Produkttest

Ein Wechselbad der Gefühle: Huawei Watch 4 Pro

Lorenz Keller
23.8.2023

Begeistert von Design und Akkulaufzeit, enttäuscht von Preis und Mängeln – der Test der Huawei Watch 4 Pro lässt mich zwischen Stuhl und Bank. Reicht es für eine Empfehlung?

Das Potenzial für eine Lobeshymne ist riesig. Die Huawei Watch 4 Pro ist eine der schönsten smarten Uhren, die ich bisher getestet habe. Der Hersteller hat mir die Topversion mit Keramik und Titan geschickt. Sie wirkt absolut hochwertig durch das klassische Uhren-Design.

Huawei Watch 4 Pro (47.60 mm, 4G)
Smartwatch
EUR470,92

Huawei Watch 4 Pro

47.60 mm, 4G

Armband: Wechsel ist möglich, aber nicht nötig

Das Armband kannst du auf Knopfdruck wechseln. Aber auf die Idee, das auszuprobieren, bin ich erst nach mehreren Wochen überhaupt gekommen. Denn das Metall-Band passt perfekt zum Gehäuse. Wer die fast 800 Franken für die Watch 4 Pro in dieser Kombi ausgibt, der wird normalerweise auch dabei bleiben.

Als Alternative gibts die Smartwatch mit Armbändern aus Leder oder Silikon. Hier kannst du auch preislich etwas sparen. Schlussendlich ist es eine Geschmacksfrage, welches Material du bevorzugst.

Huawei Watch 4 Pro (47.60 mm, 4G)
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47.60 mm, 4G

Übrigens: Normale 22-Millimeter-Armbänder passen nicht an die Uhr, obwohl der Verschluss nicht viel grösser ist. Es müssen schon für Huawei gefertigte EasyFit Armbänder sein. Immerhin: Hier passen alle Modelle, die für Huawei-Uhren in den Grössen 46, 48 und 48,5 Millimeter gefertigt werden – etwa auch für die Watch GT 3 Pro.

Design: Ein richtig gewichtiger Uhren-Look

Die Optik dürfte für viele einer der wichtigsten Gründe sein, die Huawei-Uhr in Betracht zu ziehen. Mit dem 48 Millimeter Zifferblatt ist die Watch 4 Pro ein ziemlicher Brummer. Ob du die Uhr so auch an einem schmächtigeren Handgelenk tragen willst, ist eine persönliche Entscheidung. Manche mögen das, andere wählen lieber eine kleinere Uhr.

Das Design mit der leicht gebogenen Glaskuppel ist ein Hingucker.
Das Design mit der leicht gebogenen Glaskuppel ist ein Hingucker.
Quelle: Lorenz Keller

Du musst dir bewusst sein, dass die 4 Pro zu den grössten Smartwatches auf dem Markt gehört. Ich messe 112 Gramm Gewicht für die Uhr plus Armband, und das spüre ich durchaus am Handgelenk. Unangenehm ist es aber nicht.

Zum optisch sehr gelungenen Gesamteindruck gehört auch der 1,5-Zoll-AMOLED-Screen. Dank Low-Temperature Polycrystalline Oxide Technologie (LTPO) sind die Kontraste hoch und das Schwarz auch wirklich schwarz. Insgesamt ist der Bildschirm gut ablesbar, auch wenn die Helligkeit nicht überragend ist. Auch das leicht gewölbte Saphirglas macht optisch einiges her. Es verleiht dem Zifferblatt etwas Tiefe – wie bei einer analogen Uhr.

Zifferblätter: Von bunt bis schrill – Spagat knapp gelungen

Nicht so ganz begeistert bin ich von den Zifferblättern. Über 20 sind schon vorinstalliert, weitere findest du über die App auf dem Smartphone. An Auswahl fehlt es also nicht. Ein Grossteil der Designs ist aber sehr wild. Das passt irgendwie nicht zur edlen Hardware.

Das gilt auch für die zusätzliche Auswahl im Store. Viele der überladenen Zifferblätter entspricht kaum dem europäischen Massenmarkt, aber mit etwas Zeit findest du sicher ein paar brauchbare Varianten.

Viele Zifferblätter sind leider überladen und etwas zu extrem.
Viele Zifferblätter sind leider überladen und etwas zu extrem.
Quelle: Lorenz Keller

Schön gemacht ist das Always-on-Display, das jeweils eine reduzierte Form des gewählten Zifferblattes anzeigt. Allerdings ist die Umsetzung nur bei den von Huawei vorinstallierten Grafiken in jedem Fall gelungen. Bei den Zifferblättern aus dem Store sind die Looks im Sparmodus ganz unterschiedlich. Manchmal clever vereinfacht, manchmal siehst du etwas langweilig einfach nur Stunden- und Minutenzeiger.

