Darum sind gute Tafelmesser im Geschirrspüler in Gefahr
Es ist bequem, dein Besteck in der Spülmaschine zu reinigen. Bei einem Besuch von Hersteller Sola in Emmenbrücke lerne ich aber, dass das fast Frevel ist. Bei der Produktion eines Messer ist sehr viel Fachwissen gefragt.
Die Frage, wie man eine Spülmaschine «richtig» befüllt, hat schon so manche Ehe in Gefahr gebracht. Meine zum Glück nicht. Obwohl ich entgegen dem Rat meiner Frau irgendwann begonnen habe, auch die Messer unseres Essbestecks in die Maschine zu räumen, statt sie von Hand zu spülen. «Die sind doch spülmaschinenfest», habe ich selbstbewusst erklärt. Jetzt aber haben die Messer kleine schwarze Flecken und glänzen nicht mehr. Was ist passiert?
Das will ich herausfinden – und lerne auf der Suche nach Antworten viel über Besteck.
Betreffend unserer fleckigen Messer schreibe ich zuerst einmal eine E-Mail mit Fotos des Schadens an Sola, den Schweizer Hersteller unseres Bestecks. Ich bekomme eine überaus freundliche, aber auch sehr klare Antwort: «Diese Flecken sind in der Geschirrmaschine entstanden.» Meine Frau hatte eben doch recht.
Immerhin: Ich bekomme von Sola Ersatz für die Messer, die ich durch eigenes Verschulden ruiniert habe.
Messer sind anders als Gabeln und Löffel
Das akute Problem ist also gelöst. Ich spare mir den Kauf eines neuen kompletten Bestecksets – und schone Ressourcen. Schliesslich sind bis auf die Messer alle anderen Teile noch tadellos. Und für die Zukunft weiss ich, wie ich meine Messer vor bleibenden Schäden schon früh schützen kann.
Es bleiben Fragen offen. Eine lautet: Warum nehmen in der Spülmaschine nur die Messer Schaden? Das liegt daran, dass Messer nicht aus dem gleichen Edelstahl produziert werden wie Löffel und Gabeln. Für Tafelmesser gibt es hauptsächlich zwei Herstellungsverfahren:
Hohlheftmesser: Messer aus zwei Teilen
Diese bestehen aus einer geschmiedeten Klinge aus speziellem Messerstahl sowie dem Griff, dem sogenannten Heft. Es ist also ein zusammengesetztes Esswerkzeug. Die Klingen haben eine hohe Elastizität und bleiben länger scharf. Klingen von Hohlheftmessern können nachgeschliffen werden, sie sind dünner und schneiden deshalb besser. Weil sie aus zwei Teilen bestehen, ist die Herstellung von Hohlheftmessern aufwendiger und teurer.
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Monoblock-Messer
Diese Messer sind aus einem einzigen Stück Chromstahl gestanzt, gehärtet und schliesslich geschliffen. In der Herstellung ist das vergleichsweise günstig. Die Messerklinge kann bei einem Monoblock aufgrund des Materials nicht so dünn geformt werden, schneidet also schlechter.
Der für Monoblock-Messer verwendete Stahl ist in der Regel eine Legierung aus Chrom (18 Prozent) und Stahl (82 Prozent). In Produktbeschreibungen taucht diese Legierung als «Edelstahl 18/10» oder «Chromstahl 18/10» auf. Der Klingenstahl beim Hohlheftmesser dagegen ist häufig speziell gehärteter Messerstahl, oft eine Legierung ohne Nickel. Zum Beispiel «Edelstahl 18/0». Die 0 steht dann für den fehlenden Anteil an Nickel.
Besteckhersteller, die auf Monoblockmesser setzen, nutzen den Vorteil, dass der verwendete Chromstahl weniger empfindlich ist. Für die anderen Besteckteile wird in der Regel Chrom-Nickelstahl verwendet. Hier kommen dann zusätzlich zum Chrom noch zehn Prozent Nickel in die Legierung. Diese lässt sich dann nicht härten, kann also nur für nicht-schneidende Teile wie Gabeln und Löffel verwendet werden. CNS 18/10, so die Kurzform für die Legierung, ist nicht magnetisch und rostet nicht. Manchmal wird auch noch Molybdän zur Legierung gegeben, was dem Rost noch einmal weniger Chance gibt.
So gut wie alle Bestecksets, die du für wenig Geld im Möbelhaus mitnimmst, sind solche mit Monoblock-Messern. Damit bekommst du tatsächlich ein weitgehend rostfreies und pflegeleichtes Set. Dafür werden sie schneller stumpf und können nicht nachgeschärft werden.
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30 Stück, Besteck Set
Das Beste aus beiden Messer-Welten verbinden
Gerade in der Gastronomie sind Messer häufig im Einsatz und müssen lange gut schneiden, damit die Gäste Schnitzel und Kartoffeln mundgerecht zerteilen können. Günstiger produzierte Monoblockmesser müssten hier sehr häufig ersetzt werden, Hohlheftmesser aber sind teuer und die Klinge ist empfindlicher. Im Idealfall würde die Klinge eines Monoblockmessers also länger scharf bleiben. Oder die Klinge eines Hohlheftmessers wäre weniger empfindlich.
