Produkttest

Audio-Studio Rodecaster Pro II im Test: Vielseitiger und umfangreicher, aber noch etwas unausgereift

Die zweite Version der All-in-One-Audio-Produktionslösung von Rode bessert an allen Stellen nach. Hundertprozentig ausgereift ist der Rodecaster Pro II aber (noch) nicht.

Der Rodecaster Pro II ist ein Tausendsassa. Egal, ob für Podcaster, Streamer oder Musiker, der Rodecaster Pro II will das All-in-One-Gerät für alle sein. Im Test zeigt sich, dass Rode nah dran ist.

Riesiger Umfang

Der Rodecaster Pro II richtet sich mit seinem 700 fränkigen Anschaffungspreis (730 Euro) vor allem an Podcaster, aber auch an ambitionierte Hobbykünstler oder Profis, die eine kompakte Mehrspuraufnahme-Lösung suchen. Der Mischer hat Anschlüsse für vier Mikrofone oder Instrumente, vier Kopfhörer und ein paar Lautsprecher. Neben USB kommuniziert der Rodecaster per Bluetooth, W-Lan und Ethernet. Obendrauf gibt es acht programmierbare Smartpads und die Möglichkeit, auf eine microSD-Karte zu speichern. Über das Touchdisplay können diese Aufnahmen direkt bearbeitet werden. Das Gerät passt in den Rucksack, benötigt zum Betrieb jedoch einen Stromanschluss. Zu meiner Freude ist der proprietäre Anschluss einem universellen USB-C-Anschluss gewichen.

Der Rodecaster Pro II (rechts) bietet mehr auf kleinerer Fläche.
Der Rodecaster Pro II (rechts) bietet mehr auf kleinerer Fläche.

Im Vergleich zum ersten Rodecaster ist das Gerät geschrumpft. Möglich ist das unter anderem durch das Wegfallen eines physischen Faders. Neu gibt es nur noch sechs davon. Dafür kann ich frei wählen, welche Quelle ich damit steuere. Mit wenigen Klicks über das Touchdisplay kann ich mit dem vierten Fader den Bluetooth-Input statt Mikrofon 4 steuern. Der Rodecaster hat dank zwei USB-C-Inputs eine Quelle mehr als der Rodecaster Pro I. Alle nicht an physische Fader gebundene Quellen lassen sich übers Display kontrollieren, respektive über den neuen Drehknopf. Dieser ändert seine Funktion je nach Menü. Die Farben der Fader-Buttons und jene der Kopfhörerregler kann ich anpassen. So sehe ich auf einen Blick, welcher Fader für welches Mic zuständig ist.

Einer weitere Neuerung betrifft die Smartpads. Auf die lassen sich dank vier Gigabyte internem Speicher Jingles oder sonstige Audio-Samples ablegen und per Knopfdruck auslösen. Die Smartpads können mehrfach belegt werden. Über zwei physische Tasten wechsle ich zwischen den verschiedenen Szenen. Die jeweilige Belegung wird auf dem Display angezeigt. Der Vorgänger kann auf dem Display nur die Pads oder den Mixer anzeigen, aber nicht beides gleichzeitig. Daher bin ich mit dem neuen Gerät deutlich flinker, wenn es darum geht, passende oder unpassende Soundeffekte während einer Live-Aufnahme einzuspielen.

Der Wechsel zwischen verschiedenen Smartpad-Belegungen ist deutlich einfacher geworden.
Der Wechsel zwischen verschiedenen Smartpad-Belegungen ist deutlich einfacher geworden.

Die Pads können mehr als ein lustiges «badum tsss» einspielen, wenn die Podcast-Kollegen wieder einen flachen Witz gerissen haben. Ich kann damit auf Knopfdruck mit Gästen reden, die über Mikrofon, USB-C oder Bluetooth verbunden sind, ohne, dass es auf der Aufnahme zu hören ist. Auch Talkback unter den Gästen ist möglich. Oder ich zensiere einfach alles, was gesagt wird, mit einem pfeifenden «Beep».

Zu bemängeln habe ich, dass die Pads nicht so zuverlässig wie beim Rodecaster Pro I sind. Wenn ich nicht genau drücke, kann es sein, dass sie nicht auslösen.

Einstellungen bis zum Abwinken

Der erste Rodecaster kann auf vielfältigste Weise konfiguriert werden. Mit Version II legt Rode noch eine Schippe drauf. Besonders beim Effekt-Processing für die verschiedenen Quellen gibt es deutlich mehr Einstellmöglichkeiten. Dinge wie High Pass Filter, Noise Gate oder Compressor können manuell justiert werden. Bei jeder Quelle wird eins von drei Presets mit vordefinierten Effekten ausgewählt. Oder ich erstelle ein eigenes. Alle Einstellungen kann ich als eigene Show speichern. Nur das Wechseln zwischen den Shows könnte etwas einfacher sein. Aktuell muss ich eine Show exportieren, damit sie gespeichert wird, und anschliessend eine bestehende importieren. Das müsste auch mit weniger Klicks möglich sein.