Betriebssystem: Schnell, aber überfrachtet

Ein Wechselbad der Gefühle ist auch die Gestaltung des Watch-Betriebssystems Harmony OS. Immer recht knallig, meist sehr durchdacht, aber oft auch etwas überfrachtet. Zum Beispiel dreht sich bei der Wetteranzeige die Sonne pausenlos rundherum. Das erinnert an Webseiten aus den 1990ern, die einen mit GIFs nervös gemacht haben. Und auf der kleinteiligen Gesundheitszentrale kannst du gleich sieben Werte abrufen.

Insgesamt kann ich mit der Software durchaus leben. Vor allem auch, weil sie auf der Uhr flüssig läuft.

Erfreulich ist das genaue und umfassende Schlaftracking, das du dir auf der Uhr anzeigen lassen kannst.
Erfreulich ist das genaue und umfassende Schlaftracking, das du dir auf der Uhr anzeigen lassen kannst.
Quelle: Lorenz Keller

Akku: 72 Stunden Rundum-Tracking

4,5 Tage Akkulaufzeit verspricht Huawei. Diese erreichst du, indem du das Always-on-Display nicht einschaltest und auch beim Tracking Zurückhaltung übst. Dann musst du die Batterie mit 780 mAh wirklich nur alle vier bis fünf Tage laden.

Ich habe im Alltagstest ein realistischeres Szenario genutzt: Das Always-on-Display bleibt an, so dass ich jederzeit die wichtigsten Infos ablesen kann – ohne mit der Drehung des Handgelenks den Bildschirm ganz zu aktivieren. Zudem tracke ich neben Schritten und Aktivität auch den Puls und die Körpertemperatur laufend. Und in der Nacht wird der Schlaf überwacht.

So bin ich im Alltag auf rund 72 Stunden Akkulaufzeit gekommen. Sprich: Ich kann die Watch 4 Pro rund drei Tage und Nächte am Stück tragen, dann muss ich sie laden. Das ist deutlich mehr als bei vielen smarten Uhren – aber auch nicht bahnbrechend. Insgesamt ist es aber durchaus ein Komfortgewinn, wenn du nicht dauernd auf die Anzeige der Batterie schauen musst und für ein verlängertes Wochenende das Ladegerät auch mal zu Hause lassen kannst.

Dank Schnellladung lag die Uhr im Test mit 10 bis 20 Prozent Restkapazität meist nicht viel länger als eine Stunde auf dem Charger. Von 0 auf 100 Prozent soll es laut Hersteller 90 Minuten dauern, ich habe bei einer Messung ziemlich genau diesen Wert erreicht.

Hardware: Solide Ausstattung

Huawei setzt auf den Qualcomm Snapdragon W5 Gen 1 Prozessor mit 2 GB Arbeitsspeicher. Der recht neue Chip hilft sicher dabei, dass Apps schnell starten und alles schön flüssig läuft.

Die restliche Hardware:

  • 1,5-Zoll-AMOLED-Screen, Auflösung 466 x 466 Pixel, 60 Hz
  • 32 GB Speicher
  • NFC, Sensoren: Helligkeit, Gyroskop, Barometer, Beschleunigung, Puls, Temperatur, EKG
  • WiFi 4, Bluetooth 5.2, LTE/4G-Modem
  • Speaker, Dualband-GNSS (GPS)
  • Wasserdicht bis 30 Meter Freitauchen

Apps: Wer mehr will, nervt sich

Leider gibt es für viele Userinnen und User einen klaren Deal Breaker. So lange du primär die Funktionen nutzt, die vorinstalliert sind, wirst du mit der Huawei Uhr zufrieden sein. Das Schlaftracking ist schick gemacht, das Aufzeichnen einer kleinen Jogging-Runde geht gut, ja sogar ein EKG und diverse andere Gesundheitsparameter kann ich aufzeichnen. Schön ist auch der Basis-Check mit allen Faktoren von Puls bis Stress auf einen Klick.

Andere Basis-Funktionen aus der Smartwatch-Welt gibt es aber einfach nicht. So bietet Huawei bei uns weiterhin keine Möglichkeit an, dass du mit der Uhr drahtlos bezahlen kannst. Andere Zusatzfunktionen rauben mir bei der Installation den letzten Nerv.

