Eine Woche kein Internet mit dem antiken Powerbook G4
Hintergrund

Eine Woche kein Internet mit dem antiken Powerbook G4

David Lee
19.6.2023

Ich hätte eine Woche mit dem Macintosh Powerbook G4 arbeiten sollen. Stattdessen versuchte ich eine Woche lang, ins Web zu kommen. Mehr oder weniger erfolglos. Ein bisschen mit dem Oldie gearbeitet habe ich dennoch.

An das Powerbook G4 Titanium habe ich lebhafte Erinnerungen. Es war 2001 mein erstes Notebook überhaupt. Bis heute ist es der mit Abstand teuerste Computer, den ich je besessen habe. 4500 Franken blätterte ich damals hin. Das war der Studentenpreis, also mit Rabatt, und es war die günstigere Ausführung mit 400 MHz Taktfrequenz. Die Variante mit 500 MHz hätte 6000 Franken gekostet – mit Studentenrabatt. Aber auch mit der Billigversion erntete ich Bewunderung. Klappte ich an der Uni mein Notebook auf, kamen wildfremde Leute an meinen Tisch und fragten, ob sie das Ding auch mal anfassen dürfen.

Dabei sieht das Titanium-Powerbook nach heutigen Massstäben gewöhnlich aus. Silbrig, dazu eher etwas klobig und schwer. Aber damals war das Design des Powerbook ungewöhnlich schlank und elegant. Das typische Notebook war dunkelgrau, klobig und sah nach beschwerlicher Arbeit aus. Heute siehst du solche Ungetüme nicht mehr. Das Design des Powerbooks hat dagegen den Test der Zeit bestanden.

Bisschen klobig, aber sonst sieht die antike Maschine von Apple gar nicht so viel anders aus als ein heutiges Notebook.
Bisschen klobig, aber sonst sieht die antike Maschine von Apple gar nicht so viel anders aus als ein heutiges Notebook.
Quelle: David Lee

Eine geringfügig neuere, aber identisch aussehende Version meines damaligen Titanium-Powerbooks befindet sich nun auf meinem Schreibtisch. Die Anschaffungskosten waren dieses Mal mit 80 Franken etwas tiefer. Die Erwartungen ans Gerät allerdings auch.

Erster Eindruck

Schon beim Transport merke ich, dass meine Erwartungen immer noch zu hoch sind. Ich hatte das Gerät leichter in Erinnerung. Viel leichter. Auch das Aufstarten dauert ungewohnt lange. Wie leicht man doch vergisst, wie langsam das Laden vor den Zeiten von SSDs war. Beim Versuch, die Bildschirmhelligkeit aufzudrehen, stelle ich fest, dass sie bereits auf dem Maximum ist. Mein heutiges Ich findet das entschieden zu dunkel – so kann man doch nicht arbeiten! Damals war das voll okay.

Gewöhnungsbedürftig ist auch, dass sich der Deckel nur öffnen lässt, wenn ich gleichzeitig den dafür zuständigen Knopf auf der Frontseite drücke. Die Anschlüsse befinden sich nicht auf der Seite, sondern hinten, und lassen sich mit einer Abdeckplatte verbergen.

Die Anschlüsse sind hinten.
Die Anschlüsse sind hinten.
Quelle: David Lee
Eine Abdeckung veredelt das Design.
Eine Abdeckung veredelt das Design.
Quelle: David Lee

Mein jetziges Exemplar läuft mit fantastischen 667 MHz. Installiert ist Mac OS X 10.1, während auf meinem Notebook von 2001 anfangs noch OS 9.2 lief.

Die Sache mit dem Internet

Das Titanium G4 kann sich auf zwei Arten mit dem Internet verbinden: Über ein Netzwerk-Kabel oder über eine Telefonleitung. WLAN gibt es nicht.

