Die Handhelds sind zurück
Steam Deck, Logitech G Cloud und Playdate sind nur drei von vielen neuen Handhelds. Portable Spielekonsolen erleben ein Revival, aber in anderer Form als früher.
Ich liebe mein Steam Deck. Damit bin ich nicht allein. Das Teil geht weg wie die Playstation 5, wenn sie mal verfügbar ist. Valves Handheld ist längst nicht das einzige portable Spielgerät, das derzeit in aller Hände liegt. Da wäre das Playdate, das mit 1-Bit-Display und Kurbel nicht nur Kollege Simon Balissat begeistert. Auf dem Analogue Pocket spielst du mit echten Game-Boy-, Game-Gear oder Atari-Lynx-Modulen. Mit Cloud Gaming Handhelds wie Razer Edge oder Logitech G Cloud zockst du auch aktuelle Spiele. Der Flut an portablen Spielkonsolen geht eine jahrelange Dürre mit Nintendo als Alleinherrscher voran.
Die PS Vita war die letzte grosse Herausfordererin von Nintendo im Handheld-Markt. Das war 2011. Trotz aller Fan-Liebe – ich habe meine PS Vita immer noch – gab es nie einen Nachfolger. Seither gibt Nintendo mit DS, 3DS und Switch den Takt vor. Ironischerweise läutete die japanische Spieleschmiede mit dem Launch der Switch 2017 das Revival der Handhelds ein.
Warum sind Handhelds überhaupt verschwunden?
Der graue Klotz namens Game Boy dürfte dir bekannt sein. 1989 gelang Nintendo damit ein Geniestreich. Nicht zuletzt dank des Bundles mit «Tetris». Das sorgte dafür, dass der Game Boy nicht nur bei Kindern Anklang fand. Zusammen mit dem Game Boy Color setzte der Hersteller fast 120 Millionen Geräte ab. Kein Wunder, wollten auch andere etwas vom Kuchen. Allen voran Sega mit dem Game Gear. Ein würdiger Mitstreiter, aber auch der einzige Erfolg im Segment. Der damalige Game-Gigant Atari startete mit dem Lynx einen Versuch, scheiterte aber kläglich.
Ausser Nintendo scheint niemand anhaltenden Erfolg mit Handhelds zu haben. Sony wagte erst nach zwei enorm erfolgreichen Spielkonsolen einen eigenen Versuch. Mit über 80 Millionen verkauften Exemplaren war die 2004 lancierte Playstation Portable (PSP) ein voller Erfolg. Dennoch lag sie deutlich hinter dem im gleichen Jahr gestarteten Nintendo DS, der 155 Millionen Mal verkauft wurde. Sony doppelte 2011 mit der PS Vita nach. Trotz fortschrittlicher Hardware floppte das Gerät. Gründe dafür gibt es viele. Falsche Zielgruppe, zu wenig (gute) Spiele und allem voran: das Smartphone.
Mit dem Launch des iPhones 2007 gewannen Mobile Games rasant an Bedeutung – auf Kosten der Handhelds. Auch wenn Smartphone-Spiele qualitativ nicht mit PS-Vita-Titeln mithalten konnten, waren sie für Millionen von Spielerinnen und Spielern gut genug. Einen letzten Versuch wagte Sony mit dem Xperia Play. Eine Mischung aus PS Vita und Smartphone. Angeblich sollte es Playstation Phone heissen. Auch das hätte es nicht gerettet – Nokias Handheld-Smartphone-Hybrid N-Gage scheiterte Jahre zuvor. Am Ende überlebten nur Nintendos Handhelds den Mobile-Gaming-Sturm. Aber auch sie mussten eine Kurskorrektur vollziehen.
Warum plötzlich wieder populär?
Der Nintendo 3DS verkaufte sich nur halb so gut wie der Nintendo DS. Das bereitete den Japanern Sorgen. Darum entschied sich Nintendo, die Entwicklungsteams für Handheld und Konsole zusammenzulegen. Bis dahin arbeiteten die beiden Abteilungen getrennt, mit einer klaren Priorisierung des Konsolenteams. Das Ergebnis des gemeinsamen Efforts heisst Nintendo Switch. Erstmals konnte man ein vollwertiges Konsolenspiel auch unterwegs spielen – ohne Kompromisse. Nach Klapp-Handheld mit Stift und einem 3D-Handheld, der keine 3D-Brille benötigte, gelang Nintendo mit der Switch ein weiterer Coup. Die tragbare Spielkonsole vereint das Beste aus zwei Welten und beweist, dass Handhelds trotz Smartphones eine Daseinsberechtigung haben. Auch wenn Mobile Games an Zugänglichkeit nicht zu schlagen sind, kann die Touchdisplay-Steuerung einem physischen Controller nicht das Wasser reichen.
