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Apple «One More Thing» Event: Hi, I'm a Mac

Apples M1 Chip ist Realität, Apple Silicon nimmt Fahrt auf und der Konzern aus Cupertino verkauft sich weit unter wert. Die Dinge des Apple «One More Thing»-Events, die gezogen haben und die, bei denen Apple nochmal über die Bücher sollte.

Machen wir es so kurz wie es Tim Cook und Co. an der auf Video aufgenommenen Keynote, die eventuell keine Keynote war sondern ein Event – bei Apple muss man da differenzieren, wo kämen wir da sonst hin? –, es gemacht haben.

Die Macbooks mit Apple Silicon kommen. Darum auch keine Witze, denn die neuen Prozessoren aus Apples eigener Entwicklung sind, ungeachtet ihrer Leistung, ein historischer Meilenstein in der Geschichte des Computings. «Computing», übrigens, ist eines der Wörter, die bei digitec inflationär verwendet werden, sonst aber ausserhalb Verkaufskreisen keiner benutzt. Lässig. Computing. Historisch. Let's do this.

Schuster, bleib bei deinen Leisten

Apple bleibt sich in der Art der Kommunikation treu. Zu Beginn seichter Pop mit Millennial Whoops und borderline-hirntotem Geklatsche sowie pseudo-inspirativer Message. «Fly Away» blahblah. Wir sind hier wegen der Apple Macbooks. Den Geräten, die andere Laptops schlicht in den Schatten stellen, denn sie sind schlicht besser als der Rest. Apropos, ja, der Text hier wird auf einem Macbook geschrieben.

Dazu kommt das unsägliche «it's 3.5 times faster», das sich seit Jahren hinzieht. Denn letztes Jahr war die Chose schon 2.5 mal schneller, das Jahr davor sogar 5 mal schneller. Eigentlich wäre eine harte Zahl hier nett. Einfach mal «Es kann 3.8 Teraherps mit 17 Gigaderps» und wir wären alle besser dran.

Aber wenigstens ist Tim Cook glücklich, zu sehen, was die Leute mit den Apple Macbooks anstellen. Diesen Text hier, zum Beispiel. You're welcome, Tim. Thanks for the machines.

Die grosse Ankündigung darf aber John Ternus machen, Vice President of Hardware Engineering, der aus dem Bat Bunker aus «The Dark Knight» spricht. Oder via dem besten Green Screen, den ich je gesehen habe.

John Ternus vor dem Green Screen
John Ternus vor dem Green Screen
Und das Pendant aus «The Dark Knight»
Und das Pendant aus «The Dark Knight»

Ehrlich, Tim und John, das nervt. Ihr schreibt gerade etwas Computer-Geschichte und ihr macht einfach denselben Brunz wie immer? Apple Silicon verspricht viel, doch zehn Minuten nach Beginn der Keynote-Event-Rede sind wir noch kein bisschen näher an einer Information, in die wir uns verbeissen könnten.

Und gerade als ich mir einen Kaffee holen will: John Ternus zeigt den M1. Den Apple Silicon Chip, der unendlich viel besser als die Konkurrenz sein soll. Der Chip, auf dessen Benchmarks ich gespannter bin als auf ein Benchmark irgendeines Prozessors der vergangenen Jahre.

Und dann… der M1

«Let's spend a few minutes on a deep dive», sagt John Ternus. Ja? Echt jetzt? Es geschehen noch Zeichen und Wunder, zur Tatsache dazu, dass die Keynote-Event-Sause erst seit sieben Minuten und nicht wie gefühlt 10 Jahren läuft.

Ich bin nicht gut mit Geduld, wenn es um Dinge geht, die ich so richtig gut finde und auf die ich mich freue.

Johnny Srouji, Senior Vice President of Hardware Technologies bei Apple, nennt den M1 ein System-on-a-Chip (SoC). Dieser Begriff ist in der Smartphone-Welt weit verbreitet und bedeutet im Wesentlichen, dass da eine Einheit aus mehreren Komponenten als Plattform gebaut wird. Sprich, da sind APIs für Kamerasysteme, Prozessorkerne, oft auch RAM, Schnittstellen für Audio. Der Clou hier ist, dass ein SoC weit mehr als ein Prozessor ist, sondern aufgrund seiner Vereinheitlichung mehr als die Summe seiner Teile hergibt. Genau das ist es, was Apple ohnehin schon ausmacht. Denn bei Apple arbeiten Hardware und Software schier nahtlos zusammen, was Leistung über dem ergibt, das die Hardware alleine hergeben sollte. Oder die Software.

Und jetzt kommt Apple daher und macht bewusst ein SoC. Ich brauche das Teil.

Denn bisher haben alle Macs, also nicht nur Macbooks, eine Reihe von Chips gebraucht, damit alle Features haben geliefert werden können.

