«Nicht immer gewinnt der Beste» Der Weltmeister im Monopoly über Glück im Spiel, Lehren fürs Leben und Tricks zum Nachmachen
Der Hauskauf, der Gefängnisaufenthalt und die Grundstücke in den «heißen» Farben: Nicolò Falcone aus Venedig weiß, welche Spielzüge beim Monopoly den entscheidenden Unterschied machen. Doch Weltmeister ist der Italiener nicht nur deshalb geworden.
Es ist das Spiel der Spiele: Dreieinhalb mal könnte man die Erde umrunden, würde man alle bislang verkauften Monopoly-Spielbretter aneinander legen. Seit 1935 wurden über sechs Milliarden Häuser, über zwei Milliarden Hotels und mehr als fünf Billionen US-Dollar Spielgeld produziert. Monopoly wurde in Atom-U-Booten, in Feuerwehrautos und in Badewannen gespielt. Taucher traten 45 Tage infolge unter Wasser gegeneinander an, Akrobaten 36 Stunden lang im Kopfstand. Monopoly erscheint in 47 Sprachen und 114 Ländern und ist längst ein unverzichtbarer Bestandteil der internationalen Popkultur – und ein beeindruckendes Stück Völkerverständigung.
Sein bester Botschafter: Nicolò Falcone, 36, studierter Jurist, der in der öffentlichen Verwaltung seiner italienischen Heimatstadt Venedig arbeitet, und ganz nebenbei noch junger Familienvater und leidenschaftlicher Stand-up-Comedian ist. Außerdem hält Nicolò einen begehrten Titel: Er ist amtierender Weltmeister im Monopoly. Was es nicht alles gibt! Auf ein Wort, Champ!
Nicolò, wann hast du das letzte Mal Monopoly gespielt?
Nicolò Falcone: Im letzten Sommer, als mein Bruder mit meinen beiden kleinen Neffen aus London zu Besuch bei mir in Venedig war. Wir haben die Kinder sozusagen an eine unserer großen alten Familientraditionen herangeführt.
Als netter Onkel hast du die beiden doch sicher gewinnen lassen, oder?
Nein, ich halte nichts davon, Kinder aus vermeintlicher Rücksichtnahme gewinnen zu lassen. Warum auch? Im Leben kann man gar nicht früh genug lernen, dass man nicht immer auf der Siegerseite steht und wie man mit Niederlagen umzugehen hat – auch und gerade beim Spielen. Und außerdem gewinne ich selbst viel zu gerne (lacht).
Dein letztes Spiel ist also schon ein Weilchen her. Ich hätte eher vermutet, dass der amtierende Weltmeister im Monopoly ständig spielt.
Stimmt, im Moment hole ich das Spiel nicht besonders oft aus dem Regal. Mein Sohn ist erst drei Jahre alt. Der kommt als Gegner noch nicht in Frage, noch nicht. Und meine Frau ist weder eine besonders begeistere, noch eine besonders gute Spielerin. Gegen wen soll ich also antreten? Bis die Corona-Pandemie endgültig vorbei ist, werde ich mich wohl kaum mit einer größeren Gruppe von Freunden an einen Tisch setzen können, um eine Partie Monopoly zu spielen.
Mag dich denn überhaupt noch jemand herausfordern? Ein Weltmeister ist doch nur schwer zu schlagen, oder?
Das Gegenteil ist der Fall: Ich bekomme andauernd Einladungen. Offensichtlich gibt es eine Menge Menschen, die gerne mal von sich sagen würden: Ich habe den Weltmeister im Monopoly besiegt, ganz besonders auch Kinder. Vor ein paar Monaten war ich erst wieder in einer Schule zu Gast, nachdem mich ein Lehrer darum gebeten hatte. Es war wirklich witzig: Die Sechs-, Siebenjährigen waren anfangs schwer beeindruckt von mir und meinem Titel: «Boah, da kommt der Weltmeister. Das muss ein echt krasser Spieler sein, bestimmt ein harter Typ!» Doch ihre Ehrfurcht hatte sich ziemlich schnell wieder erledigt. Sie wollten dann alle nur noch unbedingt gegen mich gewinnen und haben sich während des Spiels sogar gegen mich verbündet. Ich hatte also plötzlich nicht mehr nur drei Gegner am Tisch, sondern ein Team aus drei Gegnern, die gemeinsam gegen mich agierten. Ich bin ordentlich ins Schwitzen gekommen, doch am Ende konnte ich mich durchsetzen. Aber natürlich hätte ich auch verlieren können. Monopoly ist ja kein Schach.
