Bluetooth-Audio: Der Teufel steckt im Detail
Es gibt viele tolle Bluetooth-Kopfhörer. Und es werden immer mehr. Und Bluetooth entwickelt sich weiter. Aber aufgepasst: Bluetooth hat seine Tücken: Längst nicht jedes Gerät beherrscht jeden Standard. Worauf musst du achten?
Bluetooth ist das Übertragungsmedium der Wahl, wenn es um einfache drahtlose Musikübertragung geht. Seit Apple den Kopfhörer-Anschluss gestrichen hat, wächst der Markt an Bluetooth-fähigen Ohrhörern und Kopfhörern noch schneller. Kaum eine Marke will sich das Geschäft mit den drahtlosen Geräten entgehen lassen. Renommierte Hersteller wie Sennheiser, Beyerdynamic oder AKG sind mit dabei, auch wenn deren gehobene Kundschaft über Bluetooth die Nase rümpft.
Denn bei HiFi-Liebhabern hat die drahtlose Musikübertragung einen schlechten Ruf. Ist ja auch verständlich: Verlustbehaftet kann nicht so gut wie unkomprimiert sein. Tatsache ist aber: Bluetooth-Kopfhörer verkaufen sich wie geschnitten Brot. So schlecht kann die Audioqualität also nicht sein. Die Frage ist: Gibt es Faktoren, mit denen du die Lage verbessern kannst?
Die Antwort ist wie so oft ein entschiedenes Jein! :)
Für die ganz Eiligen ist das Wichtigste im nächsten Abschnitt erläutert. Wer es noch genauer wissen will, liest danach einfach weiter.
Das musst du wissen
Bluetooth wurde mit folgenden Maximen im Hinterkopf entwickelt:
- geringe Leistungsaufnahme
- geringe Rechenkraft zum kodieren und dekodieren
Durch diese zwei Einschränkungen ist schon erklärt, warum HiFi-Freunde aus Prinzip einen weiten Bogen um Bluetooth machen: Audioqualität war bei der Entwicklung nie oberste Priorität. Beide Einschränkungen führen dazu, dass die Übertragungskapazität (auch Bandbreite genannt) von Bluetooth beschränkt ist. Musik lässt sich nicht unkomprimiert übertragen.
Folgende Gegebenheiten spielen bei der Übertragung von Bluetooth eine Rolle:
- Fähigkeiten und Klasse des Quelle
- Fähigkeiten und Klasse des Empfängers
- Abstand der zwei Geräte zueinander
Was sind das für Fähigkeiten? Gemeint sind die unterstützten Codecs. Nur wenn beide Geräte den gewünschten Algorithmus unterstützen, wird es klappen. Ansonsten wird der kleinste gemeinsame Nenner verwendet.
Ebenfalls wichtig ist die Klasse, die das Gerät unterstützt.
- Klasse 1: max. 100 mW, typisch 100 m Reichweite im Freien und in Gebäuden
- Klasse 2: max. 2.5 mW, entspricht 10 m in Gebäuden und etwa 50 m im Freien
- Klasse 3: max. 1 mW, womit mit Hindernissen etwa 1 Meter überbrückt wird. Im Freien sind bis zu 10 m möglich.
Vertreter der Klasse 1 sind etwa der Sennheiser Momentum 2 Wireless oder der Parrot Zik 3. In der Realität benutzen sie vielleicht drei oder vier mW – einfach ein wenig mehr, als es die Klasse 2 erlaubt. Sie strahlen also nicht ständig die maximal erlaubten 100 mW direkt am Kopf ab.
Zur Klasse 2 gehört der beliebte QC35 von Bose. In unseren Tests trumpfte der QC35 mit erstaunlichen Reichweiten auf, die den Klasse-1-Sennheiser locker schlagen. (Das zuvor gekoppelte Smartphone von Kollege Dimitri Pfluger, 3 Wände und 20 m entfernt, dudelte plötzlich los.)