Unterschiedliche Einstellungen können als eigene Show gespeichert werden.
Unterschiedliche Einstellungen können als eigene Show gespeichert werden.

Mit den Smartpads habe ich Zugriff auf eine Reihe vorinstallierter Stimmeffekte. Auf Knopfdruck klinge ich damit wie ein Roboter, ein Erdhörnchen oder wie der Mörder aus «Scream». Jeder Effekt kann von Hand angepasst oder ein neuer kreiert werden. Falls gewünscht, können Quellen dauerhafte Soundeffekte zugeordnet werden.

Normalerweise bearbeite ich meine Aufnahmen nachträglich mit Adobe Audition, weil ich ohnehin mehrere Audiofiles zusammensetzen und abmischen muss. Ausserdem ist die Arbeit am PC-Monitor mit Maus und Tastatur einfacher, als am kleinen Touchscreen.

Für Live-Sendungen oder wenn ich einen Podcast lokal aufnehmen würde, finde ich das Processing des Rodecaster Pro II durchaus nützlich. Mir fehlt schlicht das Know-How, um bei Adobe Audition viel mehr rauszuholen als es die integrierte Audio-Engine schafft. Aber da wir den Digitec Podcast remote aufnehmen, muss ich manuell nachbearbeiten.

Effekte können manuell angepasst werden.
Effekte können manuell angepasst werden.

Bei den Aufnahmen habe ich die Wahl, ob ich das fertig abgemischte Stereo-File verwende oder dank Multitrack-Aufnahme alle möglichen 14 Spuren einzeln speichern möchte. Besonders erfreulich ist, dass Aufnahmen nicht mehr in 30 Minuten lange Wav-Files geteilt werden, woraus ich jede Spur manuell extrahieren muss. Das spart Zeit und Speicherplatz.

Viele Funktionen wie die Effekte oder die Smartpad-Belegungen können auch am PC mit der Rode Central App eingestellt werden. Die Aufnahmen lassen sich per USB-C direkt auf den Computer kopieren, ohne die microSD-Karte rauszunehmen.

Die Rode Central App ist äusserst vielseitig.
Die Rode Central App ist äusserst vielseitig.

Ein weiteres wichtiges Feature ist das Routing. Verbinde ich den Rodecaster über den USB-C-Main-Anschluss mit dem PC, zeigt mir Windows zwei Audio-Geräte an: Main und Chat. Chat ist vorzugsweise für Calls zu verwenden, damit sich die Teilnehmenden nicht doppelt hören, weil alles Audio zurückgeschlauft wird. Schliesse ich auch den zweiten USB-C-Anschluss an, erhalte ich mit «Secondary» noch eine dritte Option. Das ist nützlich, wenn ich In- und Outputs auf verschiedene Apps verteilen will, beispielsweise bei Livestreams, wenn ein paralleler Stream mit lizenzfreier Musik laufen soll. All diese Quellen lassen sich direkt vom Rodecaster aus steuern.

Alternativ kann ich den Rodecaster über die beiden USB-C-Anschlüsse auch an zwei verschiedene Computer anschliessen. Beide USB-C-Anschlüsse fungieren wahlweise als In- oder Output.

Der zweite USB-C-Anschluss eröffnet viele neue Anwendungsmöglichkeiten.
Der zweite USB-C-Anschluss eröffnet viele neue Anwendungsmöglichkeiten.

Vorverstärker und Soundqualität

Ich nutze den Rodecaster mit Rode-Procaster-Mikrofonen. Dafür gibt es wie beim Rodecaster Pro I entsprechende Voreinstellungen. Damit ein Mikrofon laut genug ist, ohne zu rauschen, sind gute Vorverstärker nötig. Die hat Rode überarbeitet und liefert damit nun bis zu 76 dB Gain im Vergleich zu den bisherigen 55 dB. Das sollte auch für besonders hungrige Mikrofone wie dem Shure SM7B ausreichen.

Für die Soundqualität ist neben den Vorverstärkern der integrierte Audioprozessor zuständig. Dieser steuert die Bearbeitungswerkzeuge wie High Pass Filter, Compressor etc.. Im Direktvergleich mit den Standardeinstellungen, den gleichen Mikrofonen und Kopfhörern höre ich keinen Unterschied zwischen dem Rodecaster Pro I und II. Ich habe in den Tests aber auch in einer ruhigen Umgebung aufgezeichnet und normal laut gesprochen. Bei solchen Standardsituationen solltest du von den Presets mit neuen Effekten keine Wunder erwarten. Da musst du selber nachjustieren. Beispielsweise bei Aufnahmen, in denen sich alle ständig ins Wort fallen. Da kann der «Compellor» helfen. Dieser Effekt greift auf alle Spuren zu und sorgt dafür, dass der Ton nicht überschlägt. Diesen Trick beherrscht der alte Rodecaster Pro nicht.

