Mit Kabelbindern durch den Schnee
Kabelbinder können alles. Wenn etwas wackelt, klappert oder rutscht, macht es «zip» und die Sache ist erledigt. Selbst im Schnee sind sie ein heisser Tipp, denn sie geben deinen Veloreifen eine Extraportion Grip.
Falls noch irgendetwas die Welt im Innersten zusammenhält, dann sind es Kabelbinder. Ich traue es ihnen zu. Sie versprechen nicht mehr, als sie halten. Sondern halten viel mehr, als sie versprechen. Du kannst damit nicht nur Kabel zusammenbinden, sondern auch Wahlplakate aufhängen, den örtlichen Mafia-Paten verhaften, Skulpturen erschaffen oder beim Auspacken des neuen Spielzeugautos an ihrer Widerstandskraft verzweifeln. Sie sind die Plastik gewordene Allzweckwaffe, spielen in einer Liga mit dem Duct Tape und WD-40. Doch anders als diese beiden verzeihen sie keine Fehler. Wenn sich die Schlinge zuzieht, gibt es kein Zurück mehr. Du musst dich entscheiden, wo du ihre Superkräfte einsetzt. Und dann durchziehen. Ratsch. Fakten geschaffen.
Drum prüfe, wer sich ewig bindet
Nun zu meiner Frau. Genauer gesagt zu den Spike-Reifen, die ich ihr für die Wintermonate am Velo montiert hatte, damals, als es in Zürich noch so etwas wie Winter gab. Ich schlage hier einen kleinen Bogen, der am Ende schlüssig wie ein Kabelbinder zum Thema zurückführt. Die Spike-Reifen waren nötig, damit sie zu jeder Tages- und Nachtzeit sicher und schnell an ihren Arbeitsplatz kommt. Auf zwei Rädern, nicht im Rettungswagen. Das hat ganz gut geklappt. An den fünf echten Wintertagen fuhr sie problemlos über Eis und Schnee.
Während der übrigen vier Monate war die Geräuschkulisse auf Asphalt gewöhnungsbedürftig und die Metallstifte im Pneu eine latente Gefahr für die Kabelstränge des E-Bikes. Gehalten und gerettet wurden diese Kabel von Kabelbindern. Den eigentlichen Hauptdarstellern dieser Geschichte. «Zip ties» sind ein fesselnder Anblick, den es seit den 1950er-Jahren gibt. Als Erfinder des kleinen Kunststoffwunders gilt George M. Zapata von der Firma Illinois Tool Works aus Chicago.
Was der gute Mann wahrscheinlich nicht ahnte: Er hat gleichzeitig so etwas wie Schneeketten für Velofahrer erfunden. Die DIY-Alternative zu den Spike-Reifen. Wenn du im Winter viel mit dem Bike unterwegs bist und Schnee in deiner Region kein Dauerzustand ist, kannst du in der Regel auf spezielle Reifen verzichten. Dafür lohnt es sich, für alle Fälle ein paar Kabelbinder im Gepäck zu haben. Einige davon, mit dem Verschluss nach oben in regelmässigen Abständen fest über die Felge gezogen, geben im Schnee den Grip, den du brauchst, um ohne Gips nach Hause zu kommen.
Eine Methode, so simpel und effektiv, dass es schon fast an ein Wunder grenzt, dass es bis 2010 gedauert hat, bis sie um die Welt ging. Sofern das Internet nicht lügt, hat ein Blog-Beitrag von Dutch Bike Co. in Seattle den Hype ausgelöst, die Kabelbinder zum Bike-Hack gemacht. Auf deren Website gibt’s noch ein Bild der Konstruktion, die seither millionenfach kopiert wurde. Vom kleinen Blogger um die Ecke bis hin zur Wirtschaftswoche erliegen alle dem simplen Charme des Kabelbinder-Tricks. Oder Hacks. Nenn’ es, wie du willst. Es funktioniert.
Das Ergebnis der unzähligen Tests kurz zusammengefasst: Auf Eis sind Spikes im Vorteil, im Schnee Kabelbinder top. Selbst wenn du teure Modelle nimmst und grosszügig auf Vorder- und Hinterrad verteilst, kostet dich das nicht mehr als fünf Minuten und vier Franken. Eine halbe Packung reicht locker.
Die kleinen Kunststoff-Krallen aus Nylon kommen mit Kälte zurecht und bleiben geschmeidig, solange sie genug Feuchtigkeit haben. Deshalb wird ab Werk ein Tropfen Wasser mit in die Verpackung gegeben, wie ich in diesem Beitrag gelernt habe. Auch Salz stecken die weg. Zum Beispiel, wenn du bittere Tränen weinst, sobald du merkst, dass dein Kabelbinder-Schneeketten-Bike leider Felgenbremsen hat. Tröste dich damit, dass du noch die Hälfte deiner 100er-Packung übrig hast und die Welt voller Möglichkeiten ist, sie einzusetzen.
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Einfacher Schreiber, zweifacher Papi. Ist gerne in Bewegung, hangelt sich durch den Familienalltag, jongliert mit mehreren Bällen und lässt ab und zu etwas fallen. Einen Ball. Oder eine Bemerkung. Oder beides.