Onesto Kaffeebohnen
500 g, Dunkle Röstung
Decaf. Ein Produkt, das vornehmlich spätabends getrunken wird, damit die Schlafqualität nicht leidet. Damit die Bohnen das Koffein verlieren, das sie von Natur aus haben, müssen sie bearbeitet werden – was den Geschmack massiv beeinträchtigen kann.
«Will jemand noch einen Espresso?» Es ist 22 Uhr, gerade eben habe ich die letzten Teller vom Tisch geräumt. Drei Freundinnen bejahen, zwei verneinen. «Sonst kann ich später nicht einschlafen», begründet eine. Das habe ich noch nie verstanden, weil ich einfach unglaublich gut schlafe. Ein grosses Privileg, ich weiss. Decaf habe ich zwar nicht im Haus, dafür steht nun eine grosse Frage im Raum:
Wie eigentlich werden die Kaffeebohnen koffeinfrei?
Auf Nachfrage bei Experten wird schnell klar, dass es verschiedene Verfahren gibt. Allen gemeinsam aber sind laut Kaffeemacher:innen drei Schritte: Das Anfeuchten der Bohnen, das Entkoffeinieren durch ein Lösungsmittel und das Trocknen. Das alles geschieht, bevor die Bohnen geröstet werden.
Zum allerersten Mal entkoffeiniert wurde Kaffee im Jahr 1903 vom Bremer Kaffeehändler, Gründer von «Kaffee HAG» und dem flammenden Nationalsozialisten Ludwig Roselius. Er glaubte, dass der Tod seines Vaters auf dessen hohen Kaffeekonsum, genauer gesagt eine Koffeinvergiftung, zurückzuführen sei. Deshalb wollte er das Koffein aus der Bohne holen. Dazu liess er die grünen Kaffeebohnen mit Salzwasser vorquellen und löste danach das Koffein mit Benzol aus den Früchten. Der Nachteil? Benzol ist giftig und krebserregend. Deshalb wird es heute nicht mehr verwendet.
Die Grundidee ist aber bis heute dieselbe geblieben. Im sogenannten direkten Verfahren werden grüne Bohnen heissem Wasserdampf ausgesetzt. Danach werden sie etwa zehn Stunden in Dichlormethan, einer organisch-chemischen Verbindung, eingelegt. Alternativ kann auch Ethylacetat, das unter anderem auch in natürlichen Produkten wie Zuckerrohr oder Bananen vorkommt, als Lösungsmittel verwendet werden.
Beim indirekten Verfahren werden die genau gleichen Lösungsmittel verwendet, jedoch wird statt der Bohne das Wasser weiterverarbeitet. Das geht so: Grüne Bohnen werden in heissem Wasser eingelegt, um alle wasserlöslichen Komponenten herauszulösen. Dieser Brühe wird mithilfe von Dichlormethan oder Ethylacetat das Koffein extrahiert. Neue Bohnen werden in dieser koffeinfreien Lösung erhitzt, wodurch sich ein Löslichkeitsgleichgewicht einstellt – anders gesagt: Es gehen gleich viele Teilchen eines Feststoffes in die Lösung über, wie sich Teilchen von der Lösung als Feststoff am Boden ablagern. Dadurch wird mehr oder weniger nur noch das Koffein aus den Bohnen gelöst.
Diese chemischen Verfahren sind zwar vergleichsweise günstig, nehmen der Bohne aber auch viel Geschmack. Viele grosse, kommerzielle Kaffeevertreiber greifen auf eine dieser Methoden zurück. Was erklärt, warum die meisten entkoffeinierten Kaffees nicht ganz so gut schmecken. Es gibt aber teurere und langwierigere Verfahren, die den Geschmack der Bohne kaum beeinträchtigen sollten.
