Das langweilige Gameplay stellt «Caravan SandWitch» ein Bein
«Caravan SandWitch» ist ein Cozy Metroidvania. Heisst: kein Stress, keine Kämpfe, kein Tod – dafür leider ganz viel Langeweile im Gameplay. Die Qualitäten des Spiels liegen in der Erzählung und der Präsentation.
Ich cruise gemütlich mit meinem Wohnwagen durch die an die Provence erinnernde Gegend. Am Strassenrand winkt mir ein Reineto zu. Das ist die indigene Bevölkerung des Planeten Cigalo in Form anthropomorpher Frösche. Seine Frischlinge sind ihm abhandengekommen und ich soll ihm bei der Suche helfen. Klar doch, wer stürzt sich nicht gerne Hals über Kopf in ein Abenteuer für eine überdimensionierte Amphibie?
Dem ersten Jüngling begegne ich schon um die Ecke. Er will aber nur mitkommen, wenn ich ihm einen Pilz bringe. Also aktiviere ich die Antenne an meinem Gefährt und suche den Boden nach Myzelien ab. Damit wäre ein Reineteo-Spross gerettet, bleiben noch fünf.
Die Quests in «Caravan SandWitch» ähneln jenen anderer Metroidvanias oder Open-World-Spiele. Sie fühlen sich im Game des französischen Studios Plane Toast dennoch anders an. Das liegt daran, dass ich weder kämpfen noch sterben kann. Das Cozy Metroidvania besticht mit einer spannenden, gut erzählten Geschichte über Verlust. Beim Gameplay überzeugt es mich hingegen nicht.
Auf der Suche nach Garance
Ich spiele die junge Frau Sauge. Sie lebt auf einer Raumstation im Orbit von Ciaglo, wo sie zur Pilotin ausgebildet wird. Plötzlich erhält sie einen Notruf ihrer Schwester Garance. Das ist an sich schon tragisch. Der Fakt, dass sie seit sechs Jahren vermisst wird und als tot gilt, macht es umso erschreckender.
Sauge macht sich sofort auf den Weg nach Cigalo, von wo der Notruf ausgeht. Den Planeten erkundet sie mit einem Wohnwagen, der dank Upgrades nach und nach mehr Möglichkeiten zur Exploration bietet.
Gleichzeitig zur Topografie enthüllt Sauge die Geheimnisse um das Verschwinden ihrer Schwester. Nebenbei arbeitet sie ihre eigene Kindheit und die Beziehung zu ihrem Vater auf. Das Ganze ist eingebettet in die Geschichte des apokalyptischen Planeten. Dieser wurde durch ein gesichtsloses Konsortium schamlos ausgebeutet. Neben persönlichen und gesellschaftskritischen Themen werden also gleichzeitig wirtschaftliche und ökologische Themen behandelt.
All diese Themen mit wenig Text und viel Atmosphäre zu vereinen, gelingt «Caravan SandWitch» phänomenal. Die sympathischen Charaktere sind allesamt gut geschrieben. Immer wieder werden nebenbei Dinge erwähnt, die das Bild der Geschichte und der Charaktere vervollständigen. So geht gutes Storytelling!
All diesem Lob zum Trotz mangelt es gewissen Nebenmissionen an erzählerischer Tiefe. Beispiel gefällig? Für einen Auftrag bin ich mit einem NPC unterwegs. Der fragt mich: «Willst du eine gute Geschichte hören?» Ich: «Ja.» Er: «Wir haben einmal einen Konvoi des Konsortiums sabotiert.» Fertig. Da die Geschichte sonst so gut erzählt ist, fallen solche belanglosen Dialoge besonders auf. Hier hätte es mehr Schliff gebraucht.
Verknorztes Gameplay
Mehr Schliff hätte auch dem Gameplay gutgetan. Ich erkunde die Welt entweder zu Fuss oder im Wohnwagen. Mit letzterem bin ich nicht nur schneller unterwegs, sondern erwerbe auch die meisten Upgrades für ihn.
Ausser bewegen, klettern, springen und den an einer Hand abzählbaren Fähigkeiten, die ich mir im Lauf des Spiels aneigne, bietet «Cozy Caravan» nichts. Mit diesen Skills muss ich die immer gleichen Rätsel lösen. Stets auf der Suche nach Komponenten, die mir die Entwicklung neuer Upgrades für den Wohnwagen ermöglichen. Dank diesen kann ich tiefer in die Welt vorstossen, dorthin, wo sich vermeintlich Sauges Schwester Granace aufhält. Abwechslung gibt es nur in der Reihenfolge, in der ich etwas machen muss. Das fühlt sich schnell nach Arbeit statt Vergnügen an.
