Der Surface-Klon im Test: Dell Latitude 7200
Frech kopiert oder gut verbessert? Dell greift mit dem Latitude 7200 das Design von Microsofts Surface Pro auf. Was macht Dell anders?
Mit einem Windows 10 basierten Convertible schlägst du drei Fliegen mit einer Klappe. Du bekommst ein Tablet, das bei Bedarf zum Notebook wird. Außerdem ist es dank der großen Software-Kompatibilität, im Gegensatz zu Android oder iOS basierten Systemen, auch für normales Arbeiten im Büro geeignet.
Dell bringt mit dem Latitude 7200 einen Surface-Pro-Klon zum besseren Preis.
Im Detail macht Dell einiges anders als Microsoft. Das beschränkt sich nicht nur auf Äußerlichkeiten, wie den Scharnieren des Standfusses oder dem weniger hochauflösenden Display. So verbaut Dell im Latitude Intel-Prozessoren der achten Generation – Microsoft verbaut aktuell bereits die zehnte mit WiFi 6 und Iris Plus Graphics. Das muss jedoch nicht einen großen Leistungsschub bedeuten: Dell spendiert dem i5 im Unterschied zu Microsoft eine aktive Kühlung. Dadurch kann das Gerät vermutlich länger hoch takten. Im oben verlinkten Test hat das Surface Pro 7 bereits nach wenigen Minuten die Taktfrequenz auf 44 Prozent der Leistung beschränkt, um dem Hitzetod zu entgehen.
Übrigens: Die Anstecktastatur ist bei Dell im Gegensatz zu Microsoft bereits im Preis inbegriffen.
Die technischen Daten:
- Intel Core i5-8365U (aktiv gekühlt)
- Integrierter Grafikprozessor: Intel UHD-Grafik 620
- 8 GB RAM (SanMax, LPDDR3-2133, 2 x 4 GB verlötet)
- 256 GB SSD (Toshiba KBG30ZMS256G, M.2 2230 PCIe 3.0 x2)
- 12,3” IPS Multi-Touch Display mit 1920 x 1280 Pixel (3:2-Seitenverhältnis, hochglanz, unterstützt Stifteingabe)
- 2 x Thunderbolt 3, USB 3.1 Typ-A, microSD-Slot, Kensington-Schloss, Wi-Fi 5 und Bluetooth 5,0
- 3,5-mm-Klinkenanschluss, Stereolautsprecher, Dual-Array-Mikrofon
- Umgebungslichtsensor, Windows Hello Kamera (Gesichtserkennung)
- 5-Megapixel-Frontkamera und 8-Megapixel-Rückkamera
- Lithium-Ionen-Akku mit 38 Wh
- Windows 10 Pro
Design mit Standfuß-Klapp-Mechanismus und Anschlüsse
Das Chassis besteht aus Aluminium und Magnesium und misst ohne Tastatur 29,20 x 20,88 x 0,93 Zentimeter. Damit hat es beinahe die gleichen Dimensionen wie das Surface Pro. Das gilt auch für die Displayränder mit 1,5 Zentimeter Breite. Jedoch wiegt der Dell-Klon mit 851 Gramm im Vergleich zu 770 Gramm etwas mehr.
Beim ersten Aufklappen des Standfusses fällt mir auf, dass sich die Scharnierbewegung einiges weniger geschmeidig anfühlt als bei Microsoft. Dafür hat sie Dell mit einer Zusatzfunktion ausgestattet, die mit und ohne angesteckter Tastatur greift. Auf der Unterseite des Geräts und bei der Ansteckstelle der Tastatur sind zwei Federkontaktstifte. Die sollen beim auf den Tisch stellen automatisch betätigt werden und den Standfuß um 26 Grad aufklappen. Willst du einen grösseren Winkel, lässt sich der Standfuß von Hand bis zu 150 Grad aufklappen.
Zum Auto-Klapp-Mechanismus kann ich sagen, dass wenn du das Convertible nur normal auf den Tisch stellst, dieser meistens nicht funktioniert. Auf den Tisch hämmern funktioniert zwar gut, ist aber nicht ratsam. Die Magie spielt dann, wenn du das Gerät auf den Tisch stellst, dann von oben behutsam drückst und fühlst, wie die Federkontaktstifte sachte runtergehen beziehungsweise die Kante der Tastatur die Tischplatte küsst.
