Der Weltrekord-Halter im Pumpfoilen: Das fasziniert ihn am neuen Sport
Hintergrund

Der Weltrekord-Halter im Pumpfoilen: Das fasziniert ihn am neuen Sport

Siri Schubert
19.7.2024

Immer häufiger sind sie auf Schweizer Seen zu sehen: Die Pumpfoiler, die auf einem winzigen Brett mit Tragfläche übers Wasser schweben. Im Interview verrät Weltrekordhalter Nicolas Iten, was ihn motiviert und wie du am besten mit dem Pumpfoilen beginnen kannst.

Der Schweizer Nicolas Iten hält den aktuellen Weltrekord im Pumpfoilen, einer neuen Sportart, bei der Sportlerinnen und Sportler auf einem kleinen Brett auf einer Tragfläche, dem sogenannten Hydrofoil oder Foil, übers Wasser schweben. Ohne Motor und angetrieben nur von der eigenen Muskelkraft und koordinierten Auf- und Abbewegungen (eben dem Pumpen).

Die Bewegungen sind anstrengend und das Fahren auf dem kleinen Brett stellt hohe Anforderungen an die Balance und körperliche Fitness. Deshalb gilt bei vielen Pumpfoilerinnen und -foilern eine Zeit von einer Minute bereits als magische Grenze. Mit zehn Minuten erreichen Foilerinnen und Foiler schon fast Heldenstatus.

Nicolas hat das deutlich überboten. Mit mehr als vier Stunden in der Flugphase über dem Wasser hält er den aktuellen Weltrekord. Der Eintrag ins Guiness Buch der Rekorde wird gerade geprüft. Im Interview erzählt er, was ihn an der neuen Sportart fasziniert und motiviert.

Vor dem Training: Nicolas steht mit seiner Ausrüstung der Schweizer Wassersport-Marke Indiana am Start.
Vor dem Training: Nicolas steht mit seiner Ausrüstung der Schweizer Wassersport-Marke Indiana am Start.
Quelle: Siri Schubert

Nicolas, du hast vor wenigen Wochen auf dem Sempachersee den Weltrekord im Pumpfoilen gebrochen. Mit welcher Leistung gelang dir das?

Nicolas: Den Rekord habe ich in der Langdistanz aufgestellt. Mit 54,8 Kilometern in vier Stunden und zwei Minuten.

Wie kam es zu dem Weltrekord?

Eigentlich ganz spontan. Ich war früher sehr aktiv beim Inlineskaten. Und am Abend vor dem Weltrekord bin ich ein Inline-Rennen gefahren. Am nächsten Morgen wollte ich ein bisschen aufs Wasser und die Natur geniessen. Und ein neues Trinksystem ausprobieren.

Das klingt jetzt sehr entspannt.

Ja, zuerst war es das auch. Nach einer Runde um den Sempachersee fühlten sich meine Beine gut an und die Bedingungen waren ideal mit wenig Wind und flachem Wasser. Da bin ich spontan noch eine Runde gefahren. Damit hatte ich schon rund 33 Kilometer hinter mich gebracht und dachte, wenn ich noch eine Runde fahre, dann habe ich den bisherigen Weltrekord mit 44 Kilometern bereits erreicht.

Das war dann aber nicht mehr so locker?

Genau, am Schluss war es schon sehr hart. Die Runde habe ich noch beendet, aber meine Beine waren langsam müde. Dann reichte es noch für ein paar kleinere Runden, so dass die 54,8 Kilometer zusammenkamen. Danach war ich ziemlich kaputt, weil ich für eine so lange Strecke auch viel zu wenig gegessen hatte. Aber ich hatte es ja nicht als Weltrekordversuch geplant.

Umso schöner, dass du es geschafft hast. Glückwunsch! Das ist aber nicht dein erster Weltrekord im Pumpfoilen.

Nein, ich hatte zuvor schon einmal den Rekord, der aber dann wieder gebrochen wurde. Bei meinem ersten Rekordversuch lag der Weltrekord, übrigens von einem Teamkollegen, der auch mit der Ausrüstung des Schweizer Herstellers Indiana fährt, bei zwei Stunden und fünf Minuten. Ich hatte damals vor einen ganzen Marathon, also 42 Kilometer, zu fahren. Das Fernsehen war auch dabei. Es fing ganz gut an, aber ich war ziemlich nervös. Und nach 36 Kilometern und einer Zeit von zwei Stunden und 39 Minuten bin ich dann durch Eigenverschulden ins Wasser gefallen. Beim Versuch, von meiner Frau etwas zum Trinken entgegenzunehmen. Und wenn man ins Wasser fällt, ist der Rekordversuch natürlich vorbei. Ich hatte mein Ziel von 42 Kilometern nicht ganz erreicht, den Weltrekord aber trotzdem geknackt.

Was reizt dich an Rekordversuchen?

Ich komme ja vom Ausdauersport, also vom Inlineskaten, und es reizt mich immer, herauszufinden, was möglich ist. Und die Grenzen zu verschieben. Viele denken, eine Minute oder zwei Minuten sind das Limit, aber ich will zeigen, dass noch viel mehr geht. Die Boards und die Foils, also die Tragflächen aus Carbon, werden immer besser. Und da der Sport noch so jung ist, sehe ich viel Potenzial. Vielleicht spricht es ja die eine oder andere Ausdauersportlerin oder den Ausdauersportler an, die schon viel Kondition mitbringen. Die könnten meinen Rekord dann überbieten.

Trainierst du speziell für solche Long-Distance-Leistungen?

