Liebe auf den zweiten Blick – die «Forerunner 645 Music» von Garmin im Test
Produkttest

Liebe auf den zweiten Blick – die «Forerunner 645 Music» von Garmin im Test

Es ist Zeit, Zeit für eine neue Beziehung. Deshalb bin ich auf der Suche und in der Testphase, sozusagen. Wer kauft schon die Katze im Sack? Eben. Die Garmin «Forerunner 645 Music» ist ein Wearable mit 4 GB Musikspeicher. Mein Fazit: Es ist Liebe auf den zweiten Blick.

Ich muss ein Geständnis ablegen: Ich bin kein guter User. Ich lese nicht gerne seitenweise Bedienungsanleitungen und verbringe ungern meine Zeit mit dem Studium von «How to»-Videos. Internet-Foren, in denen man stundenlang mit anderen Usern über dieses oder jenes Gadget diskutiert, sind mir ein Graus. Ich bin der Typ «On drücken und es funktioniert»; einfach so. Ich will auch nicht wissen, warum und wie irgendein technisches Teil im Detail funktioniert. Es soll einfach funktionieren. Mit anderen Worten: Ich bin in dieser Hinsicht ein fauler Sack. Ich gebe es zu. Punkt.

Andererseits ist mir Faulheit in Bezug auf Jogging komplett fremd. Ich laufe gerne und viel. Meine Halbmarathon-Bestzeit: 1:49:00. Die Garmin Forerunner 645 Music prognostiziert mir eine Marathon-Endzeit von 3:50:00. Was die Sportuhr ausser dieser gewagten Prognose sonst noch leistet? Wir werden sehen.

Woche 1

Kennenlernen

Es ist wie in jeder neuen Beziehung. Am Anfang ist alles aufregend, vieles aber noch ungewohnt und manchmal ein bisschen seltsam. Und überhaupt, binde ich mich langfristig oder wird das ein «one run stand»? Abwarten. Zuerst muss ich herausfinden, was die Forerunner 645 Music mag und was nicht. Meine Songs und Playlists auf iTunes mag sie vorerst nicht. Bis zu 4 GB, das entspricht etwa 500 Titeln, lassen sich auf die Uhr laden. So bleibt das Smartphone beim Laufen in Zukunft zu Hause und aus dem komplizierten Dreier mit Wearable, Smartphone und Kopfhörer wird eine monogame Zweierkiste. Zwischendurch immer wieder mal aufgepeppt mit dem kleinen schwarz-roten Brustgurt.

Da ich meine Musik seit einiger Zeit über Spotify oder Deezer konsumiere, ist meine iTunes Mediathek ziemlich veraltet. Ich hatte die Titel vor vielen Jahren von diversen CDs überspielt. Diese Songs lassen sich nun nicht auf die Uhr übertragen. Das Problem: Die Titel sind DRM-geschützt und können deshalb nicht in ein kompatibles Format (AAC, MP3) konvertiert werden. Da gibt es zwar im Internet bestimmt irgendeine Freeware, die das kann. Aber wie gesagt .... siehe Stichwort: fauler Sack.

Also kaufe ich im Store für CHF 16.– ein Album von AC/DC, weil ich gerne zu dieser Musik laufe. Danach konvertiere ich alle Titel ins AAC-Format und überspiele die Songs problemlos auf die Forerunner 645 Music. Das Problem mit dem DRM-Schutz hat sich so von alleine erledigt, denn das funktioniert alles tip top, hat mich allerdings zusätzlich 16 Franken gekostet. Und ich benötige dazu «Garmin Express», eine Anwendung für die Einrichtung, Registrierung und Verwaltung von Garmin-Geräten. Diese ist kostenlos. Ebenso die App «Garmin Connect Mobile», mit der ich sämtliche Statistiken verwalte.

Meet the family

Die Forerunner 645 Music ist mit erweiterten Funktionen zur Laufeffizienz ausgestattet. Um diese Funktionen zu nutzen, gibt es von Garmin zusätzlich den Herzfrequenz-Brustgurt «HRM-Run». Ausserdem teste ich auch gleich noch die kompatiblen Bluetooth-Kopfhörer «X3» von Jaybird. Gesamtkosten für Uhr, Gurt und Kopfhörer: rund CHF 750.–.

Erster Eindruck

Die Forerunner 645 Music ist mit ihren 42 Millimetern Durchmesser und dem Armband aus Silikon zwar ein elegantes Teil. Sie hat jedoch ihren Preis. Hinzu kommt für mich die Tatsache, dass ich meine Musik von iTunes nicht nutzen kann. Entweder kaufe ich neue Musik oder ich warte, bis sich meine Deezer Playlists mit der Forerunner 645 Music synchronisieren lassen. Gemäss Garmin soll dies mit dem Update Ende Juni/Anfang Juli möglich sein.

Fazit der ersten Woche

Ich vermisse die Ex (Apple Watch Series 2). In unserer Beziehung prickelt es zwar schon länger nicht mehr, die Schmetterlinge im Bauch sind verschwunden. Aber wir haben einfach eine solide Basis, wo alles gut eingespielt ist und reibungslos funktioniert.

