Das taugen Adobes neue KI-Funktionen in Lightroom
Seit gestern kann Adobe Lightroom Rauschen mit KI-gestützten Filtern reduzieren. Das Programm erkennt ausserdem automatisch verschiedene Teile von Personen und kann daraus Masken erstellen. Ich habe die neuen Features ausprobiert.
Zu allererst: Nein, das Titelbild ist selbstverständlich nicht ernst gemeint. Ich bin weder über Nacht um 30 Jahre gealtert, noch habe ich Botox entdeckt oder mich in einen Vampir verwandelt. Sorry für den Clickbait. Dass ich innert zwei Minuten so viele Dinge an einem Foto in dieser Genauigkeit verunstalten konnte, ist neuen KI-Funktionen von Lightroom zu verdanken. Hier das Originalbild.
Mit dem Update 12.3 für Lightroom und 15.3 für Camera Raw verstärkt Adobe die Künstliche Intelligenz (KI) in seinen Raw-Konvertern. Zwei neue Funktionen sollen dir viel Fleissarbeit ersparen: Eine KI-gestützte Rauschreduzierung und intelligente Masken für Teile von Personen. Zudem kannst du nun lokale Tonwertkorrekturen per Gradationskurve machen. Wie gut funktioniert das alles? Und wozu kann es nützlich sein?
KI-Rauschrezierung
Per Klick auf «Entrauschen» komme ich zur neuen KI-basierten Rauschreduzierung. Über einen Regler kann ich noch einstellen, wie aggressiv der Filter sein soll. Danach erstellt Lightroom ein neues Raw-Bild im DNG-Format. Mit meinem MacBook mit M1 Max Chip dauert das bei einem Foto mit 50 Megapixeln rund 30 Sekunden. Der Prozess scheint vor allem die Grafikkarte stark auszulasten. Hier ein 100-Prozent-Ausschnitt eines Fotos mit ISO 25 600 und +1 Belichtungskorrektur.
Tatsächlich entfernt die Methode das Bildrauschen besser als die gewöhnlichen Filter. Zwar reduzieren auch diese die feine Körnung, dabei verschmieren sie aber auch das Bild und zerstören so die Struktur. Schraube ich gleichzeitig am «Details»-Regler, entstehen Artefakte. Mit der KI-Rauschreduzierung passiert beides deutlich weniger.
Perfekt ist auch die KI nicht. Das zeigt der Vergleich mit einem «echten» rauschfreien Vergleichsbild, das ich mit ISO 100 aufnehme. Mit dem KI-Filter zeigen sich vor allem beim Text Artefakte. Trotzdem ist die Leistung der neuen Rauschreduzierung insgesamt beachtlich. In Zukunft mache ich mir damit noch weniger Sorgen, wenn ich die ISO beim Fotografieren hochschrauben muss.
Intelligente Masken
Ganze Motive erkennt Lightroom schon länger automatisch – zum Beispiel Personen, den Himmel oder Objekte.
Neu zerlegt die KI Personen zusätzlich in ihre Einzelteile. Folgende Dinge kann ich separat oder in beliebiger Kombination maskieren lassen:
- Haut im Gesicht
- Körperhaut
- Augenbrauen
- Augenlederhaut (das Weisse im Auge)
- Iris und Pupille
- Lippen
- Zähne
- Haar
- Gesichtsbehaarung
- Kleidung
Die Auswahl funktioniert bei meinen Tests erstaunlich genau. Nur selten greift die KI daneben und trifft etwa die Grenze zwischen Kleidung und Hintergrund nicht. In solchen Fällen kann ich aber manuell eingreifen und die Maske per Pinsel korrigieren oder verfeinern.
Das neue Feature erspart bei der Retusche von Portraits viel Fleissarbeit. Mit wenigen Klicks kann ich gelbe Zähne bleichen, Haut weichzeichnen oder Augen etwas aufhellen. Das ging zwar schon vor dem neuen Update, ich musste die Masken aber grösstenteils von Hand machen. Für eine schnelle Bearbeitung ist das neue Feature deshalb ein Segen und erspart mir den aufwändigen Wechsel zu Photoshop.
Lokale Gradationskurven
Das liegt auch an den neuen lokalen Gradationskurven. Bisher konnte ich die Tonwerte von maskierten Bereichen nur per Regler verstellen: Belichtung, Kontrast, Lichter, Tiefen, Weiss und Schwarz. Die Gradationskurve gab es nur global fürs ganze Bild.
Mit dem neuen Update ändert sich das. Nun kann ich endlich selektiv die Tonwerte in einem maskierten Teil des Bildes per Kurve steuern. Auch diese Funktion wird mir regelmässig eine Extrarunde in Photoshop ersparen.
Fazit: Zeit für Kreativität statt Handwerk
Die neuen KI-basierten Features in Lightroom zeigen, wohin die Reise in der Bildbearbeitung geht: Mehr Automatisierung, mehr Möglichkeiten. Ich finde das keine schlechte Entwicklung, solange ich manuell eingreifen kann, wenn mir die Vorschläge der KI nicht gefallen.
Leider ist die KI-Auswahl noch nicht in Photoshop angekommen. Das wäre toll, denn gerade bei strukturellen Retuschen oder selektiven Farbkorrekturen sind die Werkzeuge in Lightroom weiterhin beschränkt. Adobe, warum kann ich bei lokalen Korrekturen nur Weissabgleich und globale Sättigung einstellen – nicht aber Farbton, Luminanz und Sättigung von einzelnen Farben?
Eine professionelle Bildbearbeitung ersetzen die Tools deshalb noch nicht. Richtig gute Hautretusche lässt sich nicht per Klarheits-Regler in Lightroom erledigen, egal wie genau das Programm die richtigen Bildbereiche erkennt. In gewissen Fällen nehmen mir die KI-Masken aber viel Fleissarbeit ab. Anders als die rein mathematischen Auswahlwerkzeuge der Vergangenheit analysieren sie tatsächlich den Inhalt des Bildes. So erhalte ich in Portraits mit zwei Klicks eine meist fehlerfreie Maske von Haut oder Haaren.
Über kurz oder lang wird die Künstliche Intelligenz immer mehr solche repetitive und langweilige Aufgaben übernehmen. Ähnlich wie beim Fotografieren ändert sich damit die Definition, was ich für eine gute Bildbearbeitung können muss: Handwerkliches Know-How wird immer weniger wichtig, kreative Entscheidungen dafür umso mehr.
Mein Fingerabdruck verändert sich regelmässig so stark, dass mein MacBook ihn nicht mehr erkennt. Der Grund: Wenn ich nicht gerade vor einem Bildschirm oder hinter einer Kamera hänge, dann an meinen Fingerspitzen in einer Felswand.