Bumerang-Hunger: Warum dich manche Lebensmittel nicht wirklich satt machen
Hintergrund

Bumerang-Hunger: Warum dich manche Lebensmittel nicht wirklich satt machen

Da hast du dir mittags Vor- und Hauptspeise einverleibt und vielleicht sogar noch ein Dessert – und weit vor der Teestunde knurrt schon wieder dein Magen. Warum manche Lebensmittel und Inhaltsstoffe den Hunger zurückkehren lassen wie ein Bumerang? Steht hier. Und auch, was die besten Sattmacher sind.

Beschleicht dich auch manchmal der Verdacht, dass es nicht nur im Weltall ein schwarzes Loch gibt – sondern auch dort, wo eigentlich dein Magen sitzt? Willkommen im Club der «Ich kann gar nicht so viel essen, wie ich hungrig bin»-Menschen.

Was dahintersteckt? Nach einer Studie des King’s College London knurrt jeder dritten Person schon bald nach dem Essen erneut der Magen, weil sie zu den so genannten «Big Dippers» gehören: Ihr Blutzuckerspiegel fällt circa zwei Stunden nach der Mahlzeit überdurchschnittlich stark ab. Das lässt sie dann früher wieder zum Kühlschrank pilgern als die «Little Dippers» – und auch häufiger.

Schon wieder hungrig: Das können die Ursachen für Bumerang-Hunger sein

Aber es gibt auch noch andere Faktoren, die dafür sorgen können, dass der Hunger selbst nach einem ausgiebigen Menü wie ein Bumerang zurückkommt – und dies unabhängig davon, ob du zu den «Big-» oder den «Little Dippers» gehörst. Die Liste ist lang und beinhaltet außer Schwangerschaft unter anderem Schlafmangel, Stress oder exzessiven Sport. Und auch wer zu schnell isst oder beim Essen abgelenkt ist, muss sich nicht wundern, dass die Sättigung nicht eintritt oder aber lange anhält.

Aber auf der Liste steht noch ein Punkt: die Nährstoffzusammensetzung der Mahlzeiten. «Denn ja, es gibt tatsächlich Essen, das uns nicht lange satt hält oder sogar erst recht hungrig macht», so Prof. Louis J. Aronne, Stoffwechselexperte, Bestsellerautor von Abnehmratgebern und ehemaliger Präsident von The Obesity Society.

Kalorie ist nicht gleich Kalorie

Eine Kalorie ist eine Kalorie ist eine Kalorie? Stimmt. «Doch für die Sättigung und deren Dauer macht es einen großen Unterschied, in welchem Lebensmittel sie steckt», so Prof. Aronne. «Schließlich werden unterschiedliche Nährstoffe hormonell unterschiedlich im Stoffwechsel gesteuert und auch der Verarbeitungsgrad und die Resorptionsgeschwindigkeit haben unterschiedliche hormonelle Reaktionen zur Folge.»

So lösen laut dem Experten zum Beispiel Mahlzeiten mit einem höheren Anteil an Eiweiß in der Regel ein stärkeres Sättigungsgefühl aus als Speisen, die mehr Kohlenhydraten oder Fett beinhalten – selbst wenn die Kalorienzahl auf den Tellern ähnlich ist. «Zahlreiche Studienhaben gezeigt: Proteinreiche Mahlzeiten regen die Ausschüttung von Sättigungshormonen wie etwa Glucagon-like Peptide-1 (GLP-1) besser an.»

Gleiches gilt für Ballaststoffe, also die überwiegend unverdaulichen Nahrungsbestandteile vor allem aus pflanzlicher Nahrung. Der Grund: «Ballaststoffe sind eine Art von Kohlenhydraten, die länger brauchen, um verdaut zu werden; so können sie die Entleerung des Magens verlangsamen. Und wenn sie im unteren Verdauungstrakt verdaut werden, fördern sie ebenfalls die Freisetzung von appetitzügelnden Hormonen wie GLP-1.»