Klasse 1 und Klasse 2 kannst du folglich als etwa gleichwertig einschätzen. Anders ist es es bei Klasse 3. Vertreter der stromsparenden Klasse 3 sind Ohrhörer mit wenig Platz für den Akku, etwa The Dash von Bragi. Hier musst du typischerweise mit sehr geringen Distanzen und schwacher Laufzeit rechnen.
Smartphones, Notebooks und Dongles beherrschen alle Klassen. Bei der Verbindung bestimmt aber das schwächste Glied. Also der Kopfhörer. Über Fähigkeiten und Klasse musst du Bescheid wissen, denn sie beeinflussen die Qualität der Übertragung.
Der Codec. Es gibt derzeit drei weitverbreitete Algorithmen, um Audiosignale über Bluetooth zu übertragen: SBC, aptX und AAC. Den Standard-Codec SBC müssen alle Geräte beherrschen. aptX ist sehr weit verbreitet und bei Android-Smartphones oft an Bord. Wer ein iOS-Gerät einsetzt, kann nebst SBC nur AAC nutzen, da iOS aptX nicht unterstützt.
Die Bitrate. Sie wird von Sender und Empfänger ständig neu ausgehandelt. SBC beginnt bei einer mittleren Bitrate und versucht, sich heraufzuarbeiten. Der limitierende Faktor ist die Signalstärke, und zwar diejenige des Empfängers. Denn Bluetooth ist ein Zweiwege-Protokoll. Das Gros der Daten fliesst zwar schon von Sender zum Empfänger, doch der muss den Empfang der Datenpakete quittieren. Fehlerhafte Pakete fordert der Empfänger neu an. Der schwächere Sender ist fast immer beim Empfangsgerät, also üblicherweise dem Kopfhörer, zu finden.
Die Bitrate kannst du ein wenig beeinflussen, indem du dich näher an den Sender bewegst oder Hindernisse aus dem Weg räumst. Aus einem Klasse-3-Gerät wird aber niemals ein Klasse-1-Gerät. Dasselbe gilt für Codec: Entweder beide Geräte unterstützen den gewünschten Algorithmus oder eben nicht.
Kriterien für einen bewussten Kauf
Tönt alles kompliziert? Mittlerweile hat sich einiges getan und die Audioqualität ist mehr als ordentlich. Sie ist sogar richtig gut. Und wenn man bedenkt, dass die drahtlosen Dinger meist unterwegs in mehr oder weniger lärmiger Umgebung auf dem Kopf sind: Wer sich nicht über Kopfhörer jenseits der 400-Franken-Klasse Gedanken macht, kauft beim aktuellen Stand der Technik kaum ein schlechtes Gerät, mit dem er oder sie unzufrieden sein wird.
Wenn du das Optimum herausholen möchtest, weiss du nun aber, dass es zwei beeinflussbare Kriterien gibt, auf die du achten solltest: Soll mein Gerät möglichst gut tönen oder möglichst kompakt sein (In-Ear)? Beides gleichzeitig kriegst du derzeit nicht. Optimale Bluetooth-Soundqualität über längere Zeit und einige Meter Distanz bedingt ein Gerät der Klasse 1 oder 2. Beide Geräte sollten denselben höherwertigen Codec sprechen, also AAC oder aptX.
Beispiele für gute Teams:
Apple iPhone 7
32 GB, Black, 4.70", Single SIM, 12 Mpx, 4G
iPhone und Bose QC35: iOS unterstützt SBC und AAC. Der QC35 ist ebenfalls mit SBC und AAC ausgestattet. Im Betrieb werden sich die Geräte automatisch auf AAC einigen.
Samsung Galaxy S7 und der brandneue Sennheiser PXC 550: Das S7 hat aptX an Bord, ebenso wie die Sennheiser-Kopfhörer.
