Der Mikrocomputer: Dank Bastlern und Enthusiasten zum Erfolg
Für Elektronikbastler eröffnete sich in den frühen 1970er Jahren eine völlig neue Welt: Dank Intel werden Mikroprozessoren einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich. Es sind denn auch die Tüftler und Enthusiasten, die den Grundstein für den PC-Siegeszug legen.
Mit dem Intel 4004 legte der Chipgigant in den 1970ern den Grundstein für die PC-Revolution. Dessen waren sich die Führungskräfte bei Intel bewusst, aber die führend Computerhersteller jener Zeit nicht. Trotz des Trends zu günstigeren, schnelleren und leistungsfähigeren Geräten, konnten sich auch nach der Erfindung des Mikroprozessors nur wenige einen Markt für Personalcomputer vorstellen.
Grosse Computerfirmen wie IBM verpassten zu jener Zeit immer wieder die Gelegenheit, PCs salonfähig zu machen – und damit ein riesen Geschäft zu machen. Stattdessen entstand die neue Generation von Mikrocomputern oder PCs aus den Köpfen und der Leidenschaft von Elektronikbastlern und Kleinunternehmern.
Wenn’s die Grossen nicht machen, dann richten’s die Hobbyisten
In der San Francisco Bay Area stiessen die Fortschritte in der Halbleitertechnologie auf Anerkennung und befeuerten die Computer-Graswurzelbewegung. Lee Felsenstein startete 1973 das Community Memory Projekt. Er entwickelte dafür mit dem Grosscomputer SDS 940 ein Mehrbenutzer-Informationstafel-System, das er in Geschäften um Berkeley installierte. Community Memory lagen die Ideale der Dezentralisation und des offenen Zugangs zugrunde. Sie war eine der frühesten Online-Communities. Diese Bewegung war ein Zeichen der Zeit, ein Versuch von Computer-Affinen, der Bevölkerung Zugang zu einem öffentlichen Computernetzwerk zu ermöglichen.
Ingenieur- und Elektronik-Bastler waren frustriert, weil der Zugang zu Computern schwierig war. Das kam in den frühen 1970er-Jahren in Elektronik-Magazinen zum Ausdruck. Zeitschriften wie «Popular Electronics» und «Radio Electronics» trugen zur Idee bei, dass es PCs braucht. In der San Francisco Bay Area und anderswo organisierten Hobbyisten Computerclubs. Dort diskutierten sie, wie sie ihre eigenen Computer bauen und halfen sich gegenseitig.
Dennis Allison schrieb eine Version von BASIC für diese frühen Personalcomputer. Zusammen mit Bob Albrecht veröffentlichte er den Code 1975 in einem Newsletter mit dem Titel «Dr. Dobb's Journal of Computer Calisthenics and Orthodontia». Später wurde der Name in «Dr. Dobb's Journal» geändert und erschien bis Januar 2009 monatlich.
Im September 1973 veröffentlichte die Zeitschrift Radio Electronics einen Artikel von Don Lancaster. Darin beschrieb der Autor, wie er eine «TV-Schreibmaschine» baut: Für rund 200 Dollar konnten so frühe Mikrocomputer-Benutzer ein Terminal bauen und so einen handelsüblichen Fernseher zum Display umfunktionieren. Professionelle Terminals kosteten damals über 1000 Dollar. Der Artikel von Lancaster hat eine ganze Generation von Computerhobbyisten beeinflusst und dazu beigetragen, dass sie sich an selbstgebaute Computer heranwagten.
Der Altair 8800
Ganz ohne Unternehmen, das die Hardware verkauft, ging’s dann doch nicht. Micro Instrumentation Telemetry Systems, kurz MITS, war ein Unternehmen mit winzigem Büro in einem Einkaufszentrum in Albuquerque, New Mexico. Das Unternehmen hatte 1968 mit dem Verkauf von Funksendern für Modellflugzeuge angefangen. In den frühen 1970er-Jahren expandierte das Unternehmen und bot Bausatzrechner an. Dieser Schritt kostete MITS beinahe Kopf und Kragen: Zur selben Zeit fluteten grössere Hersteller wie Hewlett-Packard oder Texas Instruments den Markt mit serienmässig hergestellten Rechnern. Das sorgte dafür, dass die durchschnittlichen Kosten 1974 von ursprünglich mehreren hundert Dollar für einen Rechner auf 25 sanken. MITS stand vor dem Aus.