Ich ärgere mich auch über die schlechte automatische Kameraführung. Weil ich nicht gut sehe, stürze ich immer wieder ab oder bleibe mit meinem Wohnwagen zwischen Felsen stecken. Irgendwann stelle ich die Automatik ab und bediene die Kamera selbst. Immerhin: Sollte ich mal stecken bleiben, bemerkt dies das Spiel und ich kann mich zurück in die Garage teleportieren. Das verunmöglicht Game Breaking Bugs.
Die Steuerung fühlt sich allgemein zu schwammig an. Mir graut es immer vor Plattformerpassagen. Im Gegensatz zu anderen Genrevertretern liegt es für einmal nicht an meinen fehlenden Skills, wenn ich abstürze.
Das Spiel ist mit knapp sechs Stunden relativ kurz. Viel länger hätte ich das repetitive und ungenügende Gameplay auch nicht ausgehalten – trotz spannender Geschichte.
Zwischen Provence und Tatooine
Die erkundbare Welt in «Caravan SandWitch» hat genau die richtige Grösse für den Umfang des Spiels. Schnell habe ich in typischer «Far Cry»-Manier Sendetürme deaktiviert, die mir den ungetrübten Blick auf die Karte ermöglichen. Die Wege sind kurz. Selten bin ich mehr als zwei Minuten von A nach B unterwegs.
Sauges Heimatdorf dient dabei als Hub. Bewohnt sind daneben nur ein Nomadencamp und ein Stützpunkt abtrünniger Roboter. Trotz der kargen Landschaft gibt es viel zu entdecken. Die Ruinen der Hochtechnologie des Konsortiums sind das Highlight. Das Ganze erinnert mich an Tatooine aus «Star Wars», gemischt mit etwas französischer Provence.
Bereits besuchte Orte bieten aufgrund der Wohnwagen-Upgrades mehr, als es beim ersten Besuch den Anschein macht. Backtracking ist für das Vorankommen aber nur bedingt nötig. Wenn ich die überschaubaren Nebenmissionen erledige, finde ich genug Ressourcen, um voranzukommen.
Die Präsentation ist funktional, aber ästhetisch. Mir gefällt der Grafikstil. Optimal war das Spiel zum Testzeitpunkt jedoch noch nicht. So hatte ich regelmässig Performance-Einbussen, diverse Glitches und Texturfehler. Gemäss Publisher sollen diese Probleme bis zum Release behoben werden.
Genauso spärlich wie die Landschaft ist der Soundtrack. Es hat gezielt wenig musikalische Untermalung. Ich bemerke sie häufig gar nicht und wenn, dann summe ich die eingängigen Melodien unbewusst mit. In Erinnerung bleiben wird mir bestimmt der Haupttitel «Pensée Dérobée» von Antynomy, den ich mir auch abseits des Spiels angehört habe.
«Caravan SandWitch» wurde mit von Dear Villagers zur Verfügung gestellt. Ich habe die PC-Version getestet. Das Spiel ist ab dem 12. September ausserdem verfügbar für PS5 und Nintendo Switch.
Fazit
Ein etwas zu gemütliches Cozy Metroidvania
In «Caravan SandWitch» erkunde ich auf der Suche nach meiner verschollenen Schwester eine wunderschön kaputte Welt mit meinem Wohnwagen. Diesen rüste ich mit der Zeit auf, wodurch ich immer weiter vorankomme. Zu Beginn geniesse ich das ruhige Gameplay. Schnell wird dieses aber repetitiv und fühlt sich mehr nach Arbeit als Vergnügen an. Dank der toll erzählten Geschichte bleibe ich dennoch bis zum Schluss dran.
Schaltest du gerne mal einen Gang zurück und hast ein Flair für kurze Metroidvanias, kann ich dir das Spiel empfehlen. Alle anderen sollten die Finger davon lassen.
Pro
- Tolle Geschichte
- Gelungene Präsentation
Contra
- Eintöniges Gameplay
- Schwammige Steuerung
Technologie und Gesellschaft faszinieren mich. Die beiden zu kombinieren und aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten, ist meine Leidenschaft.