Der Sony MDR-1000X ist erwähnenswert, weil er als einer der wenigen Kopfhörer sowohl AAC als auch aptX beherrscht. Der Audio-Technica ATH-SR5BT beherrscht dieses Kunststück ebenfalls.
Grundlagen
Ursprünglich wurde Bluetooth meist bei Headsets verwendet. Die Hauptanwendung war das verlängerte Telefon: Anrufe entgegennehmen, weiterleiten, telefonieren, aufhängen. Dafür kam das HSP («headset profile») für Audio und das HFP («hands free profile») für die Aktionen zum Einsatz. HSP ist engbandig: Es überträgt nur Frequenzen bis 8 kHz, und das auch noch in Mono. Das ist für Sprachanwendungen mit einem Knopf im Ohr ausreichend – für den Musikgenuss disqualifiziert sich HSP damit. Trotz der Einschränkungen beherrschen viele aktuelle Kopfhörer HSP und HFP, nämlich wenn sie ein Mikrofon eingebaut haben und man mit ihnen auch telefonieren kann: Sprachanrufe gehen immer per HSP an die Gegenstelle, meist ein Smartphone.
Für Musik interessiert uns vor allem das A2DP («Advanced Audio Distribution Profile»). A2DP definiert die Regeln, die für Musikwiedergabe in hoher Qualität relevant sind. Dafür beherrscht A2DP den Audiotransport nur in eine Richtung. Die Bandbreite liegt seit Bluetooth 2.0/2.1 bei 706,25 kbit/s. Mit dem Zusatz EDR («Enhanced Data Rate») wird die Bitrate mit 2,1 Mbit/s verdreifacht. Alle aktuellen Kopfhörer beherrschen EDR.
Die Profile setzen aber nur die Spielregeln für die beteiligten Geräte fest. Entscheidend für die Audioqualität ist wie oben erwähnt der verwendete Audio-Codec und vor allem: die verfügbare Bitrate. Die ist in der Praxis oft deutlich unter dem theoretischen Maximum, denn in der realen Welt gibt es Hindernisse oder störende Funkquellen.
Codecs
SBC
SBC ist das Standardprotokoll für Bluetooth. Jedes Gerät, das A2DP nutzt, muss diesen Codec kennen. SBC beherrscht Bitraten bis zu 345 kbit/s (CD-Audio unkomprimiert entspricht 44'000 Samples × 2 Kanäle × 16 Bit = rund 1400 kbit/s). Bei hohen Bitraten liefert SBC sehr gute Soundqualität. Bei schwachen Empfängern (In-Ear), Hindernissen oder steigender Entfernung fällt die Bitrate allerdings ab. Das Schlimmste daran: die aktuelle Bitrate wird dir auf Smartphones nirgends mitgeteilt.
Der SBC-Algorithmus ist relativ simpel gestrickt. Er ist ziemlich anspruchslos bei der Rechenkapazität, die für Kodierung oder Dekodierung notwendig ist. Damit hat er die ursprünglichen Ziele (Genügsamkeit und Sparsamkeit) gut erfüllt. In Sachen Effizienz bei der Komprimierung ist er aber einfach zu schlagen. Neue Chipsätze machten genau das möglich, ohne dass der Stromverbrauch in die Höhe schoss.
In der Praxis ist dies der Hauptgrund, weshalb heutzutage die effizienteren Algorithmen von aptX und AAC zum Einsatz kommen und bevorzugt werden.
aptX
aptX ist ein proprietäres Protokoll. Wer es nutzt, muss Lizenzgebühren bezahlen. Gestartet ist aptX als Uni-Spinoff. Im Jahr 2010 wurde es von CSR übernommen und recht erfolgreich vermarktet. Seit Ende 2015 gehört CSR der Firma Qualcomm. Qualcomm liefert die Prozessoren (Snapdragon) und Mobilchips für viele Android-Handys. Deshalb ist aptX auf vielen Android-Smartphones zu finden. Eine Liste findest du hier.
