Hintergrund
Darauf solltest du beim Reisegepäck achten: Die CEO von Pack Easy im Interview
von Siri Schubert
Koffer und Reisetaschen begleiten uns in die schönsten Wochen des Jahres: die Ferien. Während wir uns erholen, muss das Gepäck beim Transport Strapazen aller Art aushalten. Geht dabei etwas zu Bruch, kann die Kofferklinik in Emmen helfen.
«Es gibt kein Gepäckstück, das nicht kaputt geht», sagt Marion Klein, CEO des Schweizer Gepäckherstellers Pack Easy. «Von keiner Marke und egal, wie teuer es ist.» Sie muss es wissen. Denn in der zu Pack Easy gehörenden Kofferklinik im luzernischen Emmen werden täglich Koffer und Reisetaschen repariert. Auf der Werkbank landet Reisegepäck ganz unterschiedlicher Marken und Hersteller. Denn alle, die ein beschädigtes Gepäckstück haben, können den Reparaturservice der Pack-Easy-Kofferklinik in Anspruch nehmen.
Beschädigte Gepäckstücke? Ja, die habe ich. Sie stehen schon eine ganze Weile im Abstellraum. Zum Wegwerfen sind sie mir zu schade, aber nutzen kann ich sie auch nicht mehr. Eine Reisetasche, die ich wegen ihrer praktischen Grösse schon sehr viel gebraucht habe, ist an der Frontseite durchgescheuert und löchrig. Ein Reisekoffer, damals ein Spontankauf, bekam auf dem ersten Flug einen Riss.
Also vereinbare ich einen Termin bei der Kofferklinik. Bevor es ans Reparieren geht, frage ich Marion Klein noch nach Tipps für den Kofferkauf und neue Entwicklungen in der Branche. Das Interview liest du hier:
Entstanden ist die Kofferklinik in der heutigen Form bereits vor zwölf Jahren, aus der hauseigenen Reparaturabteilung von Pack Easy. Da beim Schweizer Hersteller von Reisegepäck sehr wenig Garantiefälle eingingen, gab es Überlegungen, die Abteilung zu schliessen und den Service auszulagern. Für Marion Klein kam das nicht in Frage.
Statt den Schlusspunkt zu setzen, schlug sie ein neues Kapitel auf. Seit dieser Zeit repariert die Kofferklinik nicht nur Pack-Easy-Gepäckstücke, sondern auch Koffer und Taschen von Privatpersonen sowie Gepäck, das beim Flug beschädigt und von verschiedenen Airlines als Servicefall angenommen wurde. So wird der Lifecycle der Koffer verlängert. Statt auf dem Müll landen sie im besten Fall wieder im Zug oder Flugzeug.
Ich treffe die beiden Kofferdocs, wie die Reparaturprofis genannt werden, im Obergeschoss des Pack-Easy-Gebäudes in Emmen. Regaleweise Koffer und Taschen warten hier auf den Service. Beeindruckend ist auch das Ersatzteillager im gleichen Raum: Reissverschlussschlitten aller Art, Rollen in unterschiedlichen Ausführungen, Ziehgestänge – fast alles, was beim Gepäck kaputt gehen kann.
Claudia Casanova und Lukas Theiler nehmen meinen ramponierten Koffer und die Reisetasche mit Blessuren entgegen. Beides sind Problemfälle. Risse in Kunststoffkoffern lassen sich nur sehr aufwändig flicken und der Preis für die Reparatur würde den Kaufpreis überschreiten.
Für die Strapazen von Flugreisen ist mein Koffer nicht mehr geeignet, doch Kofferdoc Lukas fragt mich, ob ich ihn spenden möchte. Durch eine Kooperation mit dem Chrischtehüsli in Zürich kommen Gepäckstücke bedürftigen Personen zugute, die beispielsweise Kleiderspenden erhalten haben und diese transportieren möchten. Oder jenen, die in einer Unterkunft mit wenig Privatsphäre schlafen und ihre persönlichen Dinge in einem abschliessbaren Koffer unterbringen möchten. Den Koffer wird Lukas reparieren, sodass er für den Alltag tauglich ist.