Die Firma WMF mit Sitz im schwäbischen Geislingen setzt auf «Cromargan Protect», was zunächst einmal nicht viel mehr als eine Marketing-Wortschöpfung ist. Ich will wissen, was dahinter steckt und frage nach bei Tobias Good, dem Key Account Manager für die Schweiz. Er erklärt mir das besondere Veredelungsverfahren, das ein Besteckset mit Monoblockmessern besser vor Kratzern und vor Rost schützen soll – obwohl es ohne Nickel auskommt. Um zum Cromargan-Protect-Besteckteil zu werden, müssen die Messer, Gabeln und Löffel in einem Vakuumofen Hitze von über 1000 Grad über sich ergehen lassen. In ihre Oberfläche wird dabei Stickstoff eingebracht. Bei der anschliessenden schnellen Abkühlung entsteht eine harte Randschicht. Das sei, so sagt Tobias Good weiter, eine «einzigartige Innovation» und eine klare «Differenzierung gegenüber allen anderen Besteckherstellern».
Allerdings gibt es bei WMF im Sortiment Sets mit eingesetzten Klingen bei den Tafelmessern. Diese Klingen sind dann eben auch wieder aus speziellem Messerstahl, der für Rost empfänglich ist. Man könne die Klingen auch nicht mit «Cromargan Protect» effektiv schützen, so WMF.
Haben andere Besteckhersteller andere Ideen? Ich melde mich noch einmal bei Sola und werde an Thomas Gerritsen verwiesen. Er ist CEO und in fünfter Generation Inhaber von Sola mit Sitz in Emmenbrücke bei Luzern. Am Telefon will er mir die Geheimnisse der Sola-Messer nicht verraten. Ich solle doch einfach mal vorbeikommen, dann werde er mir alles zeigen. Abgemacht.
Ein paar Tage später ist es soweit. Ich bekomme einen Crashkurs in Messerproduktion. Beim Ausgangsmaterial gilt: Je härter der Stahl ist, desto trockener ist er und desto leichter bricht er. Für Thomas Gerritsen ist ein Messer aus einem Stück, also das Monoblockmesser, deshalb «immer ein Kompromiss». Es muss hart sein, wenn es aneinander geschlagen wird, aber auch nicht zu hart, damit die Klinge geschärft werden kann.
Die besseren Messer seien deshalb eindeutig die Hohlheftmesser. Bei Sola verwenden sie für den Griff Chromnickelstahl und für die Schneide speziellen Messerstahl, der zudem einen speziellen Wellenschliff bekommt. Die beiden Teile werden verschweisst und die Nahtstellen glatt poliert. Insgesamt braucht es ein paar Dutzend Arbeitsschritte, die meisten von Hand, bis ein Hohlheftmesser fertig ist. Vor allem das Schmieden der Klinge aus einem rechteckigen Stahl-Rohling ist aufwändig. Es kann heiss oder kalt geschmiedet werden. Bei beiden Verfahren wird das Stück Stahl dünner und länger. Hat es die gewünschte Länge, wird die Klinge ausgeschnitten. Unten an der Klingen bleibt die sogenannte Angel, eine Art Stift, mit dem die Klinge später ins Heft gesteckt wird.
Die Nahtstellen können – je nach Design des Bestecks – durch Schleifen am Ende entweder fast vollständig unsichtbar sein oder sie bleiben gut zu sehen. Zum Beispiel, damit Gäste deinen guten Geschmack und deine Expertise bei Messern gleich auf einen Blick erkennen können.
Gerritsen ist Fan der Hohlheftmesser, weil er damit mehr Möglichkeiten beim Design hat. Sie sind auch besser ausbalanciert, weil in den hohlen Griff je nach Bedarf unterschiedliches Gewicht gegeben werden kann. In den aus zwei Schalen bestehenden hohlen Griff, das Heft, wird Quarzsand gefüllt. Wenn du beim Essen das Messer in der Hand hältst, fühlt es sich wertig und gut ausbalanciert an, wenn Messer-Experten wie Thomas einen guten Job gemacht haben.
Auch unsere Messer zu Hause sind Hohlheftmesser, das habe ich gelernt. Einfach solche, bei denen der Übergang zwischen Klinge und Griff durch Schleifen und Polieren nicht auf Anhieb zu erkennen ist. Aber es sind eben Messer mit einer etwas empfindlicheren Klinge – die ich in Zukunft von Hand abspülen werde.
Journalist seit 1997. Stationen in Franken, am Bodensee, in Obwalden und Nidwalden sowie in Zürich. Familienvater seit 2014. Experte für redaktionelle Organisation und Motivation. Thematische Schwerpunkte bei Nachhaltigkeit, Werkzeugen fürs Homeoffice, schönen Sachen im Haushalt, kreativen Spielzeugen und Sportartikeln.