Hintergrund

Kennst du noch das Jo-Jo?

Sie haben mich begeistert, geprägt und auch frustriert. Die Spielzeuge meiner Kindheit. Eines davon ist das Jo-Jo.

Die 90er waren meine Kindheit. Eines der besten Jahrzehnte, um aufzuwachsen. Smartphones waren ein Fremdbegriff, einen Computer gabs erst ab Windows 95 und eine Spielekonsole nach jahrelangem Betteln bei meinen Eltern. Analoge physische Spielzeuge waren zu dieser Zeit noch immer der letzte Schrei. Und wenn es ein Spielzeug gibt, das aus dieser Zeit nicht wegzudenken ist, dann sind es Jo-Jos. Egal ob aus Holz, Plastik oder Metall: An jeder Ecke gab es sie zu kaufen. Mein erstes Exemplar war ein klassisches Modell aus Holz. Das war für mich aber nach einer Weile langweilig.

Zu meinem Glück bekam ich eines Tages ein Jo-Jo geschenkt, das mir den Weg in eine andere Welt öffnete: Es besass eine frei laufende Achse. Das bedeutet, dass es mit ausgefahrener Schnur länger drehen konnte. Noch besser daran waren aber die eingebauten, rot flackernden Lichter. Sie sorgten dafür, dass innerhalb kürzester Zeit jedes Kind auf dem Pausenhof damit rumlief. Schnell gab es kleine Battles, wer unter uns die besten Tricks drauf hatte. Das einzige Problem war: Wir waren erst sieben Jahre alt und hatten keine Ahnung davon. Und da es zu dieser Zeit noch kein Youtube gab, um bei den Grossen abzuschauen und seine Skills zu verbessern, flachte der Hype nach und nach wieder ab. Drei, vier Tricks habe ich damals gelernt, die ich auch heute noch im Schlaf beherrsche, doch für mehr hat es in meiner Jo-Jo-Karriere leider nicht gereicht.

Heute frage ich mich vielmehr, woher kam das gehypte Spielzeug von damals eigentlich? Wer hat's erfunden und wo ging es hin?

Ursprung bis heute unklar

Über den Ursprung des Jo-Jos wird noch immer gestritten. Einige Historiker behaupten, es sei bereits tausend Jahre vor Christus in China entstanden. Es gibt zwar keine offiziellen Aufzeichnungen davon, doch eine Ähnlichkeit mit dem Diabolo – dessen Herkunft auf diese Zeit und Region datiert ist – lässt darauf schliessen, dass das Spielzeug aus China stammen könnte.

Das erste historische Dokument, in dem ein Jo-Jo-ähnliches Gerät erwähnt wird, stammt aus Griechenland aus dem Jahre 500 vor Christus. Es zeigt eine Scheibe aus Keramik, die vermutlich zum Aufhängen von Vorhängen verwendet wurde. Es gibt jedoch ein Gemälde auf einer griechischen Vase, auf dem ein Junge zu sehen ist, der mit einem Jo-Jo spielt, was die Verwendung dieser Scheiben zum Spielen belegen könnte.

Ein griechisches Gemälde, auf dem ein Junge mit einem Jo-Jo spielt.
Ein griechisches Gemälde, auf dem ein Junge mit einem Jo-Jo spielt.

Historischen Aufzeichnungen zufolge versteckten sich Jäger im 16. Jahrhundert auf den Philippinen auf Bäumen und benutzten einen Stein, der an eine lange Schnur gebunden war, um ihn auf wilde Tiere unter ihnen zu werfen. Die Waffe konnte hochgezogen und für mehrere Angriffe auf die Beute wieder heruntergeworfen werden. Es ist also wahrscheinlich, dass das Jo-Jo von China aus nicht nur nach Griechenland, sondern auch auf die Philippinen gelangte, wo es über einen langen Zeitraum hinweg ein beliebtes Kinderspielzeug war.

Im 18. Jahrhundert gelangte das Spielzeug aus dem Orient nach Europa, insbesondere in die Aristokratie von Schottland und Frankreich und weiter nach England und Deutschland. Goethe dichtete 1790 in Venedig: «Welch ein lustiges Spiel! Es windet am Faden der Scheibe, die von der Hand entfloh, eilig sich wieder herauf.» Im Jahr 1791 erwähnte der schwedische Aufklärer Johan Henric Kellgren das Jo-Jo in seinem Gedicht «Dumboms leverne» als «joujou de Normandie». Ob sich aus «joujou» der Begriff «Jo-Jo» abgewandelt hat, liegt nahe, ist jedoch historisch nicht bestätigt. Es war jemand anders, der den Namen offiziell vergab.

Pedro Flores gab dem Spielzeug seinen Namen

Am 9. Juni 1928 gründete Pedro Flores die «Yo-Yo Manufacturing Company» in Santa Barbara. Zu Beginn stellte Flores seine Jo-Jos in Handarbeit her und verkaufte sie an Kinder aus der Nachbarschaft. Diese handgeschnitzten Spielzeuge wiesen gegenüber den bisherigen eine wichtige Neuerung auf: Die Schnur wurde um die Achse gewickelt, anstatt sie zu verknoten, wodurch sich das Jo-Jo am Ende der Schnur frei drehen konnte.

