Kritik

«Wonka»: der perfekte Weihnachtsfilm

Luca Fontana
6.12.2023

Es ist eine bezaubernde Welt, in der Timothée Chalamet als junger Willy Wonka glänzt. Das erstaunt nicht: Regisseur Paul King überzeugte schon mit seinen beiden «Paddington»-Filmen für wohlige Stunden im Kino.

Eines vorweg: In diesem Review gibt’s keine Spoiler. Du liest nur Infos, die aus den bereits veröffentlichten Trailern bekannt sind.


Nicht jede Vorgeschichte ist es wert, erzählt zu werden. Schon gar nicht, wenn sie ihren Ursprung in Hollywoods Ideenlosigkeit hat. Dann nämlich, wenn bloss auf das zurückgegriffen wird, was die Menschen sowieso bereits kennen. Das lässt sich einfacher vermarkten. Und dann bauen die Studiobosse auch noch gleich ein ganzes filmisches Universum drumherum. Die cinematische Kuh muss ja gut gemolken werden. Das zieht.

Meistens.

Mir war vor der Pressevorführung bereits klar, dass «Wonka» in dieselbe Kerbe schlagen würde. Zu generisch wirkte der erste Trailer. Zu unoriginell. Doch siehe da: Ich tat dem Film unrecht. Nicht, dass ich ausschliesse, dass jetzt ein ganzes filmisches Universum folgt. Aber diese Vorgeschichte des 1971er-Klassikers «Willy Wonka & the Chocolate Factory» ist es nicht nur wert, erzählt, sondern auch gesehen zu werden.

Darum geht’s in «Wonka»

Trotz seiner Jugend hegt Willy Wonka (Timothée Chalamet) ehrgeizige Träume. Denn er will nichts Geringeres, als der grösste Magier, Erfinder und Chocolatier der Welt werden. So bereiste er sieben Jahre lang die Welt, um seine Fähigkeiten zu perfektionieren, auch wenn er sich nicht nur Freunde machte… Do-ba-dee-doo.

Als sich Wonka schliesslich anschickt, in einer für ihre Schokolade weltberühmten Stadt sein erstes Geschäft zu eröffnen, sieht er sich den erbitterten Widerständen des fiesen und trickreichen Schokoladen-Kartells gegenüber. Das sorgt nämlich seit jeher dafür, dass Schokolade teuer bleibt, während Wonka die seine zum Spottpreis verhökert. Unbeirrt von den Versuchen des Kartells, seine Kreationen zu kompromittieren, setzt er auf seine Erfindungsgabe – und sogar die eine oder andere Prise Magie –, um die Welt mit seiner Schokolade zu beglücken.

Ein Weihnachtsfilm im besten, kitschigsten Sinne

Eigentlich hätte ich es wissen müssen, dass «Wonka» nicht anders kann, als das Herz wie der erste süsse Schluck heisser Schokolade an einem kalten Winterabend zu erwärmen. Schliesslich führte kein Geringerer als Paul King Regie. Der weiss, wie man skurril-kitschige Familienfilme mit viel Herz, Emotionen und britischem Humor macht. Das bewies er schon mit seinen beiden «Paddington»-Filmen, aus denen sich King, der auch die Drehbücher dazu schrieb, viel ausleiht. Etwa die naiv-positive und liebenswerte Persönlichkeit von Paddington-Bär, die nicht nur seine Adoptivfamilie im Film, sondern auch das Publikum im Kinosaal im Sturm erobert.

Wie schon in «Paddington» passieren in «Wonka» die seltsamsten und wunderlichsten Dinge – und niemand findet’s komisch.
Wie schon in «Paddington» passieren in «Wonka» die seltsamsten und wunderlichsten Dinge – und niemand findet’s komisch.
Quelle: Warner Bros.

Timothée Chalamets Wonka ist dem sprechenden Bären ganz ähnlich. Albern und skurril. Immer auf die gute Absicht fremder Leute zählend – manchmal zu seinem eigenen Verderben. Aber Wonka wäre nicht Wonka, würden ihn ein paar Rückschläge so einfach aus der Bahn werfen. Zu abgebrüht und stur arbeitet der angehende Chocolatier-Meister auf seine Träume hin – wunderbar frech, frisch und mit grossen Augen von Chalamet gespielt. Denn alles Gute auf der Welt, heisst es so schön schnulzig im Film, beginnt mit einem Traum.

Zu viel Kitsch? Dann meide den Gang ins Kino. Kings Film hält sich selten zurück. Schon gar nicht in seinen zahlreich vorhandenen Sing- und Tanzeinlagen. Jep: «Wonka» ist ein Musical durch und durch. Das mag zwar wie eine Kritik klingen, soll aber ein Kompliment sein. «Wonka», in dem jede Szene in herzallerliebste Zuckerwatte verpackt zu sein scheint, ist kein Film, den man sich ausserhalb der Vorweihnachtszeit anschaut. Aber dafür einer, den man sich zur Vorweihnachtszeit anschauen muss.

Kritik? Ungern, aber wenn’s sein muss…

Schön ist auch, dass sich Wonkas Vorgeschichte nicht nur gänzlich um ihn dreht. Vielmehr um die Wirkung, die Wonka mit seiner unverblümt charmanten Persönlichkeit auf die Menschen in seinem Umfeld hat – noch etwas, das Regisseur King aus seinen «Paddington»-Filmen abgeschaut hat.