Woche 2

Das erste Mal

Ich bin ein wenig nervös. Das ist beim ersten Mal ja oft so. Schliesslich möchte ich nicht versagen. Deshalb gehe ich behutsam vor und nehme die Forerunner 645 Music noch nicht mit auf einen langen, intensiven Lauf. Heute geht es, vorerst noch ohne Brustgurt, ins Fitness-Studio. Mein übliches Workout besteht aus:

  • 10 Minuten Aufwärmen auf dem Laufband
  • 40 Minuten Workout an diversen Geräten
  • 20 Minuten Cardiotraining auf dem Laufband

Zur Musik von AC/DC ist das erste Mal kurz aber intensiv und macht Spass. Die Forerunner 645 Music zeichnet die Aktivität auf dem Laufband problemlos auf und gibt pro Kilometer eine Durchsage zur zurückgelegten Strecke sowie zur Laufdauer. Die Herzfrequenz-Messung am Handgelenk scheint mir ungenau zu sein und zeigt eher zu tiefe Werte an. Es ist jedoch nichts Neues, dass ein optischer Sensor weniger verlässliche Daten liefert als ein Brustgurt-Sensor. Deshalb stört mich das nicht sehr. Bei längeren Läufen werde ich den Brustgurt umschnallen.

Die X3 von Jaybird trage ich in der Variante «über dem Ohr». So ist das Kabel eng am Hinterkopf anliegend und stört beim Workout nicht. Das ist super, ich merke gar nicht, dass ich Kopfhörer trage. Der Sound ist gut. Ich konzentriere mich jedoch nicht sehr auf die Klangqualität, ich trainiere. Mein Credo: Wenn etwas nicht negativ auffällt, ist es in Ordnung. Und das ist hier der Fall.

Nach dem Workout liefert mir die Uhr wertvolle Informationen:

  • Geschwindigkeit
  • Herzfrequenz
  • Schrittfrequenz
  • Trainingseffekt
  • Laufeffizienz

Ich glaube, ich war gut. Die Uhr teilt mir nämlich mit, dass diese Aktivität eine intensive aerobe Anstrengung an meiner Laktatschwelle enthält und dieses Training meine Laktatschwelle voraussichtlich verbessern wird.

Sowas hört man nach einem anstrengenden Workout natürlich gerne. Wäre ich Raucher, gäb’s jetzt die Zigi danach.

Das zweite Mal

Heute steht einiges auf dem Spiel. Nach der positiven Erfahrung vom ersten Mal soll nun die Bestätigung folgen. Ich plane einen längeren Lauf inklusive Brustgurt, um die erweiterten Funktionen zur Laufeffizienz zu nutzen. Mit dabei sind wieder die Kopfhörer X3 von Jaybird. Sie sind wirklich angenehm zu tragen und funktionieren gut. Nur zu Beginn des Laufs ist die Bluetooth-Verbindung nicht sehr stabil. Das führt zu diesen nervigen kleinen Unterbrüchen.

Die Forerunner 645 Music und ich sind knapp über eine Stunde unterwegs und legen in dieser Zeit 12.5 Kilometer zurück. Alles klappt einwandfrei, ob Musik oder Sprachmitteilungen. Deswegen bin ich gespannt, was die Auswertung der Daten des Brustgurtes ergibt. Und diese erweiterten Funktionen zur Laufeffizienz sind schlicht der Hammer.

Mit dem Brustgurt misst die Forerunner 645 Music zusätzlich biomechanische Werte:

  • Vertikales Verhältnis:
    Hierbei handelt es sich um das Kosten-Nutzenverhältnis zwischen vertikaler Bewegung und zurückgelegter Strecke.
  • Vertikale Bewegung:
    Hoch-Tiefbewegung während des Laufs.
  • Balance der Bodenkontaktzeit:
    Balance zwischen linkem und rechtem Bein während des Laufs.
  • Bodenkontaktzeit:
    Hohe Schrittfrequenz + schnelle Pace = kürzerer Bodenkontakt.

Und sie gibt Auskunft bezüglich:

  • VO2max:
    Hier handelt es sich um die maximale Sauerstoffaufnahme pro Minute pro Kilogramm Körpergewicht bei maximaler Leistung. Dieser Wert gibt Aufschluss über die kardiovaskuläre Fitness (der Zustand des Herz-Kreislauf-Systems).
  • Leistungszustand:
    Dieser Wert gibt Aufschluss über den allgemeinen Leistungszustand und über den Zustand der Ermüdung während eines langen Lauftrainings.

Wow, ich bin begeistert. Das sind wirklich coole Features, die mir helfen, meine Läufe in Zukunft besser zu analysieren. Ich kann so gezielter an meiner Lauftechnik arbeiten und meine Performance steigern. Das Ganze lässt sich bequem, und nach ein wenig Ausprobieren auch sehr übersichtlich, über die «Garmin Connect» App steuern.

Fazit der zweiten Woche

I think I'm in love!