Die alte Hardware-Konfiguration eines Macs
Die alte Hardware-Konfiguration eines Macs

Neu sind all diese Komponenten in einem SoC vereint, was mehr Effizienz und Geschwindigkeit bieten soll. Dem hilft natürlich, dass der M1 im 5nm-Verfahren hergestellt wird. Das ist so der kommende Standard der Chips, die durch die engere Verarbeitung – aktuell sind 7nm in den meisten Smartphones verbaut – noch schneller und stromsparender sind. Johnny Srouji lässt es sich nicht nehmen, den marketingschwurbligen Begriff «measured at an atomic scale» – gemessen auf einer atomaren Skala – von sich zu geben. Deep Dives sehen anders aus, aber ich bin beeindruckt. Von der Zahl 16 Milliarden in Bezug auf die Anzahl Transistoren auf dem M1 aber merkwürdigerweise weniger. Denn wenn Johnny vorher nicht «The largest number ever» gesagt hätte, dann wäre die Zahl wohl ernster rübergekommen.

So sieht das SoC Apples aus, vereinfacht dargestellt
So sieht das SoC Apples aus, vereinfacht dargestellt

Und dann kommt ein Diagramm, das die einzelnen Bestandteile des SoC detailliert darstellt aber eigentlich nichts aussagt ausser «Wir sind Apple und schwafeln gerne daher». Denn nur schon bei der Darstellung der acht Prozessorkerne fehlen Schlüsselwerte wie die Gigahertz.

Details? Wer braucht schon Details?
Details? Wer braucht schon Details?

Dann blendet die Folie auf eine neue Ansicht, wo dann tatsächlich konkrete Zahlen stehen. Die sind alle schön und gut, aber ergeben im Kontext keinen Sinn. Hätte es Apple umgebracht, wenn sie statt den Schwurbeleien beim Schreiben von Computer-Geschichte mal echte, verlässliche und vernünftige Zahlen hätten fallen lassen?

Voilà, die Illusion von verlässlichen Zahlen
Voilà, die Illusion von verlässlichen Zahlen

Es tut fast schon weh, zuzusehen wie Apple einen Meilenstein in der Entwicklung so verballert, dass er wie die Vorstellung des xten iPad-Modells klingt. Das wird doch der Wichtigkeit des eigenen Produkts nicht gerecht.

Was soll das heissen?
Was soll das heissen?

Und dann… und dann! Achsenbeschriftungen sind für Leute, die Android und Windows verwenden und noch bei ihrer Mama im Keller wohnen.

Blargh
Blargh

Und Dimensionen sind in Cupertino auch nicht so.

Dreimal. Die Distanz ist on point
Dreimal. Die Distanz ist on point

«This is unheard of», sagt Johnny Srouji. Noch nie dagewesen, sei es. Ich kann erklären, weshalb. Weil Apples wunderschöne PowerPoint-Slides scheisse sind. Niemand mit auch nur einer halben Hirnzelle Verständnis für Datendarstellung würde Daten so darstellen. Achsenbeschriftungen sind das Minimum, dass die Abstände zwischen den nicht näher genannten Einheiten auf der Achse gleich gross sind wäre dann auch ein nettes Extra. Erinnert mich an meine lose Interpretation derselben Dinge in meiner zweiten Geometrie-Lektion im Rorschacherberger Schulhaus Steig. Grüezi, Herr Liebing, ich weiss, Sie haben da einiges durchgemacht.

Irgendwann, so in etwa zum Zeitpunkt, an dem der Deep Dive nicht hätte seichter sein können und schier zur vollendeten Parodie seiner selbst verkommt… nützliche Information:

Nützlich. Echt jetzt.
Nützlich. Echt jetzt.

Der M1 verspricht zudem, so sagt Johnny Srouji, unerreichte Performance in Punkto Machine Learning. Video-, Text- und Stimmanalyse soll besser sein denn je. Hier sind wir in nützlichem Territorium, denn Video- und Stimmanalyse sind Siris Kernkompetenzen. Sie ist zwar so schon gut, aber es ist offensichtlich, dass sie noch Spiel nach oben hat. Oder er, denn Siri kann auch männlich.

So. Jetzt wissen wir Bescheid
So. Jetzt wissen wir Bescheid

Big Sur kommt in wenigen Tagen

Craig Federighi, Senior Vice President of Software Engineering, spricht zur Welt: Apples neue macOS-Version mit den Namen Big Sur kommt am 12. November 2020. Wenn du ein altes Macbook hast, dann lohnt sich das Update nur schon wegen dem neuen Look. Alles wirkt einheitlicher, die Menübänder sind abgespeckt worden und verständlicher dargestellt und sogar Finder macht Anstalten knapp unten an der Benutzbarkeitsgrenze zu kratzen.

In der Beta stabil, aber kein absoluter Meilenstein: macOS Big Sur
In der Beta stabil, aber kein absoluter Meilenstein: macOS Big Sur

Auf der alten Architektur ist das Upgrade nicht so der Meilenstein, den Craig Federighi besingt. Es ist gut, aber keine Sensation. Aber Federighi spricht nicht von meiner Gegenwart, die in Form eines Macbooks neben meiner mittlerweile leeren Flasche Cola steht. Er spricht von der Zukunft. Auf der M1-Architektur sei Big Sur eine Sensation.

