Wie und wo du als Frau sexuelle Inspiration findest
Sexheftli, Pornos oder doch lieber ein erotisches Hörspiel? Wenn die Lust Starthilfe benötigt, stehen uns Frauen weniger Optionen zur Auswahl als den Männern. Im Gespräch mit der Expertin erfahre ich, weshalb das so ist und wie wir trotzdem auf unsere Kosten kommen.
Die Mädels aus den «Sexy Sport Clips» des TV-Spätprogramms wollen meinen «Schwanz». Aber ich habe keinen. Das ist wohl auch der Grund, weshalb mir Pornos mit männlicher POV-Kameraeinstellung gestohlen bleiben können. Und Erwachsenenmagazine am Kiosk? Die sind gaaanz weit oben neben den neuesten Ausgaben von GQ und Men's Health ausgestellt. Der Mann ist in der Erotik-Branche die Norm. Es sei ihm gegönnt. Doch was ist mit uns Frauen? Während Männer sich am Silbertablett bedienen können, müssen wir regelrecht auf die Suche nach Sex-Content gehen, der unsere Bedürfnisse berücksichtigt. Oder meine ich das bloss? Ich habe mit Sexologin und Psychotherapeutin Dania Schiftan darüber gesprochen, was ein Format überhaupt mit sich bringen muss, um uns Frauen abzuholen und wo wir diese Inspiration für unsere Sexualität finden.
Als Frau habe ich den Eindruck, dass der Grossteil an Sex-Content primär für ein männliches Zielpublikum produziert wird. Ein Trugschluss?
Dania Schiftan: Nein, das ist tatsächlich so. Männer sind im Gegensatz zu uns Frauen eher bereit, für Sex-Inhalte Geld auszugeben. Dadurch gibt es weniger Menschen, die sich dem weiblichen Absatzmarkt widmen, da dieser nicht so lukrativ ist. Hinzu kommt, dass Frauen auf andere Dinge anspringen. Natürlich können wir uns ebenso an den Inhalten für Männer erfreuen. Tendenziell lassen sich Frauen jedoch weniger mit nackten Bildern verführen, sondern mit Geschichten und Emotionen. Das macht die Produktion von Inhalten für Frauen kostspieliger.
Dabei wären vermutlich gerade Frauen, die häufiger mal mit sexueller Unlust kämpfen, froh um die Hilfestellung in Sachen Erregung ...
Wenn die Lust an der Sexualität abnimmt, kann das verschiedene Ursachen haben. Ein zentraler Grund, weshalb Frauen im Gegensatz zu Männern eher zur Unlust tendieren, ist die Orgasmuskluft zwischen ihnen. Frauen erleben in Sachen Höhepunkt ein Defizit. Das heisst, dass sie weniger häufig zum Orgasmus gelangen als ihre Sexualpartner. Einige denken sich dann: «Wenn ich keinen Orgasmus erlebe, was soll das Ganze dann?» Das ist eine Art der Sexualität, auf die sie sich nicht einlassen wollen. Dadurch fällt es vielen Frauen schwer, aus dem Stand heraus Erregung zu empfinden. Und auf die Erregung zu warten oder sie langsam zu entwickeln, dazu fehlen oft die Nerven und Geduld. Pornografische Inhalte in Form von Videos, Literatur, Hörspielen etc. können die Fantasie anregen und sich dadurch beschleunigend und unterstützend auf die Lusterzeugung auswirken.
Sie fungieren also in gewisser Weise als Katalysator. Welche Mechanismen sind hier am Werk?
Externe Reizquellen, egal welcher Art, haben eines gemeinsam: Sie sorgen dafür, dass wir abschalten können und bündeln unsere Aufmerksamkeit. Dadurch entfachen sie unsere Erregung wie ein Zünder. Erreicht der Körper dabei ein gewisses Level der Erregung, sind wir eher bereit, uns auf Sex einzulassen.
Das heisst, dass gewisse Frauen auf diese Weise ein Erregungsniveau erreichen, das sie ohne externen Reiz kaum oder nur schwer erreicht hätten?
Richtig. Bei mässigem Konsum können Pornos und Co. unsere Schwelle zur Lustempfindung senken.
Welche Optionen stehen uns Frauen denn nun konkret zur Verfügung, um unsere Fantasie anzuregen?
Das Angebot für Frauen ist zwar deutlich kleiner, dennoch gibt es unterschiedliche sexuelle Inspirationsquellen, die Frauen dabei helfen können, ihre Lust neu oder wiederzuentdecken. Bevor ich aber auf konkrete Angebote und Möglichkeiten eingehe, sollten wir über die Grundlage sprechen, die eine Erregung überhaupt erst ermöglicht.
Die wäre?
Unsere fünf Sinne. Also Sehen, Hören, Tasten, Schmecken und Riechen. Durch sie werden sexuelle Reize wahrnehmbar. Je mehr wir unsere Sinne entwickeln, trainieren und aktivieren, desto intensiver nehmen wir die externen Stimuli wahr und desto besser können sie uns im Kontext der Lustentwicklung unter die Arme greifen. Rezipieren wir Inhalte, die unsere Sinne reizen, können wir unsere Erregung positiv beeinflussen.