Sehr wichtig ist das Pumpfoilen selbst. Da lerne ich, wie es bei unterschiedlichen Windbedingungen und bei Wellengang aussieht. Und meine Balance verbessert sich. Zusätzlich fahre ich viel Velo, gehe laufen und stand-up-paddeln, balanciere auf der Slackline oder gehe Inlineskaten. Das Inlineskaten ist meine Basis und von dort bringe ich auch die Ausdauer in den Beinen und die Balance mit. Von der Bewegung her ist das ganz ähnlich. Ausserdem gehe ich noch mit dem Skateboard auf den Pumptrack. Auch das ist vom Bewegungsablauf her sehr gutes Training.

Im Video zeigt Nicolas Iten, wie er sich durch koordinierte Beinarbeit, das Pumpen, auf dem Foil übers Wasser bewegt.

Pumpfoilen ist ja noch ein junger Sport. Wie bist du darauf aufmerksam geworden und was hat dich motiviert, es selbst zu probieren?

Vor rund zwei Jahren habe ich in der Zeitung ein Bild gesehen und fand es mega cool. Ich habe dann gelesen, dass es um die Be- und Entlastung der Beine und um Gleichgewicht und Ausdauer geht. Also genau das, was mich anspricht. Es hat auch etwas vom Fliegen, das hat mich fasziniert. Es hat dann aber noch ein Jahr gedauert, bis ich tatsächlich angefangen habe und es hat mich gleich gepackt.

Was fasziniert dich am Sport?

Ich geniesse die Freiheit auf dem Wasser und die Stille. Denn das Foil macht ausser einem leichten Plätschern so gut wie kein Geräusch, es fühlt sich wirklich ein bisschen an wie fliegen. Die Perspektive auf dem See ist toll und ich bin schneller als mit dem Kajak oder Stand-Up-Paddelboard. Und es ist noch ein ganz neuer Sport, bei dem ich die Grenzen ausloten kann.

Worauf sollten Anfängerinnen und Anfänger achten?

Unbedingt einen Helm und eine Schwimm- oder Prallschutzweste anziehen, das ist schon mal Pflicht. Denn die Foils mit ihren scharfen Kanten sind nicht ganz ungefährlich. Und dann sicher noch einen langen Neoprenanzug und Neoprenschuhe, um sich vor Verletzungen zu schützen. Denn der Sport ist nicht ganz einfach zu lernen und Stürze gehören zum Lernprozess dazu. Ganz wichtig ist es, die Naturschutzzonen und Vogelschutzzonen zu beachten und auf Schwimmer und andere Seenutzer Rücksicht zu nehmen. Am besten lernt man es mit anderen Leuten zusammen, die auch die Schutzzonen und Regeln für Wassersportler kennen. Inzwischen gibt es an einigen Orten Kurse, die das vermitteln.

Wie schwer ist es denn? Ich habe gehört, es braucht etwa 100 Versuche, für jeden Meter, den man weiterkommen will.

Lacht. Ganz so ist es vielleicht nicht. Menschen lernen mit unterschiedlicher Geschwindigkeit und wer schon Wingfoilen kann oder in anderen Wassersportdisziplinen aktiv ist, dem wird es vielleicht leichter fallen. Mehrere Hundert Versuche sind es aber meistens schon, bis man aufs Brett springen und lospumpen kann. Kinder lernen da schon schneller.

Dein Sohn lernt ja gerade von dir.

Ja, genau. Ein gewisses Alter sollten Kinder haben, sicher zehn bis elf Jahre, bevor sie anfangen. Aber sie haben die Bewegung relativ schnell raus. Und vielleicht gibt es künftig auch Bretter, die kleiner und besser für Kinder geeignet sind. Mit Kindern ist es auch spannender, ein paar Tricks zu versuchen und Kurven zu fahren, statt lange Strecken auf dem See zurückzulegen.

Als Sportlehrer, was ja dein Beruf ist, kannst du das sicher gut vermitteln. Was braucht es denn noch, um das Pumpfoilen zu lernen? Vor allem für Erwachsene?

Am besten ist es, wenn du keine Angst vor dem Wasser hast und ein gutes Gleichgewichtsgefühl mitbringst. Denn gerade der Start, bei dem du von einem Steg aufs Brett springst, ist nicht einfach. Am besten gehst du ohne zu viele Erwartungen an den Sport heran. Sonst wird es vielleicht schnell frustrierend. Einfach ausprobieren und dranbleiben. Das ist Übungs- und auch Kopfsache.

Die Schweiz ist ja ein Hotspot fürs Pumpfoilen. Wenn ich Podcasts höre, ist oft von den «crazy pumpfoilern in Switzerland» die Rede. Woran liegt das deiner Meinung nach?

Ich glaube, in der Schweiz haben wir das Privileg, dass wir so viele Seen in schöner Umgebung haben. Es gibt wirklich ganz tolle Spots und das macht es attraktiv. Vielleicht hat es auch mit der Schweizer Mentalität zu tun, dass wir gerne Outdoorsport machen und uns gerne in der Natur bewegen.

Was war bisher dein schönstes Erlebnis auf dem Wasser?

Das war letzte Woche, da habe ich den Zugersee umrundet. Das waren 42 Kilometer. Es war ein mega schöner Morgen mit Sonne und flachem Wasser. An so einem Tag auf einem grossen See zu sein, das ist schon speziell. Ausserdem bin ich am Zugersee aufgewachsen, deshalb war es für mich ein besonders schönes Erlebnis.

Vielen Dank, Nicolas, für das interessante Gespräch und die Einblicke in die Welt des Pumpfoilens.

Titelbild: Siri Schubert

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Forschungstaucherin, Outdoor-Guide und SUP-Instruktorin – Seen, Flüsse und Meere sind meine Spielplätze. Gern wechsel ich auch mal die Perspektive und schaue mir beim Trailrunning und Drohnenfliegen die Welt von oben an.


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