Der Codec arbeitet mit einer fixen Bitrate von 354 kbit/s. Das ist zwar unflexibel, allerdings für den Benutzer nicht nur schlecht: Es gibt nur sehr gute Audioqualität oder gar keine. Dazwischen gibt es nichts. Die für aptX erforderliche Bitrate benötigt damit obligatorisch den Bluetooth-Zusatz EDR («Enhanced Data Rate»). aptX verspricht «CD-like»-Übertragung.
aptX HD
aptX HD wurde Anfang 2016 vorgestellt. Es löst die Dynamik mit 24 Bit auf und hat eine Abtastrate von 48 kHz. Das reicht Qualcomm, um zu behaupten, aptX HD sei der CD überlegen. (Ob mehr als 16 Bit und mehr als 44,1 kHz überhaupt sinnvoll sind, klären wir in einem späteren Beitrag.) aptX HD benötigt eine fixe Bandbreite von 576 kbit/s. Geräte mit aptX HD sind noch rar gesät. Bei den Smartphones beherrscht das LG G5 und das LG V20 aptx HD. Bei den Kopfhöreren gibt es den LG Tone Platinum.
AAC
AAC ist ebenfalls ein komprimierendes Format. Entwickelt wurde es von der Motion Picture Experts Group (MPEG), die auch die Hoheit über den MP3-Standard hat. AAC war von der MPEG als Nachfolger von MP3 konzipiert. Wer hätte schon gedacht, dass MP3 ein so langes Leben führt? AAC ist MP3 in jeder Hinsicht überlegen: Akzeptable Audioqualität gibt es ab 96 kbit/s, ab 128 kbit/s kann es von vielen nicht mehr von der CD unterschieden werden. Der grosse Vorteil von AAC gegenüber MP3 ist, dass AAC mehrkanalfähig ist, es unterstützt bis zu 48 Kanäle.
AAC ist der Standard-Codec von YouTube und auf Apple-Geräten dominant, insgesamt ist es aber etwas weniger verbreitet als aptX.
Und warum kein MP3?
Das Protokoll A2DP ist prinzipiell agnostisch, was den Codec angeht. Theoretisch wäre es kein Problem, das vorherrschende Format MP3 einfach weiterzureichen. Die Bitraten würden locker ausreichen. Der bluez-Stack von Linux wäre zum Beispiel auf MP3 vorbereitet. Leider hat es nie jemand auf der Empfängerseite umgesetzt. Es wird auch nicht mehr passieren, nicht zuletzt wegen der fehlenden Mehrkanal-Fähigkeiten und der unterlegenen Effizienz. Eigentlich schade, läuft doch im April 2017 das allerletzte MP3-Patent aus.
Sony und LDAC
Sony hat als einer der wenigen Hersteller die Chance genutzt und mit LDAC einen eigenen Bluetooth-Codec entwickelt und in seine Produkte integriert. Der oben erwähnte MDR-1000X kann nicht nur aptX und AAC, sondern obendrein noch LDAC. Zusammen mit einem Xperia-Smartphone ist man dabei nahe am technischen Maximum bei der Übertragung.
Samsung und UHQ BT
Auch Samsung hat eine proprietäre Übertragung namens UHQ BT entwickelt. Kompatible Kopfhörer wie der Level On EO-PN920 können im Zusammenspiel mit einem Galaxy-Smartphone Audio in 24 Bit bei 96 kHz übertragen. Das ist ein Novum für Bluetooth.
Das eigentliche Problem: doppelte Komprimierung
Das grösste Problem beim Einsatz von Bluetooth-Audio ist, dass die Audio-Signale in aller Regel zwei Mal komprimiert werden: Auf dem Smartphone liegt das Quellmaterial meist in Form von AAC- oder MP3-Dateien vor. Diese werden vor dem Transport über Bluetooth dekomprimiert und durch den DSP (Digitaler Signalprozessor) gejagt – nur um sie dann nochmals in SBC, AAC oder aptX zu kodieren. Das Endgerät dekodiert sie und schickt sie über den Digital-Analog-Wandler (DAC) an den Schallwandler.