Damit wären wir auch schon bei der Gretchenfrage: Wie viel Glück braucht es denn, um beim Monopoly zu gewinnen?
Das kommt ganz darauf an, gegen wen ich spiele. Bei einer Weltmeisterschaft beispielsweise kennen sämtliche Spieler sämtliche Taktiken, Techniken und Tricks. Da läuft fast alles auf das Glück beim Würfeln hinaus. Habe ich aber einen weniger geübten Gegner vor mir, sind meine Chancen, als Sieger nach Hause zu gehen, wesentlich größer, ganz einfach, weil ich weniger Fehler mache. Und trotzdem: Wenn ich an jenem Tag eine Pechsträhne habe, werde ich ganz sicher nicht gewinnen. Das Glück oder der Zufall oder das Schicksal, wie immer man es nennen will, hat nun mal einen entscheidenden Einfluss. Da ist es beim Monopoly nicht anders als im Leben: Nicht immer gewinnt der Beste.
Das klingt doch sehr nach Understatement. Du verfolgst doch bestimmt eine Strategie beim Spielen, Nicolò. Jetzt mal Butter bei die Fische: Welche Tricks bringen einen beim Monopoly weiter?
Also… Die besten Grundstücke sind die mit den «heißen» Farben, also die roten und orangen. Zum einen haben sie das beste Verhältnis von Kosten zu Einnahmen und zum anderen landen Mitspieler am häufigsten auf ihnen, wenn sie aus dem Gefängnis kommen. Apropos Gefängnis: Zum Ende des Spiels hin, wenn man überall hohe Mieten zahlen muss, kann es von entscheidendem Vorteil sein, möglichst lange im Gefängnis zu bleiben. Am Anfang sollte man jedoch zusehen, umgehend aus dem Gefängnis rauszukommen. Man muss ja schließlich Grundstücke kaufen. Wasser- und Elektrizitätswerke und Bahnhöfe sind dabei gar nicht so entscheid, wie viele denken. In der letzten Spielphase sollte man sie ruhig abstoßen, wenn es denn sein muss. Außerdem ein schlauer Move: Nach Möglichkeit immer gleich drei Häuser bauen, eines je Straße. Das ist am effektivsten. Und zu guter Letzt der Tipp aller Tipps: Ein Spielbrett ist wirklich nicht der geeignete Ort für Mitleid.
Da spricht der erfahrene Profi. Wie lange spielst du eigentlich schon?
Ich habe mit fünf oder sechs Jahren angefangen, mit meinem Vater und meinem älteren Bruder, Monopoly zu spielen, jeden Samstag aufs Neue. Die beiden waren großartige Spieler, sehr schlau, aber auch sehr gnadenlos. Anfangs habe ich nur verloren – und oft geheult. Aber ich habe auch einen Ehrgeiz entwickelt: Ich wollte sie unbedingt schlagen. Ohne dieses harte Training wäre ich vielleicht nie Weltmeister geworden.
Darüber müssen wir natürlich unbedingt reden: Wie wird man denn bitte Weltmeister im Monopoly?
Ich habe 2015 einen Aufruf des Spiele-Herstellers Hasbro Gaming auf Facebook entdeckt: «Bist du ein guter Monopoly-Spieler? Und wolltest du schon immer mal China besuchen?» Traf beides auf mich zu. Ich habe mich also angemeldet, habe an einer Regionalmeisterschaft teilgenommen und danach sogar die nationale Meisterschaft in Italien für mich entschieden. Kurze Zeit später saß ich auch schon im Flugzeug nach Hongkong. Die Weltmeisterschaft fand dann passenderweise in Macau, dem Las Vegas von Asien, statt.
Gegen wen musstest du dort spielen?
Insgesamt waren 27 Landesmeister angereist. Im Finale traf ich auf den US-amerikanischen und den japanischen Champion und den Titelverteidiger aus Norwegen. Wahnsinn! Harte Brocken! Ich hatte das Glück aber letztlich auf meiner Seite und konnte genau 20580 US-Dollar Preisgeld mitnehmen, die Summe, die auch jedem Monopoly insgesamt als Spielgeld beiliegt.