Dell geizt nicht und spendiert dem Latitude an der linken Seite gleich zwei Thunderbolt-3-Anschlüsse, von welchen einer auch zum Laden dient. Weiter finden sich links ein microSD-Slot, eine Lautstärkewippe und ein 3,5-mm-Klinkenanschluss.
An der rechten Seite bekommst du dank USB 3.1 Typ-A auch die Möglichkeit, ältere Geräte ohne USB-C-Adapter anzuschliessen. Außerdem findet sich da auch ein Kensington-Schloss. Den Powerknopf hat Dell ganz oben rechts am Tablet angebracht.
Display mit niedrigerer Auflösung aber besserer Farbraumabdeckung
Der wohl grösste Unterschied zum Surface Pro ist das verbaute Hochglanzdisplay. Genauer: die Auflösung des 12,3” IPS Multi-Touch-Displays im 3:2-Format. Microsoft bietet 2736 x 1824 Pixel, bei Dell bekommst du 1920 x 1280 Pixel. Das reicht bei der gegebenen Diagonale von 12,3 Zoll zwar, um bei normalem Displayabstand ein scharfes Bild zu erhalten. Arbeitest du mit einem Stift, wirst du die niedrigere Auflösung bemerken, da du mit dem Kopf viel näher am Display bist.
Um herauszufinden, wie gut das Display ausgeleuchtet ist und Farben wiedergibt, vermesse ich es mit dem x-rite i1Display Pro:
Wie die Vermessung zeigt, ist das verbaute Panel mit durchschnittlich 373 cd/m² hell genug, um damit beinahe überall arbeiten zu können. Einzig direkter Sonnenschein führt wegen der Hochglanzbeschichtung zu Problemen. Die Gleichförmigkeit ist auch gut – den maximalen Unterschied von 39 cd/m² sehe ich von bloßem Auge nicht. Ziehe ich erneut den Vergleich zum Surface Pro 7, leuchtet das Microsoft-Convertible im Schnitt 59 cd/m² heller.
Dafür ist die Farbraumabdeckung bei Dell etwas akkurater. Bei sRGB messe ich 98,5 Prozent, 70,5 Prozent bei Adobe RGB und 74,6 Prozent bei DCI P3. Der statische Kontrast des Testmodells beträgt knackige 1313:1, der dynamische 4238:1.
Tastatur und Trackpad
Mir gefällt, dass die 349 Gramm schwere Tastatur im Preis inbegriffen ist. Allerdings zeigt sich vom ersten Moment an, dass sie Verbesserungspotential hat. Wie die Surface-Pro-Tastatur heftet sie sich automatisch an das Tablet. Dank verbauten Magneten kann sie flach, wie auch angewinkelt benutzt werden. Allerdings wiegelt sie im angewinkelten Zustand durch eine bauartbedingte Instabilität leicht seitlich, wenn ich meine Handballen drauf platziere. Glücklicherweise gewöhne ich mich schnell daran.
Beim Material setzt Dell auf der Unterseite auf ein graues Lederimitat. Für deine Handballen gibt es Aluminium, was sich kühl und hart anfühlt. Die Tasten verfügen über eine zweistufige Beleuchtung. Im Vergleich zu Microsofts Anstecktastaturen federn die Tasten erheblich weniger. Tippst du, fühlst du außerdem einen starken Auslösepunkt. Der Tastenhub beträgt 1,4 Millimeter und das Tippgefühl ist nach einer Eingewöhnungsphase ganz angenehm. Falls du in einem Großraumbüro arbeiten möchtest, ist die Tastatur dank den eher leisen Tippgeräuschen auch dafür geeignet.
Dank der sehr glatten Oberfläche des Trackpads schubst du den Mauszeiger zielgenau auf dem Bildschirm rum. Am Trackpad habe ich nichts auszusetzen.
Lautsprecher, die keinen Ohrgasmus bieten
Falls du gerne ab und zu ohne Kopfhörer einen Film schauen oder Musik genießen möchtest, wird das nur was, wenn dein Gehör nicht mehr das beste ist. Denn die Lautsprecher sind, wie so oft im Notebooksegment, eher schlecht. Doch im Gegensatz zu anderen schlechten Notebooklautsprechern, klingen nicht nur einzelne Instrumente wie Piano und E-Gitarren verfälscht. Der Wurm steckt im gesamten Bereich der Mitten und Tiefen – die Musik klingt schnell dumpf. Nur hohe Frequenzen empfinde ich als sauber – zumindest in den Momenten, wo sie sich nicht überschlagen.
