Bei Boses Hals-Lautsprecher drehen sich nicht nur die Pferde nach dir um
Beim Bose SoundWear Companion gibt’s die Musik auf dem Hals statt auf den Ohren. Der Hals-Lautsprecher soll eine Alternative für Kopfhörer sein, bei der die Umgebung nicht viel von deiner Musik mitkriegt. Ich habe den kuriosen Lautsprecher getestet.
Letztes Jahr im September stellte Bose den SoundWear Companion in den USA vor. Jetzt ist der tragbare Lautsprecher, den du dir um den Hals legst, in der Schweiz verfügbar. Ich habe den Hals-Lautsprecher zwei Wochen lang ausprobiert.
So ein spezielles Produkt wie der SoundWear wirft Fragen auf: Wie kommt ein Hersteller auf die Idee, einen Hals-Lautsprecher zu produzieren? Wer braucht sowas? Was bringt dir ein Teil, das aussieht wie ein zu gross geratenes Hufeisen? Und warum brauchen wir einen Pferdeschuh, aus dem Musik kommt?
Die Idee des Companions ist einfach: Musik hören, ohne sich von der Umgebung abzukapseln.
Dafür würde sich auch ein offener Kopfhörer eignen. Aber da kommt Boses Innovation: Der SoundWear berührt im Gegenteil zu einem Kopfhörer deine Ohren nicht, er liegt leicht im Nacken.
Den Hals-Lautsprecher verbindest du via Bluetooth mit deinem Smartphone, Computer, deiner Stereoanlage oder was du sonst Bluetooth-fähiges zuhause rumstehen hast. Nebst Musikhören geht auch telefonieren und Sprachbefehle erteilen: Der SoundWear hat vorne links ein Mikrofon verbaut. Und das alles ohne Kopfhörer in oder auf den Ohren. Oder so dass es jeder im Umkreis von zehn Metern um dich mitbekommt. Soweit in der Theorie.
Aber wie funktioniert’s in der Praxis?
Suboptimale SoundWear-Situationen
Das digitec Produktmanagement, das auch den Test des SoundWears vorgeschlagen hat, möchte, dass ich Situationen finde, in denen sich der SoundWear als praktisch erweist. Also sogenannte Use-Cases. Beim Suchen dieser Benutz-Situationen habe ich zuerst herausgefunden wann du den SoundWear nicht einsetzen solltest. Das ist:
- Im Büro
- Im Gym
- Im Zug
- In der Stadt
- Beim Velofahren
Im Büro ist der SoundWear nichts, weil die Musik für Aussenstehende viel zu gut hörbar ist. Ausser du willst deine Bürokollegen ärgern. Für deine Bürokollegen tönt deine Musik wie wenn sie aus einem billigen Böxchen kommt. Ohne Bass und auch sonst total flach und schepprig.
Im Gym oder allgemein beim Sport ist er nichts, weil er nur am Hals liegt und nicht anderweitig fixiert ist. Springst du, springt der SoundWear mit und fällt relativ hart zurück auf dein Schlüsselbein.
Im Zug und in der Stadt ist er, wie bei Punkt eins ungeeignet weil die Musik für aussenstehende zu gut hörbar ist. Und auch aus Gründen des Styles.
Beim letzten Punkt, dem Velofahren, war das Problem, dass ich selbst die Musik nicht genug hörte. Auch voll aufgedreht höre ich immer wieder Passagen wegen dem Fahrtwind nicht. Das, obwohl ich eine langsame Velofahrerin bin.
Es ist die Bauweise des Companion, die noch zu viel Musik an die Umgebung abstrahlt, beziehungsweise noch zu wenig auf die Ohren ausgerichtet ist.
Und wann brauchst du das Ding jetzt?
Am besten lässt sich der SoundWear zu Hause nutzen. Nicht nur, weil du dann nicht das Selbstbewusstsein brauchst, dich mit dem kuriosen Teil in der Öffentlichkeit zu zeigen, sondern auch, weil du da die Funktionen am besten nutzen kannst.