Auf der Suche nach einem neuen Produkt, kam MITS auf die Idee, ein Computer-Kit zu verkaufen. So wurde der Altair geboren. Das Kit beinhaltete alle Teile, um den Altair 8800 zu bauen. Das Teil kostete knapp 400 Dollar und somit nur etwas mehr als der Intel 8080 Mikroprozessor – der Nachfolger des Intel 8008 –, der es betrieb. Das Magazin Popular Electronics druckte den Altair 8800 als Cover-Story. Dadurch verkaufte MITS hunderte von Kits und das Unternehmen war gerettet.
Überrascht von den vielen Bestellungen, konnte MITS nur einen Bare-Bones-Bausatz liefern, da jegliche Montage die versprochene 60-Tage-Lieferfrist verunmöglicht hätte: Gehäuse, CPU-Platine mit 256 Byte Speicher und eine Frontplatte. Die frühen Maschinen waren nicht sonderlich zuverlässig. Sie überhaupt zum Laufen zu bringen, erforderte viele Montagestunden von Elektronikexperten.
Zusammengesetzt waren die Altairs blaue Boxen, die etwa 43×46×18 Zentimeter gross waren. Es gab kein Keyboard, kein Terminal, kein Lochstreifen-Leser oder Drucker. Auch Software fehlte komplett. Programmiert wurde mit Assemblersprache. Die einzige Möglichkeit, Befehle einzugeben, bestand darin, Kippschalter auf dem Frontpanel zu setzen – Schritt für Schritt. Leuchtdioden dienten der Ausgabe.
Der Altair 8800 weckte das Interesse der Menschen. Im Silicon Valley versammelten sich die Mitglieder der noch jungen Hobbygruppe Homebrew Computer Club vor dem Altair. Mitglied dieses Clubs: Lee Felsenstein. Sie verglichen digitale Geräte, die sie konstruierten und diskutierten die neuesten Artikel in Elektronikzeitschriften.
Der Altair stellte kaum eine revolutionäre Erfindung nach dem Vorbild des Transistors dar, aber er förderte weitreichende Veränderungen, die den Hobbyisten das Vertrauen gaben, den nächsten Schritt zu tun.
Der Hobbymarkt wächst
Einige Unternehmer, insbesondere in der San Francisco Bay Area, sahen Möglichkeiten, Zusatzgeräte oder Peripheriegeräte für den Altair zu bauen; andere beschlossen, wettbewerbsfähige Hardwareprodukte zu entwickeln.
Dieser neue Markt führte zum Ruf nach Standards: Verschiedene Maschinen können unterschiedliche Datenpfade oder Busse verwenden. So können Peripheriegeräte, die für einen Computer gebaut wurden, mit einem anderen nicht funktionieren. Das Institute for Electrical and Electronics Engineers entwickelte den S-100-Bus-Standard. Dieser war für alle offen und wurde bei den frühen Personalcomputern allgegenwärtig.
Die Standardisierung auf einen gemeinsamen Bus trug dazu bei, den Markt für die frühen Hersteller von Peripheriegeräten zu erweitern, die Entwicklung neuer Geräte voranzutreiben und die Computerhersteller von der lästigen Notwendigkeit zu befreien, eigene proprietäre Peripheriegeräte zu entwickeln.
Dank diesen frühen Mikrocomputerfirmen wurde die PC-Industrie aufgebaut. Die meisten dieser Firmen verschwanden so schnell wieder, wie sie aufkamen. Sie waren nicht in der Lage, zuverlässige Maschinen zu bauen oder ausreichenden Kundensupport zu bieten. Im Allgemeinen fehlte den meisten das richtige Gleichgewicht zwischen Ingenieuren, Unternehmern, Kapital und Marketingerfahrung. Aber vielleicht noch bedeutender war der Mangel an Software, die Personalcomputer für einen grösseren, nicht-hobbyistischen Markt hätten nützlich machen können.
Technologie und Gesellschaft faszinieren mich. Die beiden zu kombinieren und aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten, ist meine Leidenschaft.