Sorry Dell, da müsst ihr nochmal Hand anlegen.
Akkuleistung: Nicht berauschend, doch besser als bei Microsoft
Nun darf der Lithium-Ionen-Akku mit 38 Wh zeigen, wie viel Saft er dem Convertible bringt. Ich messe die Laufzeit beim Dauerstreaming von Youtube-Videos, unter Höchstleistung und bei Office-Arbeiten.
Youtube-Dauerstreaming
Um einen Vergleich zu anderen Notebooks und Convertibles zu ziehen, stelle ich die Helligkeit des Displays auf 150 cd/m² und lasse Musikvideos auf Youtube laufen, bis der Saft ausgeht. Nach 5 Stunden und 49 Minuten ist Schluss. Das ist keine Glanzleistung, aber zumindest mehr, als das Surface Pro 7 mit grösserem Akku geschafft hat. Dieses kommt mit 45 Wh in meinem Test nur auf 5 Stunden und 16 Minuten.
Akkulaufzeit unter Höchstleistung
Um sämtliche Hardware an die Grenzen zu bringen, lasse ich den Stresstest HeavyLoad sowie FurMark mit höchster Bildschirmhelligkeit gleichzeitig laufen. Wie bereits beim Microsoft-Convertible beobachte ich, wie die CPU nach einiger Zeit heruntergedrosselt wird. Dank aktiver Kühlung dauert es hier ungefähr zehn Minuten, bis die Drosselung auf 57 Prozent der Leistung folgt. Beim passiv gekühlten Surface Pro 7 mit i5-Prozessor taktet der Prozessor bereits nach rund fünf Minuten auf 44 Prozent der Leistung runter.
Akkulaufzeit bei Office-Arbeiten
Falls du das Convertible als mobiles Büro nutzen möchtest, solltest du es nicht auf deinem Schoss betreiben. Der Standfuß dieser Gerätekategorie ist nicht dazu geeignet und klappt dabei oft weg, was im öffentlichen Verkehr zu einem Eiertanz werden kann.
Dafür komme ich im Officebetrieb trotz unterdimensioniertem Akku auf eine Laufzeit von ca. acht Stunden. Während dem Arbeiten habe ich es unterlassen, im Hintergrund Musik laufen zu lassen.
CPU und Grafikprozessor
Wichtig! Im oben verlinkten Modell des Latitude 7200 befindet sich der Core i5-8365u und nicht der Core i5-8265u wie im Modell, das Martin in der Schweiz getestet hat. Der i5-8365u ist eine neue Variante des Chipsatzes, der in anderen Tests insgesamt geringfügig besser abschneidet als der i5-8265u. Anders gesagt: Die folgenden Aussagen zur Leistungsfähigkeit stimmen nicht zu 100 Prozent mit dem oben verlinkten 2-in-1 überein, sind aber sehr nahe dran. Und nun weiter im Text.
Der 64-Bit Quad-Core-x86-Mikroprozessor Intel Core i5-8265U kam Ende August 2018 auf den Markt. Er basiert auf einer verbesserten Version der Whiskey-Lake-Mikroarchitektur und wird mit der erweiterten dritten Generation des 14-nm-Prozesses, genannt 14-nm++, hergestellt. Er arbeitet mit einer Taktrate von 1.6 GHz und hat eine TDP von 15 W. Der Turbo-Boost beträgt bis zu 3.9 GHz.
Auf dem Chip steckt auch Intels UHD Graphics 620, welche mit 300 MHz läuft und eine maximale dynamische Frequenz von 1.1 GHz aufweist.
Performance Cinebench R20
Mit Cinebench von Maxon kannst du testen, wie sich dein Prozessor beim Rendern von Cinema-4D-Inhalten schlägt. Falls du Multi-Core-Resultate vergleichen möchtest, geht das nur, wenn beide Prozessoren über gleich viele Threads verfügen.
So schlägt sich das Dell-Convertible:
Laut Intel sollte die Whiskey-Lake-Mikroarchitektur des hier verbauten Prozessors gegenüber der neuen Sunnycove-Mikroarchitektur, auf welcher der in Microsofts Surface Pro 7 verbaute Prozessor (i5-1035G4) basiert, rund 18 Prozent weniger IPCs (Instructions per Clock) verarbeiten können. Der vorliegende Prozessor müsste schlechter abschneiden. Aber so klar ist das Ergebnis nicht: Zwar kommt Dell mit 1312 Punkten beim Multi-Core-Resultat nicht an Microsoft mit 1504 Punkten ran, doch beim Single-Core-Resultat schlägt das Dell-Gerät das Surface mit einem Score von 374 zu 361.
