Warum man sich öfter zum Affen, äh Hasen machen sollte
Auf meinem Weg zum Erwachsensein habe ich riskiert, das Kind in mir zu verlieren. Zum Glück habe ich es doch noch rechtzeitig zurückgeholt.
Bugs Bunny, Roger Rabbit, Klopfer aus «Bambi» oder Frank in «Donnie Darko»: Der Hase ist in der Popkultur längst angekommen und fest verankert. Tief im Schatten all dieser Berühmtheiten friste ich ein eher anonymes Dasein. Einmal im Jahr mutiere auch ich zum Hasen und verstecke im Auftrag des Osterhasen Schokolade und Geschenke im Garten. Schon bald ist es wieder soweit. Und weisst du was? Ich freue mich darauf!
In einer früheren Phase meines Lebens wäre das anders gewesen. Da nahm ich mich furchtbar wichtig und hätte mich schlichtweg geweigert, in ein Hasenkostüm zu schlüpfen. So was Kindisches? Nicht mit mir!
Erwachsen, was soll das sein?
Der Adoleszenz frisch entwachsen, suchte ich meinen Platz in der Welt der Erwachsenen und schob dafür das buchstäbliche Kind im Manne beiseite. Wohl weil ich dachte, dass das so sein muss. Trotzdem fühlte ich mich noch lange nicht als Erwachsener. Sowieso: Was heisst das überhaupt, erwachsen zu sein?
Von Gesetzes wegen ist das ganz einfach zu beantworten. In der Schweiz ist ein Mensch ab seinem 18. Geburtstag volljährig und gilt somit als erwachsen. Damit einher gehen reihenweise Rechte (Abstimmen und Wählen) und Pflichten (Steuern zahlen). Yay! Ich persönlich hatte mit 18 eine erste Lehre in den Sand gesetzt und keinerlei Aussicht auf etwas Neues. Sehr erwachsen, nicht wahr?
Nein, erwachsen zu sein bedeutet mehr, als 18 Kerzen auf dem Geburtstagskuchen auszublasen. Ich denke, da wirst du mir zustimmen. Psychologie und Forschung tun es jedenfalls. So sagte der Neurowissenschaftler und Psychologieprofessor Peter Jones 2019: «Es gibt nicht Kindheit und dann Erwachsensein.» Erwachsen werde man nicht in einem Schritt, sondern über einen Weg. Und dieser sei nach 18 Lebensjahren bei den allerwenigsten abgeschlossen. Neurologischen Untersuchungen zufolge steckt unser Gehirn mit 18 noch mitten in entscheidenden Entwicklungsprozessen. Diese sind frühestens ab 25 abgeschlossen, bei vielen auch erst in ihren Dreissigern.
Das Kind im Manne
Ich glaube, das kommt der Wahrheit sehr nahe. Ich musste auf jeden Fall mindestens 30 Jahre werden, um mich erwachsen zu fühlen. Der Weg dorthin war gepflastert mit Misstritten, Erfolgen und bitteren Rückschlägen. Ich bin hingefallen und wieder aufgestanden, wieder und wieder. Kurz: Ich habe Erfahrungen gesammelt. Ich bin gereift. Und ich habe mein inneres Kind zurückgeholt, von dem ich dachte, ich müsse es unterdrücken. So fällt es gleich viel leichter, erwachsen zu sein. Oder wie es die sehr alte und sehr weise Schildkröte Nessaja aus «Tabaluga oder die Reise zur Vernunft» formuliert: «Irgendwo tief in mir bin ich ein Kind geblieben. Erst dann, wenn ich’s nicht mehr spüren kann, weiss ich, es ist für mich zu spät.» Fürwahr, wie weise.
Wie wichtig es ist, das Kind in sich zu bewahren, sehe ich heute. Ich bin Familienvater und stehe mitten im Leben. Ich mache Erwachsenen-Dinge, wie die Rechnungen zu zahlen oder den Kehrichtsack rechtzeitig (nicht zu spät, aber auch nicht zu früh) an die Strasse zu stellen. Ich handle verantwortungsvoll für meine Familie, mich, mein Umfeld und die Umwelt. Und ich schlüpfe ins Hasenkostüm oder komme als Kürbis und Pippi-/Elsa-Verschnitt daher. Warum, fragst du mich? Weil es unsere fünfjährige Tochter glücklich macht und sie ihren Papi unter anderem deshalb liebt, weil er zwischendurch ein Kindskopf ist. Denke ich zumindest.
Gleichzeitig mache ich es für mich selbst. Um das Kind in mir nie mehr loszulassen. Das Erwachsenenleben ist schwer genug, da tut etwas kindliche Leichtigkeit und Unbeschwertheit gut. Ich kann auch ernst genommen werden, ohne dass ich mich selbst so wahnsinnig wichtig nehmen muss. Ausserdem bin ich an einem Punkt angelangt, wo es mir gar nicht mal so wichtig ist, was andere über mich denken. Hauptsache, mir und meinen Liebsten geht’s gut! Und jetzt entschuldige bitte, ich muss mein Hasenkostüm suchen gehen.
Wie trägst du deinem inneren Kind Sorge? In welches Kostüm schmeisst du dich am liebsten? Die Community und ich freuen uns über deinen Kommentar.
Ich bin Vollblut-Papi und -Ehemann, Teilzeit-Nerd und -Hühnerbauer, Katzenbändiger und Tierliebhaber. Ich wüsste gerne alles und weiss doch nichts. Können tue ich noch viel weniger, dafür lerne ich täglich etwas Neues dazu. Was mir liegt, ist der Umgang mit Worten, gesprochen und geschrieben. Und das darf ich hier unter Beweis stellen.