Musstest du deinen Titel schon verteidigen?
Eigentlich sollte ich ihn 2020 verteidigen, wieder in Macau. Doch Corona hat das zu verhindern gewusst. Unter Umständen findet die nächste Weltmeisterschaft nun 2021 statt. Aber das weiß noch keiner so ganz genau. Wir werden sehen. Die Weltmeisterschaften gibt es bereits seit 1973 – und es wird sie sicher noch eine ganze Weile länger geben.
Im WM-Finale 2015 standen vier Männer. Ist Monopoly vor allem ein Spiel für Männer?
Nein, gar nicht. Die britische, die spanische und kanadische Landesmeisterin sind beispielsweise alles Frauen. Und auch Deutschland hat einen weiblichen Champion. Monopoly wird wirklich in jeder Ecke der Erde gespielt – und von genauso vielen Frauen wie Männern, mindestens.
Hast du Rituale beim Spielen?
Seit der Weltmeisterschaft schon. Ich habe dort nämlich auch eine Kollektion goldener Spielfiguren gewonnen. Während meine Mitspieler zum normalen Rennwagen oder Kriegsschiff greifen, ziehe ich eine meiner goldenen Figuren aus der Tasche, die ich einsetze. Das macht schon mal Eindruck.
Was gefällt dir an Monopoly so ausgesprochen gut, dass du dem Spiel all die Jahre treu geblieben bist?
Das Geld. Geld zu besitzen ist doch was Tolles! (lacht) Ich liebe bis heute vor allem auch den Moment, wenn dein Geld zu meinem Geld wird. Großartig! Es ist dabei auch völlig egal, dass es sich nur um Spielgeld handelt. Die Freude ist dieselbe wie im wahren Leben.
Apropos wahres Leben: Hast du von Monopoly etwas fürs wahre Leben gelernt?
Oh ja! Du trägst nicht die Verantwortung für alles, was dir zustößt. Wenn etwas Schlechtes passiert, solltest du dich zuallererst fragen: War das wirklich mein Fehler? Was das wirklich meine Schuld? Wenn ja: Dann ändere etwas, wenn es etwas zu ändern gibt, und vermeide es, deinen Fehler zu wiederholen. Wenn nein: Nicht ärgern. Einfach nur mit den Schultern zucken. Shit happens!
Es gibt ein Beatles-, ein DDR-, ein Fortnite- und sogar ein Biene Maja-Monopoly. Was hältst du von den über 300
Special Editions?
Ich besitze zwar keine einzige von ihnen, sondern nur zwei klassische Spielbretter, aber einige der Sondereditionen finde ich ziemlich originell. Schön auch, dass manche Spielfelder wirklich in allen Versionen dieselben bleiben, etwa das Gefängnis oder das «Gehe ins Gefängnis»-Feld. Egal, ob du im Fortnite-Universum oder mit Biene Maja unterwegs bist, es schickt dich der immer selbe Polizist hinter Gittern. Das hat wohl was mit den Urheberrechten zu tun.
Greifst du neben Monopoly auch mal zu anderen Spielen?
Ich habe mir gerade eine alte Nintendo-Konsole zugelegt und spiele mit meinem kleinen Sohn nun häufiger mal «Super Mario». Ich hatte völlig vergessen, wie schwer Videospiele früher zum Teil waren. Irre! Und ich spiele Schach online.
Meine letzte Frage: Bist du eigentlich ein guter Verlierer?
Ähm, nein, kein super guter Verlierer. Ich finde Gewinnen schon besser.
Ich bin seit 20 Jahren Journalist und war unter anderem Redakteur eines Wissensmagazins, Textchef eines Nachrichtenmagazins und Chefredakteur eines Jugendmagazins. Für mich können Themen und Texte gar nicht abwechslungsreich und bunt genug sein. Am liebsten jeden Tag etwas Anderes, Neues, Spannendes. Die Menschen um mich herum aber, also jene, die mit mir Tisch, Bett und Badezimmer teilen, die dürften gerne den Rest meines Lebens dieselben bleiben.