Länger satt: Diese Lebensmittel solltest du bevorzugen

Wenn du nach einer Mahlzeit bald wieder Hunger verspürst, liegt das auch daran, dass deine Mahlzeiten wohl eher protein- und ballaststoffarm war. Ein Manko, das sich beheben lässt, wenn du eiweißreiche Lebensmittel wie etwa Eier, Garnelen, Thunfisch oder Hühnerbrust in deine Ernährung integrierst und Ballaststoffreiches wie Obst, Gemüse, Nüsse, Samen und Körner.

«Ein Omelette mit Gemüse auf Vollkornbrot am Morgen hält also länger satt als ein Marmeladenweizentoast. Netter Nebeneffekt für alle, die auf Gewicht achten müssen: Durchschnittlich nimmt man dann zum Lunch auch 140 Kalorien weniger zu sich», so Aronne.

Auch diese Lebensmittel und Nährstoffe melden laut Experte Aronne dem Gehirn für längere Zeit «Satt» – und vermeiden so Bumerang-Hunger:

Grünes Blattgemüse: Spinat, Radicchio oder Römersalat sind reich an Vitamin K, das den Insulinspiegel reguliert.

Schwarzer Tee: Kaffee nach dem Essen? Greif nach einem kohlehydratreichen Menü lieber zur Teetasse. Die Polyphenole im Schwarztee senken den Blutzuckerspiegel um zehn Prozent – und das bis zur nächsten Zwischenmahlzeit.

Stilles Wasser: Dehydration und Durst tarnen sich oft als Hunger. Hast du also erst kürzlich gegessen und hast noch immer Appetit, greif zum Wasserglas.

Achtung Sättigungsresistenz: Diese Inhaltsstoffe vermeiden

Es gibt auch einige Inhaltsstoffe, um die du als «Nimmersatt» besser einen Bogen machst. Dazu zählen solche, die eine Art «Sättigungsresistenz» und damit Bumerang-Hunger hervorrufen können. Laut Prof. Aronne sind das zum Beispiel folgende:

Fruktose

Fruktose hat dieselbe Energiedichte wie Glukose (auch wenn man aufgrund der doppelten Süßkraft davon oft weniger braucht), sie führt aber zu einer geringeren Insulinausschüttung. Problematisch, denn Insulin signalisiert dem Gehirn Sättigung, erklärt der Experte. Und es kommt noch dicker: Der Fruchtzucker soll die Esslust sogar noch weiter steigern – selbst, wenn du eigentlich schon satt bist. Noch dazu wird Fruktose ohne Umwege in Fett umgewandelt und in den Fettdepots gespeichert und verhindert die Fettverbrennung bei gleichzeitig vermehrtem Fettaufbau.

Frische Früchte musst du deshalb aber nicht meiden. «Es geht vielmehr um industriell verarbeitete Lebensmittel, die mit sirupartigen Fruchtzuckerzubereitungen gesüßt werden und für zwei Drittel des jährlichen Fruktosekonsums verantwortlich sind, wie Fruchtdrinks, Limonaden, Milch-Mixgetränke, Fruchtjoghurts, Cornflakes...»

Süßstoff

«Süßstoffe sind leere Moleküle, die dem Gehirn nur vorgaukeln, es werde mit Zucker versorgt. Fliegt der ,Schwindel‘ auf, ist das Gehirn enttäuscht und fordert trotzig jene Energie ein, auf die es sich schon eingestellt hatte», so der Experte. Schließlich will dein Körper sich nicht umsonst die Mühe gemacht haben, alles für das Abspeichern von Energie in den Fettdepots vorbereitet zu haben. Sprich: Er fordert nun neuen, echten Brennstoff – und lässt den Magen knurren, obwohl er doch erst versorgt wurde.

Am besten vermeidest du ganz, dass Süßstoffe – die sich gern in Light-Produkten tummeln – das ausgeklügelte Versorgungssystem des Gehirns stören. Gib ihm einfach gleich etwas «Richtiges», wenn er nach Süßem verlangt. Es muss ja kein Schokoriegel sein. Eine Banane etwa sorgt auch für süßes Glück.

