. In den nächsten Tagen und Wochen entwickeln sich die zwei täglichen Einträge zum Pflichtprogramm. Das setzt mich unter Druck. Es wird zum Punkt auf meiner To-Do-Liste, der abgearbeitet werden muss. Und so lasse ich es immer häufiger schleifen und nehme statt mehr Zufriedenheit besagtes schlechtes Gewissen mit, wann immer ich den Eintrag verpasse.
Nach etwa drei Wochen wird es mir zu blöd. Ich brauche eine neue Strategie, so ergibt das wenig Sinn. Also beschließe ich, meinen eigenen, intuitiven Mittelweg zu akzeptieren: Von nun an schreibe ich sporadisch in das Tagebuch – und zwar dann, wenn es die Zeit und meine Stimmung tatsächlich zulassen. Von nun an sind mir auch die drei Minuten egal, die ständig wie ein Damoklesschwert über mir schweben. Es dauert so lange, wie es nunmal dauert.
Eine gute Entscheidung – für mich zumindest. Im Laufe der kommenden Wochen und Monate konnte ich mir zur Gewohnheit machen, kontinuierlich auf das zu blicken, was mein Leben lebenswert macht, ohne es als lästige Pflicht zu empfinden.
Das bewusste Fokussieren auf das, was gut ist, bewegt mehr, als ich erwartet habe. Nach einiger Zeit stellte sich tatsächlich ein zufriedeneres Grundgefühl ein, von dem ich bis jetzt profitiere. Völlig subjektiv natürlich und ob es nun der Erwartung oder wirklich dem Tagebuch zu verdanken ist, sei dahingestellt. Am Ende zählt für mich das Resultat und dafür hat es sich gelohnt. Zumal ich einen weiteren Pluspunkt noch nicht erwähnt habe: In vielen Jahren, wenn ich einmal zurück schaue, habe ich ein wunderbares, persönliches Zeitzeugnis für mich geschaffen.
Das 6-Minuten-Tagebuch wäre dafür nicht zwingend nötig gewesen. Am Ende hätte ein ganz gewöhnliches Notizbuch für meine Zwecke gereicht. Trotzdem hat es mir persönlich sehr dabei geholfen, überhaupt mit dem Tagebuchschreiben anzufangen. Und den Theorieteil zu Beginn, wie auch die monatlichen Fragen, würde ich dann doch nicht missen wollen.
Wenn du wissen willst, wie ich mich in meinen anderen Ausprobiert-Wochen geschlagen habe, kannst du hier mehr lesen:
Wissenschaftsredakteurin und Biologin. Ich liebe Tiere und bin fasziniert von Pflanzen, ihren Fähigkeiten und allem, was man daraus und damit machen kann. Deswegen ist mein liebster Ort immer draußen – irgendwo in der Natur, gerne in meinem wilden Garten.