Bei visuellen Reizen denke ich als Erstes an Pornos. Was unterscheidet den Mainstreamporno, der sich eher am Mann orientiert, von Inhalten, die speziell für eine weibliche Zielgruppe produziert wurden?
Männer reagieren vermehrt auf visuelle Reize, also auf die Aktivitäten im Film sowie die unterschiedlichen Kameraeinstellungen und -ausschnitte. Darauf ist der Mainstreamporno, den übrigens auch immer mehr Frauen rezipieren, ausgelegt. Pornos für Frauen hingegen legen Wert auf eine Geschichte, das Rundherum oder in vielen Fällen auch auf die Echtheit der Emotionen, die wir im Film sehen. Und weil wir Frauen auf Emotionen ansprechen, werden wir so besser abgeholt.
Und wo finde ich solche Erotikstreifen? Wohl kaum auf Youporn, oder?
Ich würde Interessierten raten, sich offline in Erotikshops beraten zu lassen. In Zürich kann ich zum Beispiel das «Sensuelle» empfehlen. Die Filme in diesen Shops sind zwar kostspielig, es in meinen Augen aber auch absolut wert, da sie hochwertig produziert wurden.
Das kostet aber nicht nur Geld, sondern auch Überwindung.
Vor einer Beratung braucht frau sich nicht zu schämen. Im Gegenteil. Sie hilft dabei, herauszufinden, worum es in den Filmen geht. Auf diese Weise umgehst du das Dilemma, das insbesondere die Mainstreampornos oft mit sich bringen: Nämlich die Jagd nach dem Kick. Also das ständige Skippen und Vorspulen am PC, um die Highlights im Film aufzuspüren. Da springt man hastig von Stellung zu Stellung. Einen sorgsam ausgesuchten Film kannst du dir in Ruhe ganz bewusst anschauen und so in die Geschichte eintauchen. Ausserdem geht es in diesen Filmen mal langsam zur Sache, mal schneller. Eine Balance, die dem Körper und seinen Empfindungen guttut. Eine Alternative: Talaya Schmid, Kunstdozentin und Mitgründerin der Porny Days, hat eine Liste feministischer Pornofilme mit künstlerischem Touch zusammengestellt.
Die Plattform OMGyes befasst sich mit der Wissenschaft der weiblichen Lust. Sie stellt kurze Clips und Tutorials zur Verfügung, in denen gewöhnliche Frauen sich unzensiert selbst Lust verschaffen, indem sie vor der Kamera masturbieren und später in einem Interview über ihre Techniken sprechen.
OMGyes dient den Menschen nicht als Erregungsquelle, sondern versteht sich explizit als Lern- und Übungsplattform für Frauen. Das Tool ist einzigartig, weil es Frauen technisch höchst aufwendig gestaltete Inhalte anbietet, anhand derer Frauen endlich mal sehen: Wie machen das eigentlich andere Frauen?
Klingt revolutionär.
Das ist es in gewisser Hinsicht. Die Frauen, die dort mitwirken, zeigen auf einfache, spielerische Art, wie sie sich selbst lustvolle Momente verschaffen und zum Höhepunkt gelangen. Diese Art des Lernens unterscheidet sich stark vom lehrbuchmässigen, das wir sonst kennen und das die wirklich zentralen Aspekte meist auslässt. Die Idee hinter diesem Angebot ist die Vorbildfunktion. Oftmals reden wir zwar über die Sexualität, eine konkrete Handlungsanweisung oder Empfehlung, was beispielsweise die Selbstbefriedigungs-Techniken anbelangt, bekommen wir aber so gut wie nie. OMGyes schliesst diese Lücke.
Apropos Lücke: Am Kiosk sah ich letztens gut ein Dutzend Erotikmagazine, bei denen ich das Gefühl hatte, dass sie primär dem männlichen Leser Freude bereiten sollen. Gibt es auch Sexheftli speziell für Frauen?
Hochwertige erotische Magazine mit genügend Storyline zu produzieren, ist wahnsinnig teuer. Es gab Versuche wie das «Feigenblatt» und auch «Alley Cat», die die weibliche Lust in den Fokus rücken wollten. Die Magazine wurden jedoch wieder eingestampft, weil sie sich nicht gut verkauft haben. Ich kenne aber Frauen, die sich als Alternative gerne erotische Bildbände zum Beispiel mit Aktfotografien kaufen und anschauen.
**Du hast zu Beginn gesagt, wir Frauen stehen auf Geschichten. Da sind Erotikromane wohl eine gute Alternative zu den wenigen Pornos und nicht existenten Sexheftli. Was können so ein paar Buchstaben mit unserer Libido anstellen? **
In der Vergangenheit gab es immer wieder Schriften und Bücher, die die Gesellschaft schockiert haben, indem sie Tabus brachen. Eins der bekanntesten Beispiele unserer Zeit ist die BDSM-Trilogie «Fifty Shades of Grey». Sie bekam sehr viel Aufmerksamkeit und machte den BDSM salonfähig. Oder zumindest die Diskussion darüber. Das gab «Normalbürgerinnen» gesellschaftlich betrachtet die Erlaubnis, sich mit solchen Inhalten auseinanderzusetzen. Und der Anklang zeigt, dass Bücher unsere sexuelle Neugier wecken. Sie geben uns die Möglichkeit, in eine andere Welt einzutauchen und gewisse Vorlieben zunächst mal in der Fantasie auszuprobieren. Und sie bedienen unseren Hang zu Geschichten und Emotionen.
