Produkttest
Übers Wasser fliegen: Erste Versuche auf dem Wing SUP
von Siri Schubert
Seit einiger Zeit explodiert mein Instagram-Account mit atemberaubenden Bildern von einer neuen Wassersportart: dem Wingfoilen. Jetzt will ich’s wissen: Was hat es mit dem Trend auf sich? Kann ich in wenigen Tagen lernen, auf einer Tragfläche übers Wasser zu schweben?
Wie Fliegen soll es sein, das lautlose Schweben über dem Wasser, auch Foilen genannt. Dass die Metapher weder willkürlich noch übertrieben ist, liegt daran, dass die Tragflächen, also die Foils, von Flugzeugflügeln inspiriert sind. Sie ermöglichen es, sich von der Wasseroberfläche zu lösen und über Seen und Meere zu schweben. Toll, denke ich. Das will ich auch. Unbedingt!
Da in der Schweiz das Wasser noch kalt und der Wind sehr unbeständig ist, suche ich nach Foilkursen in wärmeren Gefilden. Bei Mallorca Kiteboarding werde ich fündig. Warum mich gerade diese Schule anspricht? Die Location in der Bucht von Pollensa im Norden Mallorcas gefällt mir, da sie Wind und Anfänger-freundliche Bedingungen verspricht. Zudem sind die Ausbilder zertifiziert und die Schule gibt es schon viele Jahre, was für die Qualität spricht. Dass sie an verschiedene Wassersportverbände angebunden ist, ist in meinen Augen ein weiteres Plus.
Also nichts wie los. Kurzentschlossen reise ich auf die Insel und stehe am Montagmorgen bei Mallorca Kiteboarding auf der Matte. Mike Weber, der Mitgründer der Schule, begrüsst mich. Er hat fast sein ganzes Leben auf dem Wasser verbracht. Der Sportler mit deutschen Wurzeln ist in einem kleinen Ort an der Bucht aufgewachsen und war einer der ersten Kitesurfer auf Mallorca. Aufs Wasser gehts an diesem Tag aber leider noch nicht. Ein starker Offshore-Wind bläst von der Küste hinaus aufs offene Meer. Keine idealen Bedingungen fürs erste Mal.
Mit gemischten Gefühlen radle ich zurück zu meiner Unterkunft: Einerseits bin ich enttäuscht, dass der erste Tag der ohnehin knapp bemessenen Kurszeit ohne Wasserkontakt verstreicht. Andererseits bin ich beeindruckt, dass für die Kursleitung Sicherheit und der Lernfortschritt der Schülerinnen und Schüler an erster Stelle stehen. Denn bei diesen Bedingungen wäre eine Lektion wahrscheinlich frustrierend bis gefährlich geworden.
Am nächsten Morgen sieht es besser aus: Der Wind hat sich gelegt und die Bucht spiegelt sich im Sonnenlicht. Für Windsportarten ist das zwar nicht ideal, aber heute geht’s auch erst einmal aufs elektrische Foil-Board. Diese Boards nutzen einen batteriebetriebenen Motor, um die nötige Geschwindigkeit zu erreichen, damit sich es von der Wasseroberfläche löst und auf der Tragfläche schwebt. Wie bei einem Flugzeugflügel entsteht zwischen Ober- und Unterseite des Tragflächenflügels ein Druckgefälle, das für Auftrieb sorgt.
In der Schweiz sind eFoil-Boards nicht zugelassen. Hierzulande wird das Foilen meist erst hinter einem Motorboot geübt, um ein erstes Gefühl für das Abheben zu bekommen. Das ist wichtig, damit du beim ersten Mal mit Wing und Foil auf dem Wasser nicht mit zu vielen neuen Elementen auf einmal umgehen musst.
Zum Lernen ist das eFoil-Board ideal: Dank des Elektromotors kann ich mich ganz auf das Gefühl auf der Tragfläche konzentrieren. Zunächst gibt es eine Einweisung zur Sicherheit und den Bewegungsabläufen beim Fahren, Fallen und Wenden. Denn ganz ohne Risiko ist das Foilen nicht: Eine Kollision mit der Tragfläche und ihren scharfen Carbon-Kanten kann zu schmerzhaften Blessuren führen. Deshalb: Helm, Prallschutzweste und Langarm-Neoprenanzug anziehen.
So ausgerüstet und instruiert fühle ich mich sicher. Mithilfe einer Fernbedienung bestimme ich den Schub und erreiche die nötige Geschwindigkeit, um ins Schweben zu kommen. Schnell kann ich aufstehen. Jetzt geht es darum, das Gewicht vom vorderen auf den hinteren Fuss und wieder zurück zu verlagern. Etwa so, wie mit dem Skateboard auf dem Pumptrack.
