Colmi Smartring
12, Gold
Beim günstigen Smart Ring von Colmi überraschen im Test Akkulaufzeit und Basic-Tracking positiv. Es gibt aber auch deutliche Schwachpunkte.
300 bis über 400 Franken oder Euro kosten die smarten Ringe von RingConn, Ultrahuman, Oura oder Samsung. Ganz schön viel Geld für eine fingerbreite Technik. Doch es geht auch günstiger: Der R02 Smart Ring von Colmi in unserem Shop kostet je nach Version nur knapp 40 Franken oder Euro. Ich habe ihn für den Test bestellt – war aber ehrlich gesagt ziemlich skeptisch.
Beim Auspacken scheinen sich alle Vorurteile zu bestätigen: Geliefert wird der Ring in einer kleinen Kartonbox. Die Verpackung ist einfach und wirkt nicht besonders hochwertig. Ich erhalte auch keine schöne Ladestation oder gar ein Case, sondern nur den Ring, die Anleitung und ein Kabel.
Die erste Enttäuschung: Fürs Charging musst du das Kabel an einen kleinen Ladepunkt im Innern des Ringes andocken. Das klappt zwar magnetisch, ist aber nicht besonders elegant. Ein rotes Licht zeigt an, dass die Stromversorgung läuft. Leuchtet die LED grün, ist der Ring voll geladen. Die kleinen Ladestationen der Konkurrenz oder die Ladecases mit Akku sind sehr deutlich eleganter.
Nun also anprobieren: Ich habe Glück, die bestellte Grösse 12 passt mir gut an den Mittelfinger, dort, wo ich den Ring tragen wollte. Ein Sizing-Kit, um die passende Grösse zu bestimmen, gibt's bei Colmi nicht. Die Auswahl ist auch eingeschränkt: Bei uns findest du derzeit nur die Grössen 8, 10 und 12 in Gold sowie 8, 10 und 11 in Schwarz. In anderen Ländern ist die Auswahl etwas grösser, aber neun Grössen wie bei Ultrahuman oder RingConn gibt es nirgends. Vor allem: Wer dünne Finger hat oder den Ring am Ringfinger oder gar am kleinen Finger tragen will, wird mit Mindestgrösse 8, also einem Durchmesser von rund 18,5 Millimetern, nicht glücklich.
Woraus besteht der Colmi-Ring? Der Hersteller weiss es wohl auch nicht so genau: Edelstahl oder gar Titanstahl – beides ist auf der Webseite und im offiziellen Shop zu lesen. Für mich wirkt der Ring wie Kunststoff mit einer glänzenden Legierung. Wie billiger Modeschmuck. Die Konkurrenz ist da deutlich hochwertiger.
Immerhin: Der Colmi-Ring hat auch nach zwei Wochen im Alltagseinsatz noch keinen Kratzer. Das Material scheint stabil und beständig zu sein. Wasserfest ist er auf jeden Fall: Ich habe mit dem Ring ohne Probleme die Hände gewaschen oder geduscht.
Im Test folgt dann die erste positive Überraschung. Die Batterie hält und hält, der Ring läuft und läuft. Mit einer Woche Akkulaufzeit kann der Colmi mit den fünfmal so teuren Konkurrenten locker mithalten. Das ist beeindruckend. Den smarten Tracker für den Finger von 20 auf 100 Prozent zu laden, dauert 80 Minuten. Das ist eine gute Ladegeschwindigkeit.
Allerdings bin ich dann auch ziemlich überrascht, als der Ring plötzlich keinen Strom mehr hat. Ich habe keine Benachrichtigung erhalten. Das liegt an der seltenen Kommunikation zwischen App und Ring – dazu später mehr. Es lohnt sich also, den Akkustand nach vier oder fünf Tagen selbst zu überprüfen.
Zur Synchronisation nutzt der R02 Smart Ring die «QRing»-App, die du für Android-Geräte, aber auch fürs iPhone findest. Du musst einen Account erstellen und deine Daten werden auch in der Cloud gespeichert. Wo genau und bei welcher Firma – das wird nicht einmal in der Datenschutzerklärung klar, die auf Stand Dezember 2020 ist.
Die App selber hat die Shenzhen Qingcheng Wireless Technology Co., Ltd. publiziert, die Daten dürften also in China landen. Ob das so in Ordnung ist, muss jede und jeder selbst für sich entscheiden.
Bei der Synchronisation merke ich auch, wie der Ring Strom spart. Er verbindet sich nämlich immer nur mit der App, wenn ich sie öffne. Und dann dauert es jeweils eine gefühlte Ewigkeit, bis sich die Geräte verbunden haben und alle Daten übertragen sind. Ich habe es einmal gemessen, da waren es 15 Sekunden.
Das bedeutet auch, dass ich nur eine Batteriewarnung bekomme, wenn ich die App mit niedrigem Akkustand öffne. Sonst gibt es gar keine Benachrichtigungen. Das kann je nach eigenen Bedürfnissen auch ein Vorteil sein; ich mag es aber durchaus, wenn sich eine Tracking-App beispielsweise mit einem Schritt-Zwischenstand meldet.