Woche 3

Batterie voll, Flasche leer

Garmin verspricht für die Forerunner 645 Music eine Batterielaufzeit von bis zu sieben Tagen im Smartwatch-Modus sowie zwölf Stunden im GPS-Modus und hält dieses Versprechen auch ein. Bei Musikwiedergabe soll die Batterie im GPS-Modus bis zu fünf Stunden halten. Das Ziel für heute lautet deshalb: 21.1 Kilometer (Halbmarathon) in maximal 2:00:00. 50 Prozent Ladung müssten also für einen gut zweistündigen Lauf mit Musik locker reichen.

Schon nach wenigen hundert Metern merke ich, dass das heute nichts wird. Es ist nicht mein Tag, da hilft auch AC/DC nicht weiter. Ich bin müde und der rechte Fuss schmerzt. Also quäle ich mich in 1:12:00 über 12.6 Kilometer und bin froh, als es vorbei ist. Laufen ist manchmal die Hölle. Mein Energielevel liegt nahe bei Null, die Batterie der Forerunner 645 Music ist noch zu gut 50 Prozent geladen.

Heute waren alle in Form: die Uhr, der Brustgurt und die Kopfhörer. Nur ich nicht.

Weitere Features

Nebst den Lauffunktionen (Jogging, Laufband, Hallenbahn) kannst du mit der Forerunner 645 Music natürlich auch deine Velotouren aufzeichnen oder du nimmst sie mit zum Schwimmen.

Die Forerunner 645 Music unterstützt «Garmin Pay ready» für kontaktloses Bezahlen. So kannst du bei allen teilnehmenden Anbietern bargeldlos einkaufen. Einfach Kreditkarte scannen, Brieftasche erstellen, fertig.

Die Funktion «Smart Notifications» habe ich nach einigen Tagen deaktiviert. Sie zeigt dir alle eingehenden Mitteilungen an. Von Mail über WhatsApp bis zu SMS. Wer gerne auf dem Laufenden ist und ein stetig brummendes Handgelenk hat, lässt diese Funktion aktiv. Beim Sport stört sie eher.

Die Uhr ist wasserdicht bis zirka 50 Meter und mit einem Gewicht von gut 42 Gramm nicht einmal halb so schwer wie die «Fenix 5X Saphir» von Garmin (98 Gramm).

Von wegen Gewicht

Faustregel: 1 kg Mehrgewicht pro 10 km = 1 Minute Zeitverlust

Macht auf einem Halbmarathon rund sieben Sekunden, die ich mit der leichten Forerunner 645 Music schneller unterwegs wäre. Das sind natürlich Peanuts und ich bin kein Wettkampfläufer. Aber rechnen wir das mal ganz rudimentär für einen Profi durch, der an einer WM oder an Olympischen Spielen im Marathon um einen Spitzenplatz läuft: Er legt die 42.195 Kilometer einmal mit einer Garmin Fenix 5X zurück, einmal mit einer Forerunner 645. Ansonsten ist die Ausrüstung jeweils identisch. Mit welcher Uhr ist er schneller und um wie viel? Klar, es sind rund 14 Sekunden. Das kann den Unterschied ausmachen zwischen einer Medaille und «unter ferner liefen». Die Details sind entscheidend.

Aber zurück in die Realität des Hobbyläufers. Die Uhr hat mich nun während drei Wochen bei meinen sportlichen Aktivitäten begleitet:

  • Jogging: 25 Kilometer
  • Laufband: 30 Kilometer
  • Krafttraining: 5 Stunden

Fazit

Ich habe eine neue Liebe gefunden. Die Forerunner 645 Music bietet in Kombination mit dem Brustgurt alles, was ich als Hobbyläufer von einer Sportuhr erwarte – und noch mehr. Die erweiterten Funktionen zur Laufeffizienz sind top. Die Uhr liefert mir eine grosse Menge an Daten, mit denen ich in Zukunft arbeiten kann. Das Design überzeugt mit einer schlichten, sportlichen Eleganz.

Die Bluetooth-Kopfhörer von Jaybird kann ich ebenfalls empfehlen. Man merkt, dass sie von Sportlern für Sportler gemacht sind. In der von mir gewählten Variante «über dem Ohr» sind sie angenehm zu tragen und stören beim Laufen überhaupt nicht. Auch die Klangqualität passt für mich.

Sobald im Sommer das Deezer-Update hinzu kommt, bin ich rundum glücklich. Oder sollte ich sagen, wäre ich rundum glücklich? Nach dem Test muss ich meine neue Liebe nämlich an unsere Einkaufsabteilung zurückgeben. Ich bin mir nicht sicher, ob ich das verkrafte.

Das gesamte Garmin-Sortiment

Die Forerunner 645 von Garmin gibt es im übrigen auch ohne die «Music»-Funktion:

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Vom Radiojournalisten zum Produkttester und Geschichtenerzähler. Vom Jogger zum Gravelbike-Novizen und Fitness-Enthusiasten mit Lang- und Kurzhantel. Bin gespannt, wohin die Reise noch führt.


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