Also verbinde ich den Router per Ethernet mit dem Powerbook. Ich starte den Internet Explorer 5.1. Das ist der auf dem System vorinstallierte Webbrowser – Safari gab es damals noch nicht. Ich tippe www.google.ch ein. Es scheint zu funktionieren. Dass die Darstellung nicht ganz korrekt ist, damit habe ich gerechnet. Schliesslich ist es der Internet Explorer.

Ich bin im Internet! Auf den ersten Blick sieht das gar nicht schlecht aus. Doch der Eindruck täuscht.
Ich bin im Internet! Auf den ersten Blick sieht das gar nicht schlecht aus. Doch der Eindruck täuscht.
Quelle: David Lee

Sobald ich einen Suchtreffer anklicke, kommt eine Fehlermeldung. Entweder «Sicherheitsfehler: Die Antwort des Servers ist ungültig.» oder «Sicherheitsfehler: Es konnte keine sichere Verbindung hergestellt werden.» So lässt sich das Web nicht nutzen.

Das Anklicken eines Google-Suchtreffers erzeugt immer einen Sicherheitsfehler.
Das Anklicken eines Google-Suchtreffers erzeugt immer einen Sicherheitsfehler.
Quelle: David Lee

Das Problem

Mein erster Verdacht fällt auf den Internet Explorer. Der war schon immer ein bisschen speziell, und das nicht unbedingt im positiven Sinne. Folglich mache ich mich auf die Suche nach alternativen Browsern. Bei Firefox muss ich bis zur Version 1 zurück, bereits Version 2 läuft nicht mehr auf meinem System. Mit Firefox habe ich das gleiche Problem wie mit dem IE, auch wenn die Fehlermeldungen etwas anders lauten. Und bei iCab 3.0.5 ebenso. Diese beiden Browser stellen die Google-Seite besser dar als der IE, aber das ist ein schwacher Trost.

Da es sich bei meinem Problem um Sicherheitsfehler handelt, fummle ich ein wenig mit den Zertifikaten in Firefox herum, ohne zu wissen, was ich genau tue. Wenig überraschend bringt das nichts. Irgendwann komme ich darauf, dass das Problem viel grundlegender ist: Die alten Browser sind nicht mit neuen Sicherheitsstandards kompatibel. Sie verwenden das Verschlüsselungsverfahren SSL, das mittlerweile kein Server mehr unterstützt, weil es als unsicher gilt. Falls die alten Browser doch das modernere TLS verwenden, dann eine veraltete Version davon.

Unverschlüsselte Verbindungen würden noch funktionieren, aber die gibt es mittlerweile kaum noch. Gebe ich «http://» statt «https://» ein, werde ich in der Regel auf eine verschlüsselte Verbindung umgeleitet. Google ist eine Ausnahme.

Der Lösungsversuch

Im Web habe ich – natürlich mit meinem aktuellen Computer – einen Workaround gefunden. Er besteht darin, einen eigenen Proxy-Server einzurichten, der die verschlüsselten Web-Verbindungen empfängt und unverschlüsselt an das Powerbook weiterleitet. Klingt für mich abschreckend, denn ich bin alles andere als ein Netzwerkspezialist. Vor vielen Jahren habe ich aber mal erfolgreich einen Webserver auf einem Raspberry Pi installiert. Also hole ich meinen alten Raspberry Pi von 2012 aus der Mottenkiste, um darauf die Webserver-Software nginx zu installieren.

Beim ersten Einschalten des Raspi stelle ich fest, dass das System nicht mehr richtig startet. Also lade ich die aktuelle Version von Raspberry Pi OS herunter und installiere das System neu.

Nun habe ich zwei alte Geräte in Betrieb. Das neue System ist auf dem alten Pi unerträglich langsam. Ich habe ganz viel Zeit, über die Absurdität meines Vorhabens nachzudenken. Mit einem über zehn Jahre alten Raspberry Pi ein über zwanzig Jahre altes Notebook ins Netz bringen? Brillante Idee. Immerhin: Nginx ist einfach zu installieren – eine Zeile im Terminal, das war’s.