Vermutlich holt Dell dank der aktiven Kühlung einiges raus: Der Multi-Core-Benchmark dauert unter vier Minuten, weshalb der passiv gekühlte Prozessor des Surface-Convertibles noch nicht heruntergedrosselt wird und das Dell-Gerät abhängt. Dagegen dauert der Single-Core-Benchmark gegen 13 Minuten und scheint den Gegenteiligen Effekt zu haben. Es lebe die Kühlung, welche bei Auslastung übrigens nur durch ein leises Rauschen zu hören ist.
Performance Geekbench 5
Bei Geekbench handelt es sich um einen plattformübergreifenden Benchmark. Geekbench läuft auf Windows, MacOS, Linux, Android und iOS. Nebst simulierten realen Szenarien, mit welchen die CPU getestet wird (Single-Core und Multi-Core), kann Geekbench auch die GPU-Leistung in Bereichen der Bildverarbeitung und dem maschinellen Sehen ermitteln. Du kannst dank dem Geekbench-Browser die Resultate mit anderen Systemen vergleichen.
Das Resultat des Latitude 7200:
Die CPU- und GPU-Benchmarks dauern bei Geekbench unter drei Minuten, weshalb das Resultat hier erwartungsgemäß ausfällt und der ältere Prozessor von Dell im Vergleich mit dem Surface Pro 7 die schlechteren Resultate liefert.
Falls du dir die Resultate im Detail ansehen möchtest:
Performance: PCMark 10
Dank PCMark 10 von 3DMark lassen sich PCs und Notebooks auf die vielfältigen Aufgaben an einem Arbeitsplatz testen. Er ist ein Office-Benchmark und taugt für alle Geräte, bei denen ein Gaming-Benchmark aufgrund schwacher Hardware keinen Sinn macht.
Das Latitude 7200 holt bei diesem Benchmark 3570 Punkte. Wenn du das Resultat auf der Homepage von 3DMark vergleichst, siehst du, dass das vorliegende Gerät besser abschneidet, als ein durchschnittlicher Office-PC, aber zu wenig gut, um als schwacher Gaming-PC durchzugehen.
Fazit: Interessanter, nicht gänzlich perfekter Klon
Dell schafft es auf den ersten Blick, das Surface-Pro-Konzept von Microsoft zu kopieren. Aber bei genauerem Hinsehen, gibt’s einige Unterschiede. Diese beginnen bei den Scharnieren und der Verarbeitung, wo sich das Microsoft-Gerät etwas besser anfühlt, Dell aber mit einem Standfuß-Klapp-Mechanismus punkten kann. Bei der Tastatur, welche bei Dell im Preis inbegriffen ist, gefällt mir das Tippgefühl etwas weniger gut als bei Microsoft. Dass sich die Dell-Tastatur bei angeschrägter Benutzung etwas wabbelig anfühlt, stört nur bis zur Eingewöhnung.
Beim Bildschirm verfügt Microsoft über eine höhere Auflösung, was vor allem für die Stifteingabe wichtig ist. Bei der Farbraumabdeckung gehen die Punkte wieder an Dell. Und bei der Akkulaufzeit hat das Latitude trotz kleinerem Akku die Nase minim vorn. Abgehängt wird es allerdings bei der Soundwiedergabe, die großen Verbesserungsbedarf aufweist.
Betreffend der Leistung hat Dell – trotz dem etwas älteren i5-Prozessor der achten Generation – alles richtig gemacht. Das Gerät verfügt über eine aktive Kühlung, die beispielsweise bei längeren Renderaufgaben wichtig ist.
Dell hat es geschafft, einen interessanten, jedoch nicht perfekten Klon zu schaffen. Falls du auf eine gute Soundausgabe verzichten kannst und eher von einer Stifteingabe absiehst, kann ich das Gerät empfehlen.
Der tägliche Kuss der Muse lässt meine Kreativität spriessen. Werde ich mal nicht geküsst, so versuche ich mich mittels Träumen neu zu inspirieren. Denn wer träumt, verschläft nie sein Leben.