Mikrofone können individueller konfiguriert werden.
Mikrofone können individueller konfiguriert werden.

Noch etwas unausgereift

Während meiner Testphase hat Rode zahlreiche Updates ausgerollt. Die waren auch dringend nötig. Sie lieferten von der Community gewünschte Funktionen nach oder behoben zahlreiche Bugs. Anfangs ist mir der Rodecaster Pro einmal abgeschmiert, was nicht passieren darf. Schliesslich ist die Zuverlässigkeit ein wichtiger Grund, nicht direkt am PC aufzunehmen, sondern ein externes Gerät zu verwenden.

Auch die W-Lan-Verbindung fällt des Öfteren aus. Meist muss ich dann das Passwort wieder manuell eintippen – was bei sicheren Passwörtern besonders viel Spass macht… Ausser für unkomplizierte Firmware-Updates ist eine Internetverbindung aber ohnehin nicht nötig.

Noch instabiler war anfangs Rode Central, die Software, um Aufnahmen an den PC zu transferieren oder Einstellungen am Rodecaster Pro vorzunehmen. Das Programm hängte sich mehrmals auf, als ich die Smartpads anpassen wollte.

Mittlerweile befindet sich der Rodecaster Pro auf Version 1.07 und läuft stabil.

Schnelle micro-SD-Karte ist Pflicht

Kein Bug, aber genauso störend: Du benötigst eine schnelle microSD-Karte – nämlich eine mit mindestens 100 MB/s Schreibgeschwindigkeit. Meine bisherige Sandisk Ultra SDXC 1 U1, die im ersten Rodecaster Pro einwandfrei funktioniert, ist zu langsam. Gemerkt habe ich das leider erst, nachdem ich einen Podcast aufgenommen habe. Zum Glück «nur» meinen privaten Podcast «One More Level». Weil die alte Speicherkarte nur mit 80 MB/s schreibt, ist die Aufnahme an gewissen Stellen zerhackt. Es fehlen Wörter und es klingt, als würde vorwärtsgespuhlt. Gut zu hören am Anfang nach dem Intro bei Folge 177. Dumm nur, teilt mir das Gerät nicht mit, dass meine Karte zu langsam ist. Das habe ich erst gemerkt, nachdem ich die Spezifikationen genauer angeschaut habe. Also achte unbedingt darauf, die passende microSD-Karte zu verwenden.

Diese Funktionen fehlen noch

Eine Funktion, die auch mit dem neuesten Update noch fehlt, ist die Verwendung von Voice-Effekten in Verbindung mit Multitrack. Wenn du mit verzerrten Stimmen sprechen willst, sind diese nur auf dem Stereo-Mix zu hören. Auf den einzelnen Mikrofon-Spuren fehlen sie. Das macht die Funktion nutzlos für alle, die mehrere Tonspuren speichern möchten, um diese später zu bearbeiten.

Auch beim virtuellen Routing ist noch Luft nach oben. Hier bietet ein Gerät wie das GoXLR mehr Möglichkeiten, über den Computer die verschiedenen Inputs und Outputs zu verteilen.

Ausserdem benötigt der Rodecaster Pro II deutlich länger zum Starten und Ausschalten als der Vorgänger. Und der Knopf dafür ist ebenfalls ein klares Downgrade.

Der Rodecaster Pro II lässt wenig Wünsche offen.
Der Rodecaster Pro II lässt wenig Wünsche offen.

Fazit: Solide Weiterentwicklung

Der Rodecaster Pro II ist ein würdiges Upgrade zu einem bereits äusserst vielseitigen Audio-Produktions-Gerät. Mit den verbesserten Vorverstärkern lassen sich nun leistungshungrigere Mikrofone betreiben. Die Effekte wurden erweitert und sind feiner einstellbar. Die Smartpads bieten mehr Flexibilität und sind einfacher zu bedienen. Daneben gibt es zahlreiche neue Funktionen wie das freie Konfigurieren der Fader, das virtuelle Routing oder separat speicherbare Shows, die ich nicht mehr missen möchte. Alleine der zusätzliche USB-C-Anschluss dürfte für viele ein Upgrade wert sein. 300 Franken Aufpreis zum Vorgänger sind zwar definitiv ein hoher Preis, der Mehrwert ist aber durchaus vorhanden.

Und das alles gibt es in einem kompakteren Gehäuse. Jetzt muss Rode nur die Update-Kadenz hochhalten, um die letzten Bugs auszumerzen und fehlende Features nachzureichen. Daran habe ich aber wenig Zweifel. Bereits der erste Rodecaster erhielt über Jahre hinweg regelmässig umfangreiche Updates. Daher kann ich den Rodecaster Pro II allen Podcastern, Livestreamern oder anderen Audio-Produzenten empfehlen.

RØDE RODECaster Pro II (Studio- und Livemixer)
Mischpult
EUR629,–

RØDE RODECaster Pro II

Studio- und Livemixer

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