Alkohol

Ein Glas Sekt als Aperitif, ein Bier zum Steak und dann noch ein Verdauungsschnaps – wer das einen Monat durchzieht, sollte schon mal vorsorglich die Waage verstecken. Alkohol hat nicht nur eine ganze Menge Kalorien. (Hoch-)Prozentiges sorgt auch gleich noch für Appetit: «Es regt die Magensäure-Produktion an und kreiert den allseits bekannten Heißhunger. Denn nachdem der Körper mit heftiger Insulinausschüttung auf den Zucker im Alkohol reagiert hat, bleibt am Ende nur noch ein Blutzuckertief, das das Gehirn schnellstmöglich durch Nahrungsaufnahme beenden möchte», so Aronne.

Blöderweise ist die Leber im selben Moment dann auch noch damit beschäftigt, das Gift abzubauen. «Und dafür unterbricht der Körper die Fettverbrennung.»

Palmitinsäure

Auch bei besonders schmackhaftem, fettem Essen – Stichwort: Fast Food – kann das Senden von Sättigungssignalen ausgehebelt werden. «Bestimmte Nahrungsbestandteile verändern den gesamten Gehirnstoffwechsel sehr rasch und machen ihn resistent gegenüber den Hormonen Insulin und Leptin, die eigentlich ein Signal für Sättigung auslösen sollen», erklärt Aronne. In Versuchen mit Nagern hielt die Blockade durch fettreiches Essen sogar drei Tage lang an. «Und auch bei Menschen wurde beobachtet, dass Völlerei Völlerei nach sich zieht, weil sie mehr Appetit hatten.»

Insbesondere eine bestimmte gesättigte Fettsäure, die Palmitinsäure, wirkt laut dem Experten hemmend auf die Appetitregulierung. Sie ist etwa in Rindfleisch und Milchprodukten enthalten. Ungesättigte Fettsäuren, wie sie in Oliven- und Traubenkernöl vorkommen, haben dagegen keinen Einfluss auf das Essverhalten.

Auf Ursachenforschung

Wer sich an alle Ernährungstipps hält und dennoch mit Heiß- und Bumerang-Hunger zu kämpfen hat, muss irgendwo anders als auf dem Teller nach den Ursachen forschen. Ein paar Anhaltspunkte hast du oben schon bekommen – von einer Schwangerschaft bis hin zur Medikamenten-Einnahme.

Ganz oft, so Prof. Aronnes Feststellung, liegen die Ursachen dafür, dass sich kein Sättigungsgefühl einstellt, aber außerhalb des Körpers: «In unserer heutigen überfordernden Zeit sind viele schlichtweg so abgelenkt, dass sie gar nicht mehr wahrnehmen, ob sie hungrig oder satt sind und dann aus Gewohnheit, weil halt gerade Mittagspause ist, etwas essen.»

Und nicht unterschätzen sollte man laut des Experten auch psychologische Ursachen. Ständiger Hunger, obwohl man gerade etwas gegessen hat, könne auch ein Zeichen dafür sein, dass man ein ganz anderes ,Loch‘ zu füllen versucht und eben aus emotionalen Gründen isst.

Titelfoto: shutterstock

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Daniela Schuster
Autorin von customize mediahouse

Gäbe es meinen Job nicht, würde ich ihn erfinden wollen. Schreiben ist die Möglichkeit, ein paar Leben parallel zu führen. Heute stehe ich mit einer Wissenschaftlerin im Labor, morgen gehe ich mit einem Forscher auf Südpolexpedition. Täglich entdecke ich die Welt, erfahre Neues und treffe spannende Menschen. Aber nur kein Neid: Das Gleiche gilt fürs Lesen!

Customize mediahouse hinterfragt den Sinn und Nutzen für den Kunden: Wir inspirieren Menschen mit emotionalem Content, der es wert ist, konsumiert und geteilt zu werden.
 


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