Craig, ich möchte dich gerne beim Wort nehmen. Noch ein Grund, das neue Macbook als Early Adopter zu kaufen.

Nett ist, dass Craig seine eigene Detailverliebtheit ausleben darf. Er redet von Animationen, Responsiveness und all den kleinen Dingen, die wir User nur unbewusst oder gar nicht wahrnehmen. Und jetzt wo Craig das sagt: Ja, die Animationen beim Öffnen von Apps sind extrem schön. Ist das weltbewegend? Nein. Ist es schön? Ja.

Hellhörig dürfen wir alle werden, wenn Craig von der besseren Batterielaufzeit Big Surs unter M1 spricht. Macbooks müssen sich nicht verstecken, wenn es um Power Management geht, doch wenn Apple hier noch einen oben draufsetzen kann, dann steht manch einem anderen Notebook bald das Wasser bis zum Hals.

Apropos «andere Notebooks»: Bei all dem Gerede geht die alte Architektur mit Intel Chips nicht verloren. Denn egal, wie gut der M1 sein wird, viele User werden mit dem Upgrade warten, denn Macbooks sind nicht wirklich günstig. Preiswert? Ja. Objektiv günstig? Nein. Daher ruft Craig die Universal Apps ins Leben. Das sind Applikationen, die auf einer Binary gebaut sind, aber mit Apple Silicon sowie Intel kompatibel sind.

Wenn ein Developer verhängt, eine M1-Version seiner App zu machen – und ich zeige mit dem Finger einfach mal aus nicht näher erfindlichen Gründen auf Adobe –, dann kommt Apples Rosetta zum Zuge. Die Kompatibilität mit der neuen Architektur sei dann gegeben. Einige Apps sollen sogar besser unter Rosetta laufen als unter Intel. Craig, wenn du mir sagst, welche Apps du konkret mit «einige Apps» meinst, dann teste ich das gerne. Weil das scheint schon ein grosses Stück zu sein.

Craig Federighi, Held aller Design-Nerds
Craig Federighi, Held aller Design-Nerds

Die Lücke schliesst sich

Craig wirft dann fast beiläufig ein Argument in die Runde, das ebenfalls ein Meilenstein des Computings ist. Mit Apple Silicon sind Apps vom iPhone und dem iPad nativ mit der Architektur des Macbooks oder des Macs kompatibel. Das bedeutet bessere Integration, schnellere Umsetzung von Befehlen, schönere Darstellung und allgemein ein besseres Erlebnis.

Hier geht übrigens die Perspektive des Alltagsnutzers und die des Coders auseinander. Wo ein Coder hier einen Meilenstein sieht, sieht ein User vielleicht nur Candy Crush auf dem Macbook. Genau das ist es, auf das Apple schon länger hingearbeitet hat. Ein User soll eine nahtlose Integration erleben. Geräte sollen verschmelzen und Inhalte sollen laufen, egal auf welchem Gerät.

Da jeder Absatz aber ein Multimedia-Element braucht, hier ein Video, das nichts mit der Integration zu tun hat, aber recht dick aufträgt.

Was bleibt, sind Macs

Die verschenkte Signifikanz der neuen Technologie ist am Ende aus User-Sicht komplett irrelevant, wenn da nicht irgendwelche Maschinen sind, auf denen das ganze läuft. Apple lässt sich nicht lumpen und klotzt ein Portfolio hin, das dem M1 zum Durchbruch verhelfen soll.

Voilà, der Mac Mini in grafischer Form
Voilà, der Mac Mini in grafischer Form
  • Apple Macbook Air: 13 Zoll Bilddiagonale, Octacore GPU, 256 oder 512 GB Speicher
  • Apple Macbook Pro: 13 Zoll Bilddiagonale, Octacore GPU, 256 oder 512 GB Speicher, Touch Bar
  • Mac Mini: Octacore GPU, 256 oder 512 GB Speicher

Die genauen Specs zu den Eckdaten folgen schon bald mit dem Verkaufsstart. Sprich am 11. November 2020. Das ist vielleicht nicht der Verkaufsstart, aber dann wissen wir mehr.

Update: Jetzt vorbestellbar, mit allen Specs

Kollege Sebastian Karlen hat sich ins Zeug gelegt und die Macbooks erfasst. Sprich: Du kannst sie für die Schweiz ab sofort vorbestellen.

Zum Schluss beweist Apple dann doch Humor. Genau die Sorte Humor, die dem Konzern eigentlich recht gut zu Gesicht steht. In der Keynote bei Marker 45:30 taucht der Mann auf, der in der legendären «Hi, I'm a PC»-Kampagne Apples regelmässig von Apples Mac, verkörpert von Schauspieler Justin Long, verbal eins kassiert hat.

Zur Erinnerung:

So. Fertig. Kann ich ein Laptop haben, bitte?

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Journalist. Autor. Hacker. Ich bin Geschichtenerzähler und suche Grenzen, Geheimnisse und Tabus. Ich dokumentiere die Welt, schwarz auf weiss. Nicht, weil ich kann, sondern weil ich nicht anders kann.

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