Nikon Z 6II: Was bringen zwei Prozessoren?
Zwei Prozessoren statt nur einer: Wie wirkt sich das auf die Leistung der Kamera aus? Ich habe es mit der Nikon Z6 II ausprobiert und bin nicht besonders beeindruckt.
In den neuen Nikon Z 6II und Z 7II befinden sich je zwei Expeed-Bildprozessoren. Was das wirklich bringt, will ich mit einigen Versuchen herausfinden.
Alles doppelt so gut?
Nikon schreibt auf der Produktseite der Z6 II: «Zwei Expeed-Prozessoren verdoppeln die verfügbare Leistung – vom Autofokus bis zur Pufferkapazität.» Viel mehr steht zu den Prozessoren nicht, aber es klingt ziemlich beeindruckend. Schauen wir uns das mal an.
Der Pufferspeicher ist tatsächlich beeindruckend und limitiert mich beim Fotografieren in keiner Weise. Nach Angaben von Nikon fasst er 200 JPEGs oder 124 RAW-Files. Das ist eine deutliche Verbesserung gegenüber der Z6 mit 47 JPEGs beziehungsweise 35 RAW-Files.
Bei genauem Hinsehen stellt sich heraus, dass diese Angaben nur für RAW-Files mit 12 Bit Farbtiefe gelten. Ein 14-Bit-RAW ist ungefähr 25 Prozent grösser, der Puffer reicht also weniger lange.
Kommen wir zur Serienbildgeschwindigkeit. Da zeigt sich bereits auf dem Datenblatt, dass die Leistung keineswegs verdoppelt wird. Die Serienbildgeschwindigkeit liegt bei der Nikon Z 6II bei maximal 14 Fotos pro Sekunde. Die Z6 mit nur einem Prozessor schafft 12 fps. Beide Werte gelten für JPEG und 12-Bit-RAW. Mit 14 Bit Farbtiefe sind es 10 respektive 9 Bilder pro Sekunde.
Weshalb da nicht mehr herausschaut, weiss ich nicht. Es scheint mir jedoch nahe liegend, dass die beiden Prozessoren sich bei der Arbeit koordinieren müssen, was zu Verlusten führt.
Der Autofokus
Der Autofokus soll durch die beiden Prozessoren schneller arbeiten. Das ist einleuchtend, denn die Motiverkennung und -verfolgung benötigt viel Rechenpower. Augen und Gesichter müssen beinahe in Echtzeit erkannt werden. Die Nikon D850 hat neben dem Bildprozessor einen separaten Prozessor fürs Autofokus-Tracking. Somit sind die Z 6II und Z 7II nicht die ersten Kameras mit zwei Prozessoren – aber die ersten, bei denen der bestehende Prozessor verdoppelt wurde.
Aber ist der Autofokus wegen der beiden Prozessoren gleich doppelt so schnell oder doppelt so gut? Natürlich nicht. Zum einen hängt die Geschwindigkeit nicht nur von der Rechenleistung ab. Zum andern dürften sich auch hier wieder Verluste durch die Abstimmung der beiden Prozessoren ergeben.
Was bedeutet überhaupt «doppelt so viel Leistung» beim Autofokus? Wie lässt sich das messen? Keine Ahnung. Ich halte die Aussage nur schon deswegen für Unsinn.
Da ich die Autofokus-Leistung nicht messen kann, verlasse ich mich auf mein Gefühl. Dieses sagt mir: Es gibt einen Fortschritt, aber es ist kein Quantensprung. Schon mit der ersten Z6 sind mir einige gute Tierfotos gelungen. Damals noch mit dem Adapter für Spiegelreflex-Objektive. Bei der Z6 II habe ich folgende Kombination verwendet:
Nikon Nikkor Z 70-200mm f/2.8 S
Nikon Z, Vollformat, APS-C / DX
Das Tracking ist in vielen Fällen brauchbar, aber bei Motiven, die sich schnell und unvorhersehbar bewegen, versagt es. Bei Möven im Flug hatte ich keine Chance, das Tracking-Feld schnell genug auf die richtige Stelle zu bewegen. Bei langsameren Motiven wie einem Schwan funktionierte es gut.
Das hat jedoch nichts mit der Prozessorleistung zu tun. Eher mit dem Bedienkonzept. Allerdings: Wenn die Kamera Auge oder Gesicht automatisch erkennt, entfällt die mühsame Platzierung des Tracking-Feldes. Das funktioniert aber nur bei Menschen, Hunden und Katzen. Bei Vögeln klappt es nicht.
Natürlich kann ich auf das Tracking verzichten und stattdessen den vollautomatischen Autofokus einschalten. Dann habe ich keinen Stress, aber auch keine Kontrolle darüber, was fokussiert wird. Ohne Gesichtserkennung fokussiert die Kamera in der Regel auf das Motiv, das am nächsten liegt. Das ist nicht immer richtig.
Bei Personen funktioniert die Augen- und Gesichtserkennung nach meinem Eindruck gut. Im Unterschied zur Z6 steht sie auch bei Videoaufnahmen zur Verfügung.