Pedro Flores (vorne links) mit einer Gruppe vor dem Rathaus in Raleigh.
Pedro Flores (vorne links) mit einer Gruppe vor dem Rathaus in Raleigh.

Um 1930 kaufte der Geschäftsmann Donald F. Duncan die Firma von Pedro Flores auf und erhielt so die Rechte an der Marke «Jo-Jo». Andere Unternehmen mussten in dieser Zeit Namen wie «Return Tops», «Whirl-a-gigs» oder «Twirlers» verwenden. 1965 geriet Duncan jedoch in einen Rechtsstreit über die Verwendung des Begriffs «Jo-Jo», in dessen Folge das Gericht entschied, dass er zu einem Gattungsbegriff geworden sei und daher nicht als Marke geschützt werden könne.

1980: Ein Jahrzehnt voller Innovationen

Für das Jo-Jo waren die 80er geprägt von Innovationen. So meldete Mike Caffrey im Jahr 1980 ein Patent für ein Jo-Jo mit automatischem Rückholmechanismus an. Ein Jahr später, 1981, brachte Duncan sein «World Class Jo-Jo» heraus, dessen Achse mit einer speziellen Beschichtung versehen war, die es 20 Prozent länger als die Vorgänger drehen liess.

Der Duncan World Class drehte 20 Prozent länger als andere Jo-Jos.
Der Duncan World Class drehte 20 Prozent länger als andere Jo-Jos.
Quelle: yoyo.fandom.com

1984 wurde das erste kugelgelagerte Jo-Jo von Svenska Kullagerfabriken (SKF) im Rahmen einer Werbeaktion hergestellt und markierte den Beginn einer grossen Veränderung im Jo-Jo-Design. Im selben Jahr stellte Tom Kuhn den Silver Bullet vor, das erste Exemplar mit einem aus Aluminium gefertigten Vollmetallkörper.

1989 brachte Yomega schliesslich den Fireball auf den Markt, der mit einer Hülse aus Kunststoff über einer Metallachse ausgestattet war, wodurch er sich dreimal länger drehen konnte als ein Standard-Jo-Jo mit fester Achse. Dieser wurde in den 1990er-Jahren zu einem der beliebtesten Jo-Jos weltweit.

90er: Styles und Wettbewerbe

Wo in den 80er die Jo-Jos selbst einen grossen Sprung gemacht haben, standen in den 90er die Styles der Tricks im Mittelpunkt. Nachdem 1992 die erste Weltmeisterschaft ausgetragen wurde, entwickelte sich die Jo-Jo-Welt rasant weiter. Über die Jahre entstanden über 20 verschiedene Styles, wobei sich fünf davon durchgesetzt haben. Diese werden auch heute noch an den Weltmeisterschaften ausgetragen.

Single A

«Single A» oder auch «1A» ist ein Stil, bei dem du Tricks mit einem einzigen Jo-Jo ausführst. Dieser Stil ist auch fast immer der erste Stil, den man lernt, da er am bekanntesten und am einfachsten zu erlernen ist.

Double A

Beim «Double A» werden zwei Looping-Jo-Jos in jeder Hand verwendet. Das AA-Spiel besteht aus verschiedenen Serien wie Loops, Hops, Moons, Punches, Stalls usw. Ausserdem werden verschiedene Formen von Around-the-World und anderen Kreisbewegungen mit dem jo-Jo ausgeführt.

Triple A

«Triple A» ist eine Mischung aus den beiden vorherigen Styles. Es wird wie im «Double A» mit zwei Jo-Jos gespielt, jedoch kommen die Tricks aus dem «Single A». Es sind meistens sogenannte String-Tricks, also solche, bei denen die Schnur eine zentrale Rolle spielt. Ein Beispiel ist der Velvet Rolls.

Offstring

Bei «Offstring» ist die Schnur nicht am Jo-Jo befestigt, sondern an deinen Finger gebunden. Das Yo-Yo kann frei durch die Luft geschleudert werden und sieht daher wie eine kleinere Version von Diabolo aus.

Freehand

«Freehand» wird nur mit einem Jo-Jo gespielt. Du befestigst die Schnur jedoch nicht an deinem Finger, sondern hängst ein Gegengewicht an. Meist ist das ein Casinowürfel oder eine kleine Kugel. Somit lassen sich komplett andere Tricks vorführen als mit herkömmlichen Modellen.

Mich beeindrucken Jo-Jo-Künstlerinnen und -Künstler extrem. Du sieht ihnen an, dass sie jahrzehntelang trainiert und unermüdlich an ihren Styles gefeilt haben. Ich kann gerade mal eine Handvoll Tricks wie den Sleeper oder den Around the World. Damit gewinne ich bestimmt keine Wettbewerbe. Wäre ich in den 90ern verbissener an die Sache rangegangen, würde ich heute vielleicht keinen Text über Jo-Jos schreiben, sondern selber darin in einem Video vorkommen. Oder aber ich hatte einfach Pech, weil es so krasse Designs wie das des Weltmeisters zu meiner Schulzeit noch nicht gab.

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Bezahlt werde ich dafür, von früh bis spät mit Spielwaren Humbug zu betreiben.

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