Doppelte Komprimierung ist bescheuert: Das ist wie wenn man eine Seite einscannt, druckt, den Ausdruck nochmals einscannt und ausdruckt. Das Resultat muss zwingend schlechter sein als das das Original. Die Frage ist nur, wie viel schlechter. Man kann nur versuchen, mit besseren Codecs den Verlust in Grenzen zu halten. Aus diesem Grund macht es durchaus Sinn, wenn man bei der Quelle auf sehr hohe Bitraten oder Lossless-Material setzt.
Optimal wäre, wenn ein Passthrough-Modus die Daten unverarbeitet weiterreichen würde, wenn sie zB schon im passenden Format in einer kompatiblen Bitrate vorlägen. Der Traum für Audiophile wäre der unangetastete Transport einer Lossless-Quelle.
Verstärker und DAC sind nun im Endgerät
Ein wichtiger, prinzipieller Unterschied zu kabelgebundenen Kopf- und Ohrhörern ist die Tatsache, dass die Signale nun im Endgerät selbst dekodiert werden (müssen). Das bedingt, dass im Kopfhörer der Verstärker und der Digital-Analog-Wandler (DAC) enthalten sind. Das ist sowohl ein Fluch als auch ein Segen. Ein Fluch deshalb, weil Audiophile nicht selten hunderte bis tausende Franken allein in dieses Stück Technik investieren. Die Preise sind nach oben offen. Dieses schnucklige Teil ist geradezu ein Schnäppchen.
Und warum soll das bitteschön ein Segen sein? Weil bei Bluetooth-Kopfhörern die Quelle meist ein Smartphone ist, das Verstärker und DAC stellen muss. Viele Smartphone-Hersteller beherrschen ihr Geschäft und liefern am Audio-Ausgang exzellente Messwerte ab. Dennoch traue ich persönlich Firmen wie AKG, Sennheiser oder Beyerdynamic eher zu, bei diesen Bauteilen keine Kompromisse einzugehen. Ausserdem ist die Situation die, dass nun der Hersteller des Endgeräts Kontrolle über die ganze Kette DAC → Verstärker → Wiedergabe hat. Das kann auch ein Vorteil sein.
Ausblick: Bluetooth 5.0
Eine deutliche Verbesserung ist mit Bluetooth 5.0 zu erwarten. Es wurde im Dezember 2016 verabschiedet. Bluetooth 5.0 verspricht vierfache Reichweite und doppelte Geschwindigkeit. Dabei ist allerdings Vorsicht geboten: Wie üblich werden dabei sehr schlechte Werte der Vorgängerversionen mit Maximalraten von Bluetooth 5.0 verglichen. Relevant sind folgende Spezifikationen: Bluetooth 4.x + EDR beherrschte rund 2 MBit/s (theoretisches Maximum). Bluetooth 5 + EDR ist mit rund 3 MBit/s also nur rund 50% schneller (Quelle: Bluetooth 5.0-Spezifikation, S. 86).
Insbesondere In-Ears werden von der deutlich erhöhten Reichweite von Bluetooth 5.0 enorm profitieren. Und es macht mit 3 MBit/s die Tür für neue, noch bessere Codecs weit auf. Man müsste nur wollen. Erste Geräte mit Bluetooth-5.0-Unterstützung dürften noch im Frühjahr 2017 gesichtet werden. Auch hier gilt, dass beide Endgeräte den neuen Standard unterstützen müssen. Kollege Dominik Bärlocher zeigt dir die Möglichkeiten mit Bluetooth 5.0 demnächst ausführlicher auf.
Wie finde ich heraus, welcher Codec benutzt wird?