In diesen Situationen fand ich den SoundWear gut:
- Beim Kochen
- Beim Wäschewaschen
- Beim Bügeln
- Beim Seriengucken
- Beim Staubsaugen
Beim Kochen ist der SoundWear praktisch, wenn du nicht laut mit Boxen Musik hören kannst. Bei mir ist das der Fall, weil ich in einer WG wohne und du hast vielleicht ein Kind, das gerade schläft. Wie auch immer: Es ist angenehm, dass die Ohren frei sind, und wenn dir das Nudelwasser überkocht, hörst du es.
Beim Wäsche waschen und bügeln ist der SoundWear ebenfalls praktisch: er fällt dir nicht über den Kopf, wenn du dich bückst.
Auch Serien gucken mit dem Soundwear hat bei mir gut funktioniert. Ich hatte mit der Verbindung am Laptop keine Ton-Verzögerungen.
Da ich keinen Fernseher besitze, habe ich den SoundWear noch Kollege Martin Jud mitgegeben, er findet: Es funktioniert auch mit dem Smart-TV gut und ohne Verzögerungen. Der Sound wird ohne Anpassung der Experteneinstellungen standardmässig synchron zum Bild ausgegeben.
Staubsaugen mit dem SoundWear ging auch, aber mein Staubsauger ist ein leises Modell. Mit einem lauten Staubsauger wirst du die Musik wahrscheinlich wie ich beim Velofahren nicht genügend gut hören.
Der Sound gefällt
Insgesamt ist der Sound, der aus dem SoundWear kommt, bemerkenswert. Was mir am meisten gefällt, ist der Bass. Der ist, obwohl der Lautsprecher klein und leicht ist, wirklich gut herausgekommen. Mit der App von Bose, hier für Android und da für iOS, lässt sich der Bass regulieren. Bose nennt den Menüpunkt Dialogoptimierung, der Bass wird eigentlich zum Telefonieren reguliert, es funktioniert aber auch, wenn du deine Musik mit mehr oder weniger Bass willst. Einen kompletten Equalizer gibt’s leider nicht.
Je nachdem wie basslastig der Song ist, spürst du den Bass sogar als leichtes Kribbeln auf deinen Schultern. Mit dem SoundWear bist du wie in einer Musikblase. Du kriegst aber auch bei lauter Musik gut mit, was um dich herum abgeht.
Deine Musik spielt der SoundWear in stereo. Die Höhen empfand ich als schön klar und allgemein fand ich den Klang ausgeglichen. Eben Bose-typisch gut.
Wenn du laut Musik hörst, ist es ein spezielles Gefühl, wenn du den Kopf zur Seite legst. Du hörst dann logischerweise auf dem einen Ohr viel mehr als auf dem anderen, weil das eine Ohr näher am SoundWear ist. Das fühlt sich dann an, als würdest du ganz leicht an einer Wand ankommen. Wenn du aber deinen Kopf gerade hältst ist es sehr angenehm, weil du anders als bei einem Kopfhörer keine Trennung vom linken und rechten Ohr hast. Du hörst die Musik wie aus einem Lautsprecher, es entsteht eine zusammenhängende Klangbühne.
Und sonst so
Wenn du den SoundWear in den Händen hältst, fühlt er sich mit 266 Gramm relativ schwer an. Sobald du ihn dir um den Hals legst, ist er aber sehr leicht und drückt nicht auf den Nacken. Das Gewicht verteilt sich gleichmässig und der hufeisenförmige Lautsprecher liegt bequem im Nacken.
Die Koppelung via Bluetooth hat einfach und schnell geklappt. Mit einem Android-Gerät wie auch mit iOS. Laut Bose hält der Akku zwölf Stunden. Je nachdem wie laut die Musik abgespielt wird, variiert das aber ein wenig. Aber im Grossen und Ganzen stimmt die Angabe von Bose. Eine Schnellladefunktion gibt’s auch, die ladet dir in 15 Minuten Saft für drei Stunden.