Den Proxy auf dem Powerbook zu konfigurieren, ist schon nicht mehr einfach. Für mich zumindest. Da die Proxy-Verbindung sowohl im System als auch im Browser konfiguriert werden kann, gibt es für einen Proxy-Anfänger wie mich viele Möglichkeiten, etwas falsch zu machen.

Nachdem ich vermutlich alle falschen Konfigurationen durchprobiert habe, passiert doch noch etwas. Es werden Webseiten geladen, die zuvor nur Fehlermeldungen generierten. Allerdings lassen sich viele Seiten immer noch nicht öffnen. Warum, weiss ich nicht. Immerhin: Die wichtigste Website der Welt, digitec.ch, reagiert. Sie funktioniert im Sinne von «es werden Daten übertragen». Wirklich nutzen kann ich sie nicht.

Die digitec-Seite zeigt ein bisschen Text an. Für mehr reicht es nicht.
Die digitec-Seite zeigt ein bisschen Text an. Für mehr reicht es nicht.
Quelle: David Lee

Das Layout ist unbrauchbar, sowohl auf dem IE als auch auf Firefox und iCab. Da fehlen so grundlegende Elemente wie Bilder oder Links. Wenn ich in Firefox CSS deaktiviere, werden die Bilder sichtbar, sind aber viel zu gross. Das kann ich auch nicht ändern, denn in den alten Browsern lässt sich nur die Schrift verkleinern oder vergrössern. Die Bilder sind, wie sie sind.

Fazit: Auch mit dem Proxy kann ich auf dem Powerbook das Internet im Jahr 2023 nicht mehr sinnvoll nutzen. Das Web hat sich in den letzten 20 Jahren zu stark verändert. Das habe ich völlig unterschätzt. Da spielen mir auch die Erinnerungen einen Streich. Ich hatte im Kopf, dass ich auf dem Powerbook Youtube-Videos schaute, aber das kann nicht sein – Youtube gibt es erst seit 2005.

Ich arbeite nun doch noch etwas damit

Um trotzdem mit dem Notebook zu arbeiten, schreibe ich den Artikel damit, den du gerade liest. Einen Text schreiben, das sollte wirklich kein Problem sein.

Zumindest solange die Keycaps nicht abbrechen. Bei meinem ersten Notebook spickte plötzlich die G-Taste durch die Gegend, als ich mit etwas viel Verve in die Tasten griff. Sie liess sich zum Glück kostengünstig wieder anleimen. Und auch dieses Exemplar hat eine lose Taste: Hier ist es die mit dem Punkt.

Ich bin dann mal weg, sagt mir diese Taste.
Ich bin dann mal weg, sagt mir diese Taste.
Quelle: David Lee

Eine Bastelaktion kann ich vorderhand vermeiden, da die Taste am Rande noch hält und sich wieder ins Raster eindrücken lässt. Aber auch nur, weil ich den Punkt nicht allzu oft brauche.

Ich schreibe mit der mitgelieferten App TextEdit. Die gibt es heute noch und sie hat sich in den über zwanzig Jahren kaum verändert. Das gefällt mir. Allzu oft kommt es vor, dass Dinge, die zu Ende entwickelt sind, immer weiter «verbessert» werden. Und damit verschlimmbessert.

Gespeichert wird auf einen USB-Stick, den ich anschliessend an meinem modernen Mac Mini einstecke. Der Stick hat laut Powerbook das Format «Macintosh PC-Exchange (MS-DOS)», was nichts anderes heisst als FAT32.

Es ist entspannend, an einem Gerät zu arbeiten, das offline ist. Nichts lenkt ab. Noch angenehmer wäre das Schreiben mit dem modernen, externen Bildschirm. Den kann ich aber nicht anschliessen. Das Powerbook hat noch kein HDMI und mir fehlt der passende DVI-Adapter.

