

Benebelt fotografieren

Wenn ein Fotograf dem anderen «gut Licht» wünscht, denkt er wohl nicht an Nebel. Doch manchmal lohnt es sich, auch bei vermeintlich miesen Lichtverhältnissen unterwegs zu sein. Im Nebel gelingen Aufnahmen mit einer besonderen Stimmung.
Früher dachte ich, Nebel sei so ungefähr die schlechteste Lichtsituation zum Fotografieren. Dann beobachtete ich, wie viele Leute versesssen auf Nebelbilder sind und probierte die Sache mal selbst aus. Und kam zum Schluss: Nebel gibt viel mehr her, als ich gedacht hätte.
Natürlich gibt es da einen Unterschied zwischen Nebel und Hochnebel. Unter der winterlichen Hochnebeldecke sind die Lichtverhältnisse tatsächlich uninteressant. Der einzige Vorteil von Hochnebel ist, dass keine harten Kontraste entstehen und bei Porträts garantiert niemand geblendet wird. Grossartig ist aber natürlich, über den Hochnebel zu steigen und aufs Nebelmeer zu fotografieren:

Gründe für Nebelfotos
Hier befasse ich mich nicht mit Hochnebel, sondern mit Bodennebel, der um uns herumschleicht. Der morgens im Herbst das Land überzieht, sich nach einigen Stunden auflöst und der Sonne Platz macht.Der Hauptgrund, mit der Kamera im Nebel herumzuschleichen, ist natürlich die sehr spezielle Stimmung, die du einfängst. Ein Mann, der in der Ferne auftaucht - unheimlich. Nebel rund um ein Schloss - märchenhaft. Düstere Nebelschwaden im Gebirge - bedrohlich.

Natürliche Tiefenunschärfe
Beim Fotografieren ist ja eine geringe Tiefenschärfe oft erwünscht, weil das die Bildkomposition klarer macht. Nur das Hauptmotiv ist scharf, der Rest verschwommen. Was du unter normalen Umständen nur mit grossen Kameras und lichtstarken Objektiven erreichst (und neuerdings mit einigen Spitzen-Smartphones), liefert dir der Nebel gratis mit. Natürlich ist der Effekt nicht ganz derselbe, aber der Hintergrund verschwimmt ebenfalls, nur noch das Motiv im Vordergrund ist deutlich zu erkennen.

Wo Nebel ist, ist auch Tau
Nebel bringt viel Morgentau, auffällig zum Beispiel an Spinnennetzen. Wenn die Sonne (noch) nicht scheint, kann die Kamera die Tropfen viel besser abbilden. Im Sonnenlicht sehen sie zwar für das menschliche Auge besser aus, aber die Kamera hat Mühe mit den extrem harten Kontrasten, die durch die spiegelnde Sonne entstehen.

Tolle Bilder gibts auch bei Insekten, auf denen sich Tau festgesetzt hat. Für Taubilder ist ein Makro-Objektiv ein grosser Vorteil, manchmal ein Muss. Wir haben «zufällig» einige Dutzend Marko-Objektive im Shop.
Gegenlichtaufnahmen gelingen besser
Digitalkameras können wie gesagt harte Kontraste schlecht bewältigen. Darum bekommst du meist nichts als schwarze Silhouetten, wenn du gegen das Licht fotografierst. Im Nebel ist das Licht gedämpft, so dass Gegenlichtaufnahmen besser gelingen.

Einige Tipps
Richtig belichten
Die Belichtungsautomatik liefert im Nebel oft zu dunkle Bilder. Dieses Bild habe ich ohne Belichtungskorrektur gemacht:

Danach habe ich sofort die Belichtungsautomatik auf +1.0 EV heraufgeschraubt. Das Resultat war dann schon viel passender:

Es ist allerdings gefährlich, generell mit +1.0 EV unterwegs zu sein. Denn wenn die Kamera die Lichtverhältnisse plötzlich korrekt einschätzt (was jederzeit passieren kann), hast du ein überbelichtetes Bild. Kontrollier daher nach jedem Foto kurz das Histogramm.

Mehr mit der Nachbearbeitung rausholen
Nebelbilder lassen sich recht eindrücklich verändern. In Photoshop Lightroom gibt es den Regler «Klarheit», der hier eine Schlüsselrolle spielt. In Photoshop oder Photoshop Elements erhältst du diesen Regler, wenn du ein Bild als «Camera Raw» öffnest. Das funktioniert auch bei Fotos, die nicht im RAW-Format aufgenommen wurden. Dieses Beispiel zeigt die Bearbeitung einer JPG-Aufnahme mit Camera Raw (Photoshop):




Nebelschwaden - wenn sich der Nebel lichtet
Die interessantesten Stimmungen ergeben sich, wenn sich der Nebel lichtet und einzelne Nebelschwaden erkennbar werden. Es lohnt sich, darauf zu warten.

Oft treten Nebelschwaden an Flussläufen und Seeufern zuerst auf und verschwinden dort auch zuletzt. Natürlich musst du mit den lokalen Verhältnissen vertraut sein, damit du abschätzen kannst, wann und wo sich der Nebel auflöst. Ansonsten frierst du vielleicht stundenlang in der grauen Suppe vor dich hin. Manchmal löst sich der Nebel aber auch dermassen schnell auf, dass man schon vorher am genau richtigen Ort sein muss.
Mir ist das kürzlich passiert: Ich merkte, dass sich der Nebel gleich auflösen wird und fuhr mit dem Velo noch etwa 500 Meter, um eine bessere Perspektive auf den See zu haben. Als ich am gewünschten Ort ankam, war alles schon vorbei, nur noch Sonne. Aber gut: nichts gegen Sonne im goldenen Herbst. Es passt nur nicht zum Thema dieses Artikels.



Durch Interesse an IT und Schreiben bin ich schon früh (2000) im Tech-Journalismus gelandet. Mich interessiert, wie man Technik benutzen kann, ohne selbst benutzt zu werden. Meine Freizeit ver(sch)wende ich am liebsten fürs Musikmachen, wo ich mässiges Talent mit übermässiger Begeisterung kompensiere.