Wichtig ist auf jeden Fall, das Gewicht schnell wieder auf den vorderen Fuss zu bringen, sobald das Board abhebt, damit es nicht wie eine Rakete gen Himmel schiesst und mich dabei abwirft. Glücklicherweise passiert das nur einmal und ich merke, dass mir meine langjährige Erfahrung als Wassersportlerin bei der Balance zugutekommt. Von nun an heisst es: Brett flach halten.
Das Gefühl auf dem Foil ist einmalig: Sobald sich das Board aus dem Wasser hebt, wird es still, da die Reibung zwischen Wasser und Brett weg ist. Die Geschwindigkeit steigt, der Widerstand sinkt. Ich hebe ab. Und fliege. Endorphine fluten mein System. Das ist also das Gefühl, von dem die Foilerinnen und Foiler in den sozialen Medien schwärmen. Davon will ich mehr. Viel mehr.
Bald ist die Lektion vorbei. Meine Beine sind müde, denn trotz Elektroantrieb ist die Haltung auf dem Board und das ständige Ausbalancieren am Anfang unbewusst anstrengend. Glücklich bin ich auch. Und gespannt auf mehr.
Am folgenden Tag steht der nächste Schritt an. Denn obwohl das Elektro-Foilen Spass gemacht hat, ist mein Ziel für diese Woche, mithilfe eines Flügels, dem sogenannten Wing, und des Windes zu foilen. Doch zunächst geht’s noch nicht auf ein Tragflächen-, sondern auf ein Windsurfboard.
Jetzt muss ich erst einmal üben, den Flügel zu steuern und auf Geschwindigkeit zu kommen. Wichtigster Skill ist das Fahren mit etwa 50 Grad am Wind, sodass ich aufkreuzen kann, also im Zick-Zack-Kurs gegen den Wind vorwärtskomme. Wichtig ist auch, dass ich quer zur Windrichtung fahren lerne, ohne an Höhe zu verlieren. Sonst muss ich schwimmen oder im flachen Wasser beziehungsweise am Strand mit meinem Equipment zurücklaufen. «Walk of Shame» wird der Spaziergang der Rookies augenzwinkernd genannt.
Dabei ist der «Walk of Shame» wirklich keine Schande. Im Gegenteil. Alle, die das Wingfoilen oder eine andere Windsportart gelernt haben, werden ihn schon das eine oder andere Mal hinter sich gebracht haben. Denn wer sich nicht aus dem sicheren Bereich hinauswagt und Fehler riskiert (ohne dabei unnötige Risiken einzugehen), lernt auch nichts. Genau genommen ist der «Walk of Shame» also sogar eine Auszeichnung oder ein Meilenstein auf dem Weg zum Erfolg.
Ich habe das Handling des Wings bereits bei Honu Sup am Thunersee geübt, sodass mir jetzt allzu lange Läufe erspart blieben.
Nach rund zwei Stunden gelingt mir das Hin- und Herfahren sowie das Halsen, also das Drehen mit dem Wind. Den vorgegebenen Kurs kann ich ebenfalls einigermassen gut halten. Genau jetzt wäre ich bereit für den nächsten Schritt. Fürs Segeln mit Tragfläche. Aber: Der Wind ist weg. Feierabend.
Auch an den nächsten beiden Tag zeigt sich der Wind unkooperativ. Immer wieder weckt ein leichtes Lüftchen Hoffnungen. Und immer wieder fällt der Wind in sich zusammen. Ich verbringe Stunden vor dem Wassersport-Center an der mallorquinischen Nordküste, mein Blick wie gebannt aufs Meer gerichtet. Ich versuche, völlig irrational, Wellen und kleine Schaumkronen durch intensives Starren zu manifestieren. Doch es tut sich nichts.
Wie mir geht es einem Grüppchen anderer Wassersportbegeisterten, die ebenfalls Wingfoil- oder Kitesurf-Kurse gebucht haben. Wie ein Häufchen nervöser Hühner sitzen wir da. Sobald sich durch einen dunklen Streifen auf dem Wasser am Horizont etwas Wind ankündigt, quetschen wir uns in die Neoprenanzüge, bauen die Ausrüstung zusammen und pumpen Wings und Kites auf. Doch kaum stehen wir im knietiefen Wasser, ist die kurze Wind-Episode bereits wieder vorbei. Und das Warten beginnt von neuem.
So ist das eben bei Natursportarten: Die Kräfte von Wind, Sonne, Wasser und Niederschlag sind ein Teil des Ganzen und haben das letzte Wort. Eigentlich toll, denn das Warten lehrt Aufmerksamkeit, Achtsamkeit und Geduld. Im Natursport lässt sich nichts erzwingen und das macht für mich einen grossen Teil des Reizes aus.