Die ungeordneten Programme im App Store und ein kleiner Teil der Auswahl an Zusatzzifferblättern.
Die ungeordneten Programme im App Store und ein kleiner Teil der Auswahl an Zusatzzifferblättern.
Quelle: Lorenz Keller

Du kannst die Watch 4 Pro mit jedem Android-Telefon verbinden, das funktioniert über die Huawei Health App. Die ist ganz OK für Gesundheitsfunktionen, synchronisiert sich aber nicht direkt mit Google Fit. Hier braucht es eine dritte App dazwischengeschaltet. Mindestens einen Schritt komplizierter als bei allen anderen Smartwatches.

In der Huawei Health App gibt es einen speziellen Store für weitere Uhren-Apps. Leider sind die total ungeordnet und nicht richtig durchsuchbar. Teilweise war die App Gallery auch erst nach mehreren Versuchen überhaupt erreichbar. Das alles weckt wenig Vertrauen.

Ich habe nun einige der zuoberst vorgeschlagenen Apps ausprobiert. Camera Opus etwa, womit ich die Smartphone-Cam von der Uhr auslösen und den Screen der Watch als Sucher nutzen kann. Allerdings erfordert das, dass ich auf mein Android-Telefon eine zusätzliche Kamera-App lade. Erst diese kann sich dann mit der App auf der Watch verbinden, die normale Kamera-App auf dem Android-Phone ist nicht nutzbar.

Alles viel zu kompliziert – und dann ist die Verbindung nicht mal stabil und die Bildübertragung total verzögert. Als nerviges Extra schaltet sich die Uhren-App zudem immer wieder mit einem Störbildschirm ein, solange, bis ich die App auf dem Handy aktiv abschliesse. Die logische Konsequenz: Sie wird sofort wieder deinstalliert.

Die Kamera-App zur Fernauslösung ist schlicht und einfach unbrauchbar.
Die Kamera-App zur Fernauslösung ist schlicht und einfach unbrauchbar.
Quelle: Lorenz Keller

Bei Spotify Connect zur Steuerung des Streamingdienstes muss ich ebenfalls zuerst wieder eine separate App aufs Handy laden. Und die ist nicht mal im Play Store von Google zu finden, sondern nur im Huawei App Store, den ich zuerst ebenfalls aufs Smartphone holen muss. Da löscht es wohl nicht nur mir ab.

Fazit: Nur gut, wenn du mit Einschränkungen leben kannst

Die Zeit ablesen, Uhren-Funktionen von Timer bis Wecker, Benachrichtigungen und Tracking ohne Ansprüche an spezielle Apps zur Verbindung: Sind dir genau diese Funktionen bei einer Smartwatch wichtig, dann ist die Huawei Watch 4 Pro eine brauchbare Option. Sie punktet dann mit einem tollen Design und einer langen Akkulaufzeit. Aber sie ist im Vergleich zur Konkurrenz recht teuer.

Die Uhr gefällt im Test optisch sehr gut, bei den Funktionen nicht durchgehend.
Die Uhr gefällt im Test optisch sehr gut, bei den Funktionen nicht durchgehend.
Quelle: Lorenz Keller

Sobald du andere Ansprüche hast oder eine tiefe Vernetzung zwischen Smartphone und Uhr möchtest, wirst du bei der Konkurrenz schauen müssen. Ja, theoretisch könntest du sogar dein iPhone via Huawei Health App mit der Watch 4 Pro koppeln. Aber das macht dann gar keinen Sinn, weil die Huawei Uhr neben der Apple Watch bei Software und System-Integration so viel schlechter ist.

Ich habe die Huawei-Uhr im Alltag sehr gerne getragen und genutzt. Jedoch im abgespeckten Rahmen als Uhr, für Benachrichtigungen und um meine Schritte zu tracken. Sobald ich vertiefter in zusätzliche Features eingestiegen bin, bedeutete das viel Arbeit und wenig Spass.

Wenn du genau diese Funktionen brauchst und bereit bist, für den Look viel Geld auszugeben, dann lohnt sich die Watch 4 Pro. Die gleichen Funktionen gibts aber auch bereits bei einem günstigen Smartband. Oder du bleibst für die elegante Optik schlicht und einfach bei einer analogen Uhr.

Titelfoto: Lorenz Keller

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Gadgets sind meine Passion – egal ob man sie für Homeoffice, Haushalt, Smart Home, Sport oder Vergnügen braucht. Oder natürlich auch fürs grosse Hobby neben der Familie, nämlich fürs Angeln.

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