Zudem kannst du bei der Z6 II bei der Gesichtserkennung einen Bildbereich auswählen und somit bestimmte Bereiche von der Fokussierung ausschliessen. Ebenfalls nett: Erkennt die Kamera mehrere Gesichter/Augen, wird dies mit einem kleinen Pfeil angezeigt. Drücken auf die entsprechende Pfeiltaste wechselt zum nächsten Auge bzw. Gesicht.
Die Tracking-Empfindlichkeit und AF-Geschwindigkeit lassen sich einstellen. Im obigen Video habe ich die Geschwindigkeit hoch eingestellt, weil ich die Reaktionsfähigkeit testen wollte. Das wirkt aber viel zu nervös – für eine ernsthafte Aufnahme würde ich sie langsamer wählen.
Auch wenn das einwandfrei funktioniert, habe ich den Eindruck, dass bei Sony die Gesichtserkennung etwas schneller greift. Auch die Canon EOS R5 scheint mir da leicht besser. Aber das ist ein subjektiver Eindruck, der sich nicht mit Zahlen belegen lässt.
Video und Überhitzung
Die Z6 II kann momentan 4K-Videos nur mit 30 fps aufnehmen, genau wie der Vorgänger. Das soll sich aber mit einem Firmware-Update ändern, das auf Februar 2021 angekündigt ist. Dann sind bis zu 60 fps möglich. Das wäre dann tatsächlich doppelt so gut.
Das bedeutet, dass die Hardware grundsätzlich für 4K60 gerüstet ist. Und das muss am Doppelprozessor liegen, denn der Sensor ist der gleiche wie bei der Z6.
Die Frage ist, wie schnell die Kamera dabei überhitzt. Ich vermute, dass eine Kamera mit zwei Prozessoren bei der gleichen Aufgabe weniger schnell heiss wird. Ich stelle mir vor, dass die Hitzeentwicklung auf zwei Orte verteilt wird und es deshalb weniger zu Extremwerten kommt.
Da die Kamera noch kein 4K60 kann, kann ich es leider nicht testen. Um dennoch einen Eindruck zu gewinnen, lasse ich 4K30 sowie Full HD bei 120 fps im Dauerbetrieb laufen.
Die Clip-Länge ist bei der Z6 II auf 30 Minuten beschränkt. Von der Hitzeentwicklung her wäre das aber nicht nötig. In beiden Aufnahmemodi kann ich vier Clips hintereinander aufnehmen, also total je 2 Stunden, ohne dass es zu einer Warnung oder zum automatischen Abschalten kommt. Länger habe ich es nicht versucht.
Gemäss diesem Bericht läuft der Vorgänger Z6 unter ähnlichen Umständen nur eine knappe Stunde. Sofern Nikon nichts Entscheidendes an der Kühlung geändert hat, wirkt sich der Doppelprozessor günstig auf die Hitzeentwicklung aus. Den Härtetest mit 60 fps muss die Kamera aber erst noch bestehen.
Akkulaufzeit
Zwei Prozessoren verbrauchen mehr Strom als einer. Zumindest dann, wenn sie tatsächlich mehr leisten. Zu erwarten ist also ein negativer Effekt auf die Akkulaufzeit.
Auch das ist nicht so genau messbar, da die Akkulaufzeit von unzähligen Faktoren abhängt. Mit Sicherheit kann ich sagen, dass die beiden Prozessoren nicht doppelt so viel Strom brauchen. Zudem hat Nikon die Kapazität des Akkus erhöht. Der neue Akku EN-EL15c hat 2280 mAh und ist mit dem älteren EN-EL15b (1900 mAh) vorwärts- und rückwärtskompatibel.
Eine halbtägige Foto-Session ist mit einem Akku kein Problem. Je nach Situation kann er auch für einen ganzen Tag reichen. Die zweistündigen Video-Dauerläufe erforderten einen Akkuwechsel.
Für Marathonleistungen kann diese Kamera auch per USB-C ans Stromnetz angeschlossen werden. Ausserdem gibt es einen Batteriegriff, der den Akkuwechsel im laufenden Betrieb ermöglicht.
Fazit: Nicht schlecht, aber nicht doppelt so gut
Die Aussage, dass mit zwei Prozessoren nun einfach doppelt so viel Leistung zur Verfügung steht, ist Quatsch. Der grosse Wow-Effekt bleibt aus. Der Vorteil bei der Geschwindigkeit ist klein. Schon eher ins Gewicht fällt die – vermutlich – günstigere Hitzeentwicklung. Wobei der Härtetest mit 4K60 noch aussteht. Erfreulich ist, dass sich der Akku nicht spürbar schneller leert als mit nur einem Prozessor.
Inwiefern sich das verallgemeinern und auf andere Marken übertragen lässt, kann ich nicht beurteilen. Ich zweifle aber stark daran, dass von nun an überall zwei Prozessoren eingebaut werden. Zwei Prozessoren kosten schliesslich mehr als einer.
Durch Interesse an IT und Schreiben bin ich schon früh (2000) im Tech-Journalismus gelandet. Mich interessiert, wie man Technik benutzen kann, ohne selbst benutzt zu werden. Meine Freizeit ver(sch)wende ich am liebsten fürs Musikmachen, wo ich mässiges Talent mit übermässiger Begeisterung kompensiere.