Nur eine Frage der Zeit, bis Sony die eigenen Blaupausen abstaubt und mit einer PS Vita 2 kommt, oder? Bisher gibt es leider keine Anzeichen dafür, dass eine neue portable Playstation geplant ist. Dabei zählt die Switch mit fast 115 Millionen verkauften Exemplaren zu den erfolgreichsten Konsolen aller Zeiten. Auch sonst sprangen anfangs überraschend wenige Hersteller auf den Handheld-Zug auf. Ausnahmen sind der OneXPlayer, GPD Win oder AYANEO. Sie blieben Randprodukte. Ein möglicher Grund dafür: Die Technologie war noch nicht so weit, um anspruchsvolle Spiele zu portieren. Nintendo geniesst einen entscheidenden Vorteil. «Super Mario», «Zelda» und Co. gehören zu den populärsten Spielen, grafisch spielen sie aber nicht in der obersten Liga mit. Daher benötigen sie auch keine starke Hardware.
Mit dem Steam Deck gelang es Valve, die nötige Leistung für PC-Games in einen Handheld zu packen. Damit lässt sich theoretisch jedes verfügbare PC-Spiel spielen. Das galt in diesem Formfaktor lange als undenkbar. Statt einen tonnenschweren Gamer-Laptop rumzuschleppen, um «Elden Ring» zu spielen, reicht der Griff zur Switch-Alternative.
Vor wenigen Monaten haben Logitech und Razer ihre Pläne für das mobile Spielvergnügen vorgestellt. Statt potenter Hardware, um Games lokal zu spielen, werden Razer Edge und Logitech G Cloud Spiele streamen. Cloud-Gaming-Dienste, die sich dafür eignen, gibt es mit Geforce Now und Xbox Cloud Gaming. Logitech und Razer setzen auf Spielerinnen und Spieler, die sich «echte» Konsolen- oder PC-Games auf einem Handheld wünschen.
Noch mehr portables Gaming-Vergnügen bietet das Playdate. Ein innovatives Handheldkonzept, mit einem monochromatischen Display, das mit einer einzigartigen Kurbelsteuerung bedient wird. Neue Spiele gibt es im Rahmen von regelmässig erscheinenden Seasons. Auch hier besteht der Reiz darin, dass unkompliziert und überall gespielt werden kann. Einfach in die Hand nehmen und loslegen, Spontanität statt 77-Zoll-Fernseher.
Dann gibt es noch die direkten Erben von Game Boy und Co. wie den Analogue Pocket. Die Firma hat sich auf Retro-Systeme spezialisiert, mit denen du alte Spiele mit moderner Technik geniessen kannst. Der Pocket ist das neueste Familienmitglied. Er sieht aus wie ein schlanker Game Boy mit grösserem Display. Mit dem Pocket lassen sich die Original-Module von Game Boy, Game Boy Color und Game Boy Advance spielen. Es gibt sogar Adapter für Game-Gear- oder Atari-Lynx-Spiele. Mit Emulation hat das Ganze nichts zu tun. Die Spiele werden genauso abgespielt wie damals – nur gestochen scharf mit zehnfacher Auflösung und besseren Farben.
Auch Nintendo surft auf der selbst ausgelösten Handheld-Welle. Zu den 35. Jubiläen von «Super Mario Bros» und «The Legend of Zelda» wurden zwei neue Versionen der Game & Watch veröffentlicht. Die kleinen Spielgeräte erschienen ursprünglich zwischen 1980 und 1991 und enthielten jeweils ein einziges, sehr rudimentäres Spiel. Die Jubiläums-Editionen sind hingegen mit den Vollversionen von «Super Mario Bros» und «The Legend of Zelda» ausgestattet.
Wie geht es weiter?
Die Popularität der Switch ist ungebrochen. Der Nachfolger dürfte nicht mehr lange auf sich warten lassen und den mobilen Konsolenmarkt weiter ankurbeln. Derweil weitet das Steam Deck Handheld Gaming auf PC-Spielerinnen und -Spieler aus. Mit dem Fortschreiten der Technologie werden die Möglichkeiten von portablen Game-Maschinen weiter zunehmen. Es würde mich überraschen, wenn die Konkurrenz Valve und Nintendo dieses Feld kampflos überlassen würde.
Spannende, wenn wohl auch unreife Alternativen, stehen in den Startlöchern. Handhelds wie Razer Edge und Logitech G Cloud dürften noch ein paar Jahre ein Nischendasein fristen. Zuerst muss eine schnelle und zuverlässige Netzabdeckung gewährleistet werden. Nur dann können sie ihr Potential als preiswerte mobile Spielgeräte voll ausschöpfen.
Genauso gespannt wie auf Nachfolger bestehender Hardware, bin ich auf innovative Handhelds wie das Playdate oder den Analogue Pocket. Handhelds können, müssen aber nicht Konsolen- oder PC-Alternativen sein. Genauso interessant sind eigenständige Spielsysteme, die den Formfaktor kreativ nutzen.
Handhelds sind nicht mehr wegzudenken. Das wieder erstrahlte Rampenlicht wird sich Nintendo teilen müssen. Ich freue mich schon jetzt zu sehen, wer als nächstes die Bühne betritt.
Als Kind durfte ich keine Konsolen haben. Erst mit dem 486er-Familien-PC eröffnete sich mir die magische Welt der Games. Entsprechend stark überkompensiere ich heute. Nur der Mangel an Zeit und Geld hält mich davon ab, jedes Spiel auszuprobieren, das es gibt und mein Regal mit seltenen Retro-Konsolen zu schmücken.