Bei der Recherche zu diesem Artikel habe ich unzählige Seiten konsultiert. Ein guter Teil des Misstrauens gegenüber Bluetooth kommt aus den Anfängen mit HSP – Bluetooth-Audio wurde mit blechernem Klang assoziiert. Betriebssystemhersteller leisteten sich immer wieder Patzer, seien es Ausfälle, wenn man eine Bluetooth-Maus angeschlossen hat oder fragwürdige Default-Einstellungen.
Nicht besser macht das Ganze die Intransparenz, mit welchem Codec und mit welcher Bitrate gerade gesendet wird. Es ist, wie wenn man auf dem Smartphone nicht sehen würde, ob man gerade Edge, 3G oder LTE nutzt und in welcher Stärke.
MacOS Sierra
Verbinde den Kopfhörer mit deinem Mac. Halte die Optionstaste ⌥ gedrückt und klicke in der Menüleiste oben auf das Bluetooth-Icon. Wenn du dann mit der Maus über das verbundene Gerät fährst, siehst du, welcher Codec gerade verwendet wird.
Noch mehr Möglichkeiten hast du, wenn du – einen entsprechenden Account vorausgesetzt – im Developer-Center von Apple die Software «Hardware IO Tools for Xcode» herunterlädst. Darin enthalten ist der «Bluetooth Explorer». Damit kannst du nicht nur untersuchen, welcher Codec in welcher Bitrate gerade verwendet wird. Du kannst auch verschiedene Codecs und spezifische Bitraten erzwingen. Leider geht das nicht «on-the-fly», sondern erfordert ein Neuverbinden der Geräte.
Windows 10
Auf Windows kann die Situation nur als jämmerlich bezeichnet werden. Standardmässig wird bei Windows 10 angeblich die maximal mögliche Bitrate gesetzt. Weitere Einstellungsmöglichkeiten: Fehlanzeige. Wer es sich antun will, ersetzt den Windows-eigenen Bluetooth-Stack durch einen von Drittanbietern. Diese Software wird meist zusammen mit Bluetooth-Dongles zur Verfügung gestellt, funktioniert aber mit Tricks oft auch mit integrierter Hardware und erlaubt mehr Einstellungsmöglichkeiten. Auf Reddit ist gerade eine Belohnung ausgeschrieben für denjenige Person, die einen Hack für den Windows-Stack findet.
iOS
Auf iPhones gibt es keine Möglichkeit herauszufinden, welcher Codec aktiv ist und welche Bitrate verwendet wird.
Android
Auf Android ist die Lage uneinheitlich. Einige Hersteller wie Sony sind auskunftsfreudig, was den Codec angeht. Oft gibt es aber keine praktikable Möglichkeit herauszufinden, welcher Codec in welcher Bitrate gerade verwendet wird. Nerds schneiden auf Cyanogenmod den Bluetooth-Traffic mit und analysieren ihn dann auf dem PC mit Wireshark. Viel Spass!
Und, hört man einen Unterschied?!
Nachdem du jetzt vollgetextet worden bist, fragst du dich vielleicht: Schön und gut – aber brauche ich denn jetzt aptX? Oder ist das alles nur graue Theorie?
In der Praxis wird SBC bei maximaler Bitrate mit MP3 bei 192 kbit/s verglichen. Das ist mehr als anständige Audioqualität und macht es ungeübten Ohren sehr schwer, die komprimierte Version vom Original zu unterscheiden. Noch schwieriger ist es bei den HiFi-tauglicheren Codecs AAC und aptX.
In einem Nachfolgeartikel testen wir verschiedene Bitraten von SBC und machen im Blindtest einen Vergleich zwischen SBC und aptX. Stay tuned!
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Ich bändige das Editorial Team. Hauptberuflicher Schreiberling, nebenberuflicher Papa. Mich interessieren Technik, Computer und HiFi. Ich fahre bei jedem Wetter Velo und bin meistens gut gelaunt.