Bei meiner Tasche machen mir Claudia und Lukas zunächst auch wenig Hoffnung. Da die meisten Gepäckstücke, die bei ihnen landen, Hartschalenkoffer aus Kunststoff oder Aluminium sind, ist die Klinik nicht auf Stoff-Näharbeiten spezialisiert. Ich bin schon fast soweit, mich von meiner heissgeliebten Reisetasche zu verabschieden. Dann hat Claudia eine Idee: Sie nimmt ein gebogenes Stück Plastik aus einer Ersatzteilkiste. «Das könnte klappen», sagt sie vielversprechend.
Mit dem Heissluftföhn gelingt es Claudia und Lukas, das Stück Plastik in Form zu bringen. Es wird angenietet. Die Frontseite meiner Reisetasche ist nun nicht nur repariert, sondern auch gegen weiteren Abrieb geschützt.
Es ist die Kreativität, die beide an ihrem Job so schätzen. Denn sie finden für fast alle Arten von Beschädigungen die richtige Lösung. Meist greifen sie dabei auf ihr riesiges Ersatzteillager zurück. Von der eigenen Marke, Pack Easy, haben sie Ersatzteile von Modellen der letzten zehn bis 15 Jahre vorrätig. Rollen gibt es auch in diversen Ausführungen, allerdings gibt es immer wieder Modelle, die schwer zu beschaffen sind.
Für die Rollen eines exklusiven Koffers hat Lukas rund drei Monate recherchiert, bis er in Italien fündig wurde. Natürlich kostet so eine Recherche. Aber der Besitzer hing so sehr an diesem Koffer, dass er dem Kostenvoranschlag zustimmte.
Meine Tasche ist wieder einsatzfähig, doch Claudia und Lukas bemerken, dass die Schiebergriffe (die Bezeichnung kannte ich vorher nicht) an den Reissverschlüssen abgerissen sind. Aus einem Fundus an Reissverschlussschiebern wählen sie den passenden. Mir war gar nicht bewusst, dass es so viele Grössen und Varianten gibt.
«Er ist Mr. Reissverschluss», sagt Claudia über Lukas. Tatsächlich sind kaputte Reissverschlussschieber einer der häufigsten Reparaturgründe – ganze Reissverschlüsse können die Docs allerdings nicht austauschen. Beschädigte Rollen ein anderer. Ich jedenfalls bin froh, dass meine Tasche wieder so weit einsatzfähig ist, dass sie mich auf weiteren Reisen begleiten kann. Und nicht auf dem Müll landet.
Wie bei mir haben Gepäckstücke bei vielen Menschen eine emotionale Bedeutung. Sie erinnern an schöne Reisen und verbreiten Aufbruchstimmung. Das macht für Lukas und Claudia auch ein gutes Stück ihrer Jobzufriedenheit aus. Denn ihre Kundinnen und Kunden happy zu sehen, wenn sie ihr Gepäckstück repariert zurückzubekommen, ist das auch für die Kofferdocs ein toller Dank.
Einen Tipp haben die beiden noch, wenn es um beschädigtes Reisegepäck geht: Wurden Koffer oder Taschen auf dem Transport beschädigt, sollte der Schaden sofort bei der Fluggesellschaft oder dem Anbieter von Bus- oder Schiffsreisen gemeldet werden. Denn häufig ist die Reparatur dann Sache der Fluggesellschaft, die den Koffer an die Kofferklinik schickt.
Forschungstaucherin, Outdoor-Guide und SUP-Instruktorin – Seen, Flüsse und Meere sind meine Spielplätze. Gern wechsel ich auch mal die Perspektive und schaue mir beim Trailrunning und Drohnenfliegen die Welt von oben an.