Wenig Technik, viel Feuer und Flamme - wie wir einen Burger filmisch inszeniert haben
Die Challenge steht: Wir produzieren mit bescheidenen Mitteln - der Wohnung als Studio und dem Fernseher als Hintergrund - einen kurzen Spot. Von zehntausenden Franken Budgets können wir nur träumen. Etwas Kreativität, Feuer und einige Stunden Postproduktion müssen reichen.
Wir haben Bock, etwas Neues auszuprobieren. Wir wollen in einem kurzen Spots einen Burger inszenieren. Quasi ohne Budget und mit sehr bescheidenem Studio. Dynamisch soll’s werden. Saftiges Patty auf dem Grill, frische Zutaten, und alles soll sich wie von alleine zu einem schönen Burger zusammensetzen. Wir stellen uns der Herausforderung!
Im Corona-Slowdown finden mein Mitbewohner Luca und ich Zeit, das Vorhaben umzusetzen. Ein Projekt, um uns zu zeigen, dass sowas geht. Wir arbeiten mit einen Burger der V-Love Linie der Migros. Ein paar frische Zutaten dazu und schon ist der Burger in Szene gesetzt. Denkste! Drum herum ist ganz schön viel Arbeit angesagt. Einerseits müssen wir das Set rund 10 Mal neu einrichten (nicht jede Szene hat es in den fertigen Spot geschafft). Andererseits braten wir den Burger insgesamt drei Mal neu und setzen ihn wieder zusammen. Dann ist erst gefilmt und noch nichts geschnitten und bearbeitet.
Die Zeit vergeht wie im Flug
Wir treffen uns morgens um 08.00 Uhr. Einen groben Drehplan aufstellen, Einkaufen und Einrichten machen wir als Erstes. Wir möchten im Spot die Zutaten, die Entstehung, den Grillprozess und den fertigen Burger zeigen. Das alles wird auf ein paar wenige Sekunden zusammengeschnitten. Bis wir die erste Aufnahme im Kasten haben, vergehen drei Stunden. Gefühlt haben wir noch nichts gemacht und zehn weitere Stunden ziehen ins Land, bis die letzte Aufnahme im Kasten ist. Viel Aufwand für ein paar Sekunden Film.
Der eigentliche Star auf dem Set ist neben dem Burger die Linse von Venus Optics. Die ungewöhnliche Stange ist eine Makro-Weitwinkel-Linse. Damit sehen kleine Objekte aus als wären sie überlebensgross.
Die längliche Bauform bedeutet wenig Licht auf dem Sensor, die Blende kann deshalb bis maximal f/14 geöffnet werden. Es braucht also viel zusätzliches Licht. Wir machen das mit der LED-Videoleuchte Aputure C120D II und einigen günstigen China-Lichtern aus früheren, privaten Anschaffungen. Zusätzlich benutzen wir die mobilen und akkubetriebenen RGB-Nanlights. Diese kleinen, mobilen RGB-Lichter zeigen ihre Stärken vor allem beim Grillieren. Dank verschiedener Modi, in denen das Licht zum Beispiel Feuer simuliert, können wir im Wohnzimmer «grillieren». Etwas echtes Feuer aus einer Gaskartusche dazu und schon ist die Illusion perfekt.
Wir entschieden uns für einen TV-Screen als Hintergrund. Der Vorteil ist, dass wir so alle erdenklichen Farben als Hintergrund darstellen können. Der Nachteil: Mit 46 Zoll ist der Fernseher zu klein und die Lichter spiegeln auf der glänzenden Oberfläche stark. Das schränkt unsere Bewegungsfreiheit ein. Wenn wir die Lichter etwas umstellen, müssen wir penibel darauf achten, dass sie nicht vom TV reflektieren. Viel Spielraum haben wir nicht, weil sonst die weisse Wand statt des Hintergrunds sichtbar ist. Manche würden sagen: «we’ll fix it in post»! Mal sehen.
Fix it in Post?
Abends um 20.00 Uhr sind die letzten Aufnahmen gemacht. Die SSD-Festplatte der Kamera ist mit 177 GB an Daten gefüllt. Haben wir wirklich alle nötigen Aufnahmen im Kasten? Der Schnitt wird es zeigen.
In Adobe After Effects maskiere ich störende Stellen raus, ersetze Hintergründe und entferne die Holzstäbe, die den Burger zusammenhalten. Ein langwieriger und aufwändiger Prozess. Im Video oben siehst du, wie genau wir das gedreht haben.
Da für mich nur die Bildmitte interessant ist, maskiere ich den störenden Stevi und den Fernseher aus. Im Hintergrund platziere ich die grüne Fläche. Übrig bleibt der Burger vor dem blauen Fernsehbild. Mit dem Effekt «Keylight (1.2)» entferne ich den blauen Hintergrund. Dank gleichmässigem Hintergrund geht das mit wenigen Klicks.
Mit dem «CC Wire Removal Tool» entferne ich den Holzstab und erzeuge damit die Illusion, dass der Burger und seine Zutaten schweben. Damit der Effekt funktioniert, passe ich die Position des CC Wire Removal Tools Bild für Bild neu an. Eine Sisyphusarbeit. Zurück in Adobe Premiere Pro lasse ich den Clip etwas schneller laufen, sodass der Burger im Bruchteil einer Sekunde in sich zusammenfällt und es aussieht, als ob alle Teile in der Luft schweben. That's the magic behind it!
Bei einigen anderen Aufnahmen habe ich mit dem kleinen Fernseher zu kämpfen. Beim Wenden des Burgers bewegen wir die Kamera zusammen mit dem Burger. Schnell erscheint die weisse Wand im Hintergrund. Mit einer Fläche und der Farbe der nächsten Einstellung überdecke ich die weisse Wand. Wieder muss ich Bild für Bild die Grösse und die Position der grünen Fläche anpassen. Da auch hier der Clip in höherem Tempo läuft, ist dieser Bschiss auf den ersten Blick nicht sichtbar.
Eine gelungene Sache
Mit den vorhandenen Mitteln haben wir etwas Ansehnliches hinbekommen. Mit mehr Budget, Zeit und einem angemessenen Studio oder dem momentan grössten TV im Sortiment von Digitec geht das alles natürlich noch besser. In der Postproduktion können wir viele Details so retten, dass sie nicht mehr auffallen. Zum Beispiel, dass wir einen TV-Screen als Hintergrund benutzt haben. Wo siehst du noch Potenzial? Und wäre der Spot sogar was für die Migros?
Update
Viele von euch haben sich fragen über unser Budget gestellt. Mit der ganzen verwendeten Technik, der Arbeitszeit etc. kommen wir hier schnell auf hohe Beträge. Um einen richtigen Werbespot zu produzieren, der danach auch im Kino, im TV etc. ausgestrahlt werden kann, braucht es etwas mehr als nur eine Kamera, eine tolle Linse und zwei kreative Köpfe. Wie es auf einem richtigen Food Set zu und her geht, zeigt folgendes Video beispielhaft:
Als Multimedia-Produzent ist es für mich eine Selbstverständlichkeit, Inhalte auf vielfältige Art und Weise aufzubereiten. In meiner Freizeit zieht es mich in die Berge, sei es zum Skifahren, Mountainbiken oder Wandern. Und natürlich habe ich meine Kamera immer griffbereit, genauso wie meine FPV-Drohne.