Da ist etwa die Weise Noodle (Calah Lane), grossherzig aber traurig und vom Leben enttäuscht. Oder Abacus Crunch (Jim Carter), ein Buchmacher, der sich unfreiwillig als Bediensteter der bösen Mrs. Scrubbit (Olivia Colman) wiederfindet, die wiederum mit dem Schokoladen-Kartell unter einer Decke steckt. Und die wiederum spannen, angeführt vom durchtriebenen Slugworth (Paterson Joseph), mit dem Schokoladen-süchtigen Chef der Polizei (Keegan-Michael Key) und dem sehr bestechlichen Pater (Rowan Atkinson) der örtlichen Kirche zusammen. Und dann ist da noch der absolute Szenen-Stehler Hugh Grant als grummeliger Oompa-Loompa, der heimlich Wonkas Schokolade stiehlt. Herrlich.

Hugh Grant als Oompa-Loompa gehört zu den absoluten Highlights in «Wonka».
Hugh Grant als Oompa-Loompa gehört zu den absoluten Highlights in «Wonka».
Quelle: Warner Bros.

Wenn ich «Wonka» trotzdem etwas vorwerfen muss, dann eines: «Discover how Willy became Wonka», heisst es im Trailer oben. Dass sich jemand beim Filmstudio Warner Bros. gerade für unheimlich clever hält, ist nicht das Problem. Viel mehr, dass wir kaum Neues über die Hauptfigur lernen. Und schon gar nicht, wie Willy zu Wonka wurde – Gene Wilders Wonka aus dem Jahr 1971. Dass «Wonka» ein Prequel davon ist, und nicht von Johnny Depps Neuinterpretation aus dem Jahr 2005, macht der Film von der ersten Sekunde an deutlich, wenn die liebliche Melodie aus «Pure Imagination» erklingt, ein Song, den Wilder im 1971er-Original singt.

Chalamet spielt also Wilders jüngere Version. Ein junger Wonka und tatsächlich eine faszinierend charmante Mischung aus Charisma, Exzentrik und Melancholie. Das hat Chalamet drauf. Was ihm aber fehlt, ist Wilders Hang zum, naja, Wahnsinn? Im 1971er-Original könnte Wonka manchmal glatt als Soziopath durchgehen, der kein Problem damit hätte, unartige Kinder in seiner Werkstatt umzubringen (tut er nicht… angeblich). Und Kinderbuchautor Roald Dahl, auf dessen gleichnamiges Werk der 1971er-Film beruht, lässt diese Ambivalenz dank seiner genialen Schreibe irgendwie funktionieren. In «Wonka» hingegen ist Chalamet ein hoffnungsvoll-naiver Gutmensch voller Mitgefühl – bis zum Schluss. Wie aus Timothée letztlich Wilder wird (siehst du Warner Bros.? Ich kann die dummen Wortspiele auch), zeigt der Film nie.

Muss er aber auch nicht, finde ich. Es hätte auch nicht zur restlichen Tonalität gepasst, die Regisseur King «Paddington»-typisch beschwört. Etwa dann, wenn Menschen in diesem Musical darüber singen, dass sie gerade singen, als ob sie in einem Musical wären – eine von vielen «Nebenwirkungen» von Wonkas Schokolade. Das ist in etwa ähnlich absurd wie ein redender Bär, der Toasts mit Aprikosenmarmelade liebt. Dinge, die innerhalb von Kings Filmen nie jemand komisch findet. Genau das macht den Charme seiner Werke aus.

Fazit: einfach magisch schön

Ich hätte es nicht für möglich gehalten, aber «Wonka» ist ein bezaubernder Film, der die Fantasie anregt und das Herz erwärmt – perfekt für die Vorweihnachtszeit. Zugegeben, ganz frei von Klischees ist «Wonka» nicht. Das tut dem Spass aber keinen Abbruch. Dafür ist der Familienfilm einfach zu herzerwärmend, sowohl für Gross und Klein.

Es wird viel gesungen und getanzt in «Wonka» – ein waschechtes Musical halt.
Es wird viel gesungen und getanzt in «Wonka» – ein waschechtes Musical halt.
Quelle: Warner Bros.

Grund dafür ist nicht nur Kings Regie voller Charme, Farben, Wunder und Einfallsreichtum. Vor allem ist es Timothée Chalamet als perfekt gecasteter, junger Willy Wonka, der den Film mit Leichtigkeit auf seinen Schultern trägt. Dass wir nicht erfahren, wie seine weltoffene Version zum in Isolation lebenden, undurchsichtigen Wilder-Wonka aus dem Jahr 1971 wurde, ist zwar eine berechtigte Kritik. Gestört hat es mich aber nicht.

Das Tüpfelchen auf dem «i» setzt dann eh ein ganz anderer. Ein Brite: Hugh Grant. Nicht als alternder Schönling. Sondern auf die Grösse eines Süssigkeiten-Glas geschrumpftes, oranges Wesen mit grünen Haaren. Ich sag nur eines: Beim Abspann unbedingt sitzenbleiben.

Do-ba-dee-doo.


«Wonka» läuft ab dem 7. Dezember 2023 im Kino. Laufzeit: 117 Minuten. Keine Altersbeschränkung.

Titelfoto: Warner Bros.

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