Die Kaffeerösterei Onesto zum Beispiel setzte lange auf die Swiss-Water-Methode. «Da wir nur Bio Fairtrade Kaffee anbieten, können wir chemische Verfahren eh nicht anwenden. Wollen wir aber auch nicht», sagt Geschäftsführer Fox Hardegger. Der Schweizer-Wasser-Prozess funktioniert eigentlich nach demselben Schema wie die indirekten chemischen Verfahren, nur werden keine Lösungsmittel verwendet. Das Wasser, das Koffein und andere Kaffee Bestandteile enthält, wird nicht chemisch entkoffeiniert, sondern mithilfe eines Aktivkohlefilters. Ein Nachteil des Verfahrens sind die relativ hohen Kosten, da das mit der Aktivkohle gebundene Koffein nicht zurückgewonnen und separat – zum Beispiel an die Kosmetikindustrie – weiterverkauft werden kann.
Unterdessen hat Onesto aber umgestellt und zwar auf auf die gleiche Methode, mit der auch Vicafés die Hausmischung koffeinfrei wird, nämlich mit subkritischem CO2. Kohlenstoffdioxid existiert nicht nur in den drei bekannten Aggregatzuständen (fest, flüssig, gasförmig), sondern auch in einem vierten. Unter hohem Druck und bei hoher Temperatur ist CO2 flüssig, hat aber die chemischen Eigenschaften von Gas. Mit diesem superkritischen CO2 arbeiten einige Entkoffeinierungsanlagen weltweit.
Eine Anlage in Bremen hat dieses Verfahren aber noch weiterentwickelt und arbeitet mit dem sogenannten subkritischen CO2. Dabei wird der vierte Aggregatzustand bei bedeutend tieferem Druck und tieferer Temperatur erreicht. «Der Kaffee wird bei 23 Grad Celsius und 70 bis 80 Bar mit dem subkritischen CO2 gewaschen, bis der Koffeingehalt unter 0,08 Prozent fällt», sagt Ramon Schalch, Geschäftsführer bei Vicafé.
So soll die Struktur der Bohne kaum verändert werden und ihr Geschmack erhalten bleiben. Und die Methode genügt auch den Schweizer Bio-Richtlinien. Dafür dauert sie auch sehr viel länger als alle anderen. Bis zu sieben Tage dauert der Prozess. Zur Erinnerung: Beim chemischen Verfahren ist die Sache nach zehn Stunden erledigt.
Es gibt also ganz verschiedene Methoden, die mehr oder weniger Einfluss auf den Geschmack der Kaffeebohne haben. Noch mehr wird der Geschmack von Decaf aber von der verwendeten Kaffeesorte selbst definiert. «Der Decaf wird leider noch viel zu oft stiefmütterlich behandelt und oft werden schlechte Qualitäten zu Decaf verarbeitet», sagt Schalch. Heisst: Ist das Ausgangsprodukt schon von minderer Qualität – wie das wohl bei vielen Anbietern von Massenkaffee der Fall ist – kann der Kaffee sowieso keine Spitzenqualität haben. Werden diese dann noch chemisch entkoffeiniert, was den Geschmack weiter beeinträchtigt, läuft tatsächlich eine Plörre in die Tasse.
Was doch eigentlich völlig unsinnig ist. Denn sind nicht Menschen, die koffeinfreien Kaffee trinken, die wahren Enthusiasten? Sie wollen Kaffee trinken, weil er ihnen so gut schmeckt, nicht weil er sie auch noch wach macht. Sie mit Produkten abzuspeisen, die schlechter schmecken als die koffeinhaltigen, ist daher doch schon fast fies. Aber das ist nur meine Meinung.
Titelfoto: Simon BalissatMeinen Horizont erweitern: So einfach lässt sich mein Leben zusammenfassen. Ich liebe es, neue Menschen, Gedanken und Lebenswelten kennenzulernen,. Journalistische Abenteuer lauern überall; ob beim Reisen, Lesen, Kochen, Filme schauen oder Heimwerken.