Hintergrund

«Dem Weizen beim Wachsen zusehen zu müssen, wär definitiv zu viel Simulation»

Wie viel Spiel und wie viel Simulator steckt im «Landwirtschafts-Simulator»? Und wie gut wissen die Entwickler über Landwirtschaft bescheid? Ich habe bei Giants Software nachgefragt.

Der «Landwirtschafts-Simulator» ist der älteste und populärste Simulator seiner Gattung. Das Zürcher Entwicklerstudio Giants Software ist damit seit 2008 auf Erfolgskurs. Millionen Spielerinnen und Spieler weltweit tuckern mit ihren Traktoren und Mähdrescher über virtuelle Getreidefelder. Damit sich das realistisch, aber nicht zu realistisch anfühlt, ist Giants Software auf Insiderwissen angewiesen.

Wie sieht die Zusammenarbeit zwischen Giants Software und der Landwirtschaft aus?
Martin Rabl, Head of Marketing & PR Giants Software: Wenn es darum geht, die Maschinen ins Spiel zu bringen, müssen wir sie in Aktion sehen. Wir haben viel Kontakt mit den Herstellern und gehen aktiv auf landwirtschaftliche Betriebe zu.

«Wenn man bei jedem Anhängern alle Kabel anschliessen müsste, macht das vielleicht beim ersten mal Spass.»

Wie gut kennt ihr euch selber in der Landwirtschaft aus?
Früher war das extremer. Als die Firma noch kleiner war, waren die ersten Programmierer wirklich welche, die aus dem Bereich kamen. Entweder waren sie selber Landwirt oder sie kannten jemand aus der Verwandtschaft. Jetzt ist das Team grösser und damit auch durchmischter. Wir müssen die Balance halten zwischen dem Spielspass und der Landwirtschaft.

Martin nutzt seine Kollegen, hier mit Boris Stefan, gerne als «Reiseführer» an Landwirtschafts-Messen.
Martin nutzt seine Kollegen, hier mit Boris Stefan, gerne als «Reiseführer» an Landwirtschafts-Messen.
Quelle: Giants Software

Wie entsteht diese Balance?
Es gibt Sachen in der Realität, die sich oft wiederholen und im Spiel keine grosse Herausforderung darstellen. Wenn man dem Weizen in Echtzeit beim Wachsen zusehen müsste, wäre das nicht förderlich für den Spielspass. Und wenn man bei jedem Anhänger alle Kabel anschliessen müsste, macht das vielleicht nur am Anfang Spass. Solche Sachen muss man einfach ausprobieren, um zu sehen, ob das auch nach vielen Stunden Spielzeit noch unterhaltsam ist.

Seid ihr schon übers Ziel hinausgeschossen?
Wir haben mal ein Feature entwickelt, das die Ernte nach einer gewissen Zeit verrotten lässt. Da war der Aufschrei aus der Community gross. Für viele war es zu stressig, dass sie ihr Einkommen verlieren nur weil sie mal zwei Felder liegen gelassen haben. Die spielen lieber entspannt. Das Feature ist mittlerweile optional.

Wenn ihr entschieden habt, welche Features und Maschinen im Spiel vorkommen sollen, wie geht es dann weiter?
Dann sind die Hersteller gefragt. Gerade bei wichtigen Details wie der korrekten Animation von beweglichen Teilen, geht es nicht ohne. Wenn wir wissen wollen, wie ein bestimmtes Teil ausklappt, dann fragen wir, hey, könnt ihr uns davon ein Video schicken? So können wir es möglichst originalgetreu nachbauen.

Nicht jedes neue Feature bringt die Fans zum Jubeln.
Nicht jedes neue Feature bringt die Fans zum Jubeln.
Quelle: Giants Software

Habt ihr eigene Experten oder bezieht ihr euch auf externe Fachpersonen?
Ein paar von uns sind wirklich sehr tief drin und verfolgen alles, was auf dem Markt passiert. Wir besuchen jedes Jahr die Agritechnica in Hannover. Das ist ein Teil unseres Research für Neuigkeiten. Da sprechen wir mit den Partnern und pflegen Kontakte. Mir ist es schon oft passiert, dass ich ein vermeintlich neues Fahrzeug gesehen habe und ein Kollege mich aufklärt, dass das schon vor einem Jahr ein alter Hut war. Es ist, als ob man einen persönlichen Guide dabei hätte.

Bekommt ihr komplette Baupläne oder modelliert ihr selber?
Teils, teils. Natürlich hoffen wir immer, dass wir möglichst viel bekommen. Die Pläne müssen dann bearbeitet werden, damit sie ins Spiel reinpassen. Es sind gigantische Baupläne, die bei über 400 Fahrzeugen und Gerätschaften, wie beim «Landwirtschafts-Simulator 22», jeden normalen PC schmelzen lassen würden. Bei älteren Maschinen gibt es oft keine Unterlagen. Da müssen wir anders herangehen und uns mit Bildern behelfen oder die Maschine vor Ort besichtigen.

Der Big Bud gilt als der grösste Traktor der Welt.
Der Big Bud gilt als der grösste Traktor der Welt.
Quelle: williamsbigbud.com

Wie nehmt ihr die Geräusche auf?
Dafür haben wir unsere Sound-Experten. In einem früheren DLC hatten wir mal den Big Bud 747. Das ist der grösste Traktor der Welt. Für Deutschland wäre diese Maschinen viel zu gross, aber in den USA gibt es einen. Da musste dann wirklich jemand hinreisen, die Maschine inspizieren und den Sound aufzeichnen. Der Big Bud hat zwei Motoren und das klingt halt einzigartig.

Die Landwirtschaft wird immer automatisierter und digitaler. Wie wirkt sich das auf den «Landwirtschafts-Simulator» aus?
Das werden wir die nächsten Jahre intensiv beobachten. Die ersten autonomen Traktoren sind im Anmarsch, darum sind wir auch bereits mit den Herstellern in Kontakt. Mehr kann ich dazu noch nicht sagen. Aber wenn in zehn Jahren kein Landwirt mehr auf dem Traktor sitzt, dann werden wir uns Gedanken machen müssen, was für Maschinen in unserem Spiel drin sind.

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Als Kind durfte ich keine Konsolen haben. Erst mit dem 486er-Familien-PC eröffnete sich mir die magische Welt der Games. Entsprechend stark überkompensiere ich heute. Nur der Mangel an Zeit und Geld hält mich davon ab, jedes Spiel auszuprobieren, das es gibt und mein Regal mit seltenen Retro-Konsolen zu schmücken. 

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