Mal angenommen, ich lese «Fifty Shades Of Grey», um in Stimmung zu kommen: Muss ich dabei auf etwas Spezifisches achten?
Bei «Fifty Shades Of Grey» habe ich mich die ersten 20 Seiten nur darüber aufgeregt, wie schlecht das Buch sprachlich übersetzt wurde. Nachdem ich mir erlaubt habe, voll in die Geschichte einzutauchen und darüber hinwegzusehen, wurde mir das völlig egal. Die Emotionen und Handlungen können einen trotzdem berühren, man muss es zu einem gewissen Grad aber auch zulassen.
Also dranbleiben, auch wenn ich mir zunächst dabei lächerlich vorkomme?
Unbedingt! Manchmal kommt das Interesse erst bei einem späteren Anlauf. Deshalb lieber mal 50 Seiten lesen, statt nach 20 aufzuhören. Oft betrachten wir Erotikromane rein inhaltlich als schlecht. Bei «Fifty Shades Of Grey» beispielsweise würden die wenigsten sich wünschen, die Story im echten Leben genauso zu erleben. Dennoch hat sie eine lustvolle Komponente, ist man erst mal in der Geschichte drin. Wenn man es schafft, seinen eigenen Kopf auszuschalten und wegzukommen vom Be- und Verurteilen, dann kann man solche Bücher geniessen und gewisse Aspekte für die eigene Sexualität mitnehmen.
Wer nicht lesen mag, kann auch hören. Erotische Audio Storys gibt es zum Beispiel auf Femtasy, einer Streaming-Plattform, deren Motto «Hör dich zum Höhepunkt» lautet. Wie schätzt du solche Angebote ein?
Sie sind in erster Linie als Variante zu verstehen und wollen nicht die Pornos ersetzen. Auf Femtasy findest du ein breites Spektrum an Sexgeräuschen, geführte Masturbationen und erotischen Geschichten, die dich bei der Selbstbefriedigung oder beim Sex begleiten. Was ich besonders toll finde: Du kannst aus einer Mehrzahl an weiblichen als auch männlichen Erzählerstimmen diejenige auswählen, von der du dich als Hörerin am meisten angezogen fühlst. Denn welche Stimme wir als angenehm empfinden, ist von Mensch zu Mensch individuell. Was beim Hören solcher Inhalte auch schön ist: Du kannst dir deine Bilder im Kopf selber machen und deine Fantasie nutzen.
**Wie steht's um Musik, können wir uns musikalisch in Stimmung hören? **
Es gibt erotische Songs. Ein Klassiker ist «Moi Je T’Aime, Mois Non Plus». Wenn du auf Spotify suchst, findest zahlreiche Playlists, die dich in Stimmung bringen sollen. Musik kann dir dabei helfen, dich in eine Art Kokon zu begeben. So, dass du dich selbst nicht mehr hörst. Sexgeräusche lösen bei vielen Scham aus. Oder die Sorge, dass die Nachbarn etwas hören könnten. Durch Musik schottest du dich ab. Und aus der Forschung wissen wir, dass Musik Emotionen provoziert. Deshalb solltest du dich zuerst selbst zu fragen, ob du es gerade lieber kuschelig, emotional oder wild magst und die Musik passend dazu wählen.
Eine letzte Frage: Wie finde ich heraus, welches der erotischen Formate, über die wir gesprochen haben, für mich und mein Kopfkino am besten funktioniert?
Versuche, mit einer offenen Haltung verschiedene Formate auszuprobieren und das Rationale in dir auszuschalten. Hör auf deinen Körper und befrage deine Vulva und Vagina: Findest du das jetzt schön? Dabei reicht einmal schauen oder hören meist nicht aus. Hab Geduld und tauche mehrmals ein, denn im Alltag sind wir einem gewissen Stresslevel ausgesetzt. Dadurch reagieren wir eher ablehnend, wenn uns etwas auf Anhieb nicht packt, weil wir ohnehin nicht viel Zeit haben.
Dania Schiftan arbeitet seit 14 Jahren als Sexologin und Psychotherapeutin in ihrer eigener Praxis in Zürich. Zudem ist sie auch als Psychologin bei Parship tätig. Mehr über sie und ihren Job erfährst du im Interview mit ihr:
Alle weiteren Beiträge aus der Serie findest du hier:
Als Disney-Fan trage ich nonstop die rosarote Brille, verehre Serien aus den 90ern und zähle Meerjungfrauen zu meiner Religion. Wenn ich mal nicht gerade im Glitzerregen tanze, findet man mich auf Pyjama-Partys oder an meinem Schminktisch. PS: Mit Speck fängt man nicht nur Mäuse, sondern auch mich.