Am letzten Tag vor meiner Abreise sieht es bis Mittag ebenfalls nicht gut aus. Während ich warte, stellt der Mitgründer der Wassersport-Schule, Mike, meine Ausrüstung zusammen. Für mich als Anfängerin wählt er eine Tragfläche mit relativ kurzem Mast, sodass ich nicht sehr weit aus dem Wasser herauskomme. So kann ich mich an das Gefühl des Fliegens auf niedrigerer Höhe gewöhnen. Der vordere Teil der Tragfläche hat dagegen eine grosse Spannweite, was mir Stabilität geben und das Abheben erleichtern soll.
Den Wing zum Segeln wählt Mike entsprechend meiner Körpergrösse, meinem Gewicht und der erwarteten Windstärke aus.
Für mich ist es ein klarer Vorteil, in einer Schule die Möglichkeit zu haben, das passende Material für mich und mein derzeitiges Können auszuprobieren. Gerade am Anfang erhoffe ich mir schnelle Fortschritte und wenn ich aus dem Material herauswachse, brauche ich nicht neu zu investieren.
Dass es die passende Ausrüstung für eine Vielzahl von Bedingungen und Ansprüchen gibt, zeigt, wie stark sich der Sport in den vergangenen Jahren entwickelt hat. Mike sieht das grosse Interesse täglich in seinem Wassersport-Center. «Die Nachfrage ist definitiv da und inzwischen haben wir mehr Anmeldungen für Wingfoil-Kurse als für Windsurf-Kurse», sagt er. Und das, obwohl auch das Interesse am Windsurfen in den vergangenen Jahren wieder gestiegen sei.
Während wir plaudern, hat der Wind die Bucht erreicht. Jetzt heisst es: Wing aufpumpen, Foil anschrauben und ins Wasser gehen. Hurra! Das bereits Gelernte zahlt sich aus. Ich kann sicher aufstehen und mit dem Flügel übers Wasser rauschen. Und drehen und wenden, wie ich möchte.
Nach jeden weiteren hundert Metern auf dem Wasser gewinne ich Sicherheit – Spass macht es ohnehin. Doch schnell lässt der Wind wieder nach. Schade. Um jetzt ein ganzes Stück auf der Tragfläche zurückzulegen und das Gefühl des Fliegens wie auf dem eFoil noch einmal zu erleben, reicht es leider nicht. Mein Ziel, das Wingfoilen innerhalb weniger Tage zu erlernen, habe ich so nicht ganz erreicht. Mit zwei zusätzlichen Windtagen statt Flaute wäre es mir ziemlich sicher gelungen. Natürlich wäre ich auch dann noch weit entfernt von den Sprüngen und akrobatischen Tricks, die wirkliche Profis zeigen. Aber ein erster Schritt ist getan.
Denn: Die Kostprobe des Foilens hat meinen Appetit geweckt. Ich habe regelrechten Heisshunger auf weitere Spiele mit Tragfläche, Flügel und Wind auf dem Wasser. Inzwischen bin ich wieder zuhause in der Schweiz. Ein Wing wartet bereits im Wohnungsflur auf gute Windbedingungen, ein Board mit Foil ist bestellt.
Grundsätzlich ist es sicher möglich, das Wingfoilen in ein paar Tagen so weit zu lernen, dass du sicher fahren und aufs Foil kommen kannst. Wenn du das Wingfoilen selbst ausprobieren möchtest oder bereits sicher übers Wasser schwebst, ist dieses Equipment in unserem Sortiment vielleicht interessant für dich:
Nach dem Kurs kann ich noch besser als bisher nachvollziehen, was den Reiz dieser Trendsportart ausmacht. Sie fordert Balance, Aufmerksamkeit für Wind und Wellen und eine gewisse Grundsportlichkeit. Dafür bietet sie ein Gefühl des Fliegens und der Schwerelosigkeit auf dem Wasser, wie ich es so bisher noch nicht erlebt habe. Das ist der Beginn einer Reise mit einer neuen Wassersportart, die sicher noch einige spannende Kapitel bereithält. Stay tuned.
In Siris Freiluftlabor teste ich neue Trends, geniale Hacks und Outdoor- sowie Sportausrüstung unter realen Bedingungen. Folge mir für weitere Mikroabenteuer unter freiem Himmel und Tipps, wie diese am besten gelingen.
Forschungstaucherin, Outdoor-Guide und SUP-Instruktorin – Seen, Flüsse und Meere sind meine Spielplätze. Gern wechsel ich auch mal die Perspektive und schaue mir beim Trailrunning und Drohnenfliegen die Welt von oben an.