Mit dem SoundWear liefert dir Bose nebst einem Micro-USB Kabel fürs Aufladen eine schwarze Hülle mit. Um den SoundWear mit der Hülle aufzuladen musst du einfach den feinen Reissverschluss ein Stück öffnen. Zum Glück nicht mehr, denn ist die Hülle mal ab, braucht es eine Meisterleistung, sie wieder draufzukriegen. Am Ende des Tests war ich erstaunt, dass mir die Hülle nicht irgendwann zerrissen ist.
Mit der Hülle siehst du leider die LED-Liechtli an der Seite nicht. Die LEDs leuchten, sobald der SoundWear an ist und beginnen zu blinken, wenn der Akku bald am Ende ist.
Auch die Knöpfe am SoundWear werden von der Hülle überdeckt, wenn du ihn aber Anfangs ohne Hülle nutzt, weisst du nachher wo die Knöpfe sind.
Insgesamt hat Bose fünf Knöpfe angebracht. Neben dem On/Off Knopf befindet sich der Bluetooth Knopf für das einfache Pairing. Auf der anderen Seite gibt’s drei Tasten: Eine, um die Lautstärke zu erhöhen, eine um leiser zu machen und eine für Sprachbefehle.
Ganz neu ist die Idee nicht
Mit der Idee des Hals-Lautsprechers waren Bose nicht die ersten. Sennheiser hat schon im Jahr 1999 den Sennheiser Sourrounder vorgestellt. Der hatte angeblich so viel Bass, dass den Trägern sogar die Haare aufstellte. Durchgesetzt hat er sich trotzdem nicht. Das erstaunt bei dem Monstrum nicht weiter.
Vom Hersteller JBL gibt’s den JBL Soundgear und von LG den LG Tone.
Auch Samsung tüftelt an einem Soundkragen. S-Ray heisst das Teil, das Samsung an der CES 2018 präsentiert hatte. Bei Samsungs Kragen soll der Ton noch direkter als beim SoundWear aufs Ohr ausgerichtet werden. Das wäre ein klarer Vorteil. Beim SoundWear sind die Boxen zwar auch aufs Ohr ausgerichtet, aber es wird dennoch zuviel Ton an die Umgebung abgestrahlt.
Fazit: Im spezifischen Anwendungsfall gut
Ich selbst würde mir den SoundWear nicht kaufen. Das Teil ist gut, keine Frage, aber mir ist der Verwendungszweck zu eingeschränkt. Für den recht hohen Preis des SoundWears gibt’s zu wenig Möglichkeiten, wo ich den SoundWear wirklich brauche. Mit einem Kopfhörer geht Musikhören in fast allen Situationen. Holst du dir den SoundWear wirst du höchstwahrscheinlich dennoch einen Kopfhörer brauchen.
Wenn du oft kochst und dabei keine Kopfhörer tragen willst oder du gerne Filme mit gutem Sound schaust, dabei aber weder Kopfhörer tragen noch deine Mitmenschen mit deinem Sound stressen willst, dann kann ich dir den SoundWear aber guten Gewissens empfehlen.
Für die Anwendungszwecke, in denen der SoundWear passt, ist er gut. Die Soundqualität stimmt, die Verarbeitung ist durchdacht. Mag der Lautsprecher noch so kurios sein, er erfüllt seinen Zweck, wenn du denn diesen spezifischen Zweck hast.
Experimentieren und Neues entdecken gehört zu meinen Leidenschaften. Manchmal läuft dabei etwas nicht wie es soll und im schlimmsten Fall geht etwas kaputt. Ansonsten bin ich seriensüchtig und kann deshalb nicht mehr auf Netflix verzichten. Im Sommer findet man mich aber draussen an der Sonne – am See oder an einem Musikfestival.