Der Akku ist besser als er selbst behauptet

Der Akku ist bei alten Geräten immer ein Schwachpunkt. Beim Titanium G4 lässt er sich ganz einfach auswechseln: Schieber zurück, Akku raus, neuer Akku rein. Aber heute noch einen frischen, leistungsfähigen Originalakku zu bekommen, scheint ein Ding der Unmöglichkeit. Sie werden wohl schon lange nicht mehr hergestellt. Die Nachbildungen sind Glückssache und sie würden mich mindestens so viel kosten wie der ganze Computer.

Aus irgendeinem Grund zeigt das Notebook die verbleibende Akkuzeit nicht an. Ich teste also, wie lange der Akku hält.

16:02 Die Batterie ist voll (100%, laut Computer).

16:10 Die Batterie ist voll.

16:10 Nach einem Klick aufs Batteriemenü: 8 Prozent und die Warnmeldung: «Sie arbeiten jetzt mit Reserve-Batteriestrom. Verbinden Sie bitte Ihren Computer mit dem Stromnetz.»

16:15 4%.

16:18 3%.

16:27 Das Notebook zeigt mir jetzt plötzlich nicht mehr 3 Minuten verbleibende Zeit an, sondern 54 Minuten. Woohoo!

16:48 2% und angeblich noch 35 Minuten.

17:17 1%.

17:17 0%, das Gerät macht seine Drohung wahr und fährt sich selbst herunter.

Wenn ich mich von den Warnmeldungen nicht beeindrucken lasse, kann ich über eine Stunde ohne Netzstrom arbeiten. Gar nicht mal so schlecht. Das Problem sind eher die Kapazitätsangaben – sie taugen bei so einem alten Akku nichts. Lasse ich mir nicht die Prozentzahl, sondern die verbleibende Zeit anzeigen, springt die Anzeige nach einer Minute von voll auf «0h 0min». Das muss ich allerdings nicht ernst nehmen.

Blast from the past

Viel machen kann ich mit dem Computer nicht. Meine Games und Programme von damals habe ich alle weggeworfen. Ich konnte ja 2003 nicht wissen, dass ich zwanzig Jahre später wieder vor dem gleichen Notebook sitze. Unter anderem besass ich «Black & White», ein damals völlig neuartiges Spiel, bei dem du einen Gott spielst und es dir frei steht, gut oder böse zu sein.

Was ich noch habe: Eine selbst gebrannte Daten-CD von 2002. Ja, es ist tatsächlich eine CD, keine DVD. Ich habe als Backup CDs gebrannt.

Auf dem Datenträger befinden sich neben Arbeiten für die Uni viele Gedanken in Textform, das Meiste davon aus heutiger Sicht unnötig bis peinlich. Dasselbe gilt für die alten Bandaufnahmen, bei denen ich mich frage, warum ich sie nicht gleich gelöscht habe.

Wahrscheinlich, weil es das erste Mal war, dass ich überhaupt eigene Aufnahmen in Dateiform hatte. Ich musste sie dazu von der MiniDisc auf das Titanium-Notebook überspielen. Sie jetzt auf einem Powerbook von damals zu hören, verursacht Nostalgie- und Schamgefühle gleichermassen.

Tröstlich immerhin: Auch ich wurde in den letzten 20 Jahren besser, nicht nur die Technik um mich herum. Die Notebooks haben aber eindeutig die grösseren Fortschritte gemacht als ich.

Titelfoto: David Lee
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    Themenwoche: Wir verzweifeln eine Woche lang an alter Technologie

    von David Lee

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Durch Interesse an IT und Schreiben bin ich schon früh (2000) im Tech-Journalismus gelandet. Mich interessiert, wie man Technik benutzen kann, ohne selbst benutzt zu werden. Meine Freizeit ver(sch)wende ich am liebsten fürs Musikmachen, wo ich mässiges Talent mit übermässiger Begeisterung kompensiere. 


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