Die App selber ist grafisch nicht besonders aufregend, aber übersichtlich gestaltet. Du findest hier alle Werte, welche die App trackt: Schritte und Kalorienverbrauch, Schlaf, Puls, Trainingssessions, Blutsauerstoff und Herzfrequenzvariabilität (HFV).
Dann gibt es da noch eine Kategorie mit dem Namen «Druck». Erst bei genauem Hinsehen merke ich, dass es sich um einen Übersetzungsfehler handelt. «Pressure» bedeutet eben auch Belastung oder Stress – und das ist hier gemeint. Solche eher witzigen Fehler begegnen einem in der wohl nur automatisch übersetzten App immer mal wieder. Aus «Goal» wird dann Tor statt Ziel.
Leider wirkt auch sonst die App auch sonst eher lieblos. Klar, ich kann alle Daten ablesen, muss aber auch selbst alles interpretieren. Keine Vorschläge, wie ich den Schlaf verbessern könnte. Keine Motivation, mich mehr zu bewegen. Keine Kombination von Werten zu einem generellen Befindlichkeitslevel.
Schade ist auch, dass die Daten nicht mit anderen Apps wie Google Fit geteilt werden können.
Ich habe auch Zweifel, ob der Ring überhaupt richtig trackt. Ich habe daher mehrmals die Daten von Colmi und meiner Google-Pixel-3-Smartwatch verglichen und kann aber gleich Entwarnung geben: Der Ring scheint in einem ähnlichen Bereich Daten aufzuzeichnen.
Hier zum Beispiel die Bewegungsdaten eines Tages: Der Ring hat 11 974 Schritte und 7,67 Kilometer gemessen, die Smartwatch 11 463 Schritte und 7,75 Kilometer. Bei den Kalorien gibt es einen deutlichen Unterschied. Die Uhr berechnet den Tagesverbrauch an Kalorien – der Mensch hat ja auch im Ruhezustand einen Grundumsatz. Der Colmi-Ring dagegen zeigt nur den zusätzlichen Kalorienverbrauch durch Bewegung an.
Etwas verwirrend ist die Darstellung beim günstigen Ring, wo als grosse Zahl (in diesem Fall 545) immer nur ein Segment des Tages angezeigt wird, statt das Tagestotal. Dieses finde ich weiter unten in kleiner Schrift. Das ergibt keinen Sinn.
Auch bei weiteren Stichproben und auch beim Vergleich des Pulsverlaufs innerhalb eines Tages oder des Blutsauerstoffwerts sind mir keine signifikanten Abweichungen zwischen den zwei Messgeräten aufgefallen. Für den Alltagsgebrauch sollten sie also beide durchaus taugen.
Weniger zufrieden bin ich mit dem Schlaftracking. Zwar erkennt der Ring ähnlich gut wie die Uhr, wann ich ins Bett gehe und wieder aufstehe, dazwischen gibt es dann aber grössere Abweichungen. Was mich am meisten stört: Colmi zeigt die gesamte Dauer im Bett als Schlafdauer an, hier in diesem Fall 7 Stunden und 52 Minuten, während es bei Google die effektive Schlafdauer abzüglich der Wachzeit ist, also 7 Stunden und 10 Minuten.
Zudem wirkt die Messung der Smartwatch viel genauer. Während Colmi nur eineinhalb REM-Schlafphasen erkannt hat, waren es bei Google fünf Phasen. Auch bei leichtem und tiefem Schlaf sind die Werte unterschiedlich.
Was das Vertrauen ins Schlaftracking beim Colmi-Ring dann erschüttert, ist die Bewertung durch die App. Google gibt mit 82 von 100 Punkten einen realistischen Wert an. Der Schlaf war «gut». Obwohl die Werte bei Colmi mit weniger REM- und weniger Tiefschlaf schlechter sind, sagt mir die App hier: 99 Prozent Schlafeffizienz und ein «ausgezeichneter» Schlaf.
Der Colmi Smart Ring überrascht: Zu einem sehr tiefen Preis bekommst du eine lange Akkulaufzeit und ein gutes Tracking von Bewegung, Puls und Blutsauerstoff. Das Schlaftracking hingegen hat im Test nicht überzeugt.
Was auch fehlt, ist die Interpretation der Daten. Du musst selber vergleichen, Veränderungen erkennen und interpretieren. Das ist auch der offensichtliche Unterschied zu den deutlich teureren Konkurrenzmodellen von Oura, Ultrahuman, Samsung oder RingConn. Diese Hersteller investieren viel mehr in die App und die Software, um den Benutzerinnen und Benutzern eben nicht nur nackte Daten zu präsentieren.
Der Colmi-Ring eignet sich daher für alle, die keine Smartwatch nutzen, aber trotzdem das eigene Bewegungslevel verfolgen möchten. Sozusagen ein Schrittzähler für den Finger, der noch ein bisschen mehr kann.
Pro
Contra
Gadgets sind meine Passion – egal ob man sie für Homeoffice, Haushalt, Smart Home, Sport oder Vergnügen braucht. Oder natürlich auch fürs grosse Hobby neben der Familie, nämlich fürs Angeln.