Einweg-Vapes: Sondermüll mit hohem Suchtpotenzial
Meinung

Einweg-Vapes: Sondermüll mit hohem Suchtpotenzial

Patrick Vogt
4.4.2024

Einweg-Vapes sind inzwischen in aller Munde, zumindest gefühlt. Ich bin unter anderem dank ihnen von der Zigarette weggekommen. Trotzdem finde ich, dass die Welt ohne diese quietschbunten und zuckersüssen Nuckelstängel eine bessere wäre.

Irgendwann Mitte Februar. Ich habe mir nicht mal das Datum gemerkt. Der Tag, an dem ich aufgehört habe zu rauchen. Vielleicht, weil das «Wann» gar nicht mal so wichtig ist, sondern vielmehr, dass ich es nach etwa 30 Jahren als Raucher endlich geschafft habe. Auslöser war nicht etwa mein eiserner Wille, sondern die klassische Suchtverlagerung. Ich inhaliere weiterhin Nikotin, einfach dampfend und nicht mehr rauchend.

  • Hintergrund

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    von Patrick Vogt

Bei meinem schleichenden Übergang von der Tabakzigarette zur E-Zigi spielten auch Wegwerf-Vapes eine Rolle, zumindest am Anfang. Ich kaufte mir ein paar dieser Dinger, um zu schauen, ob das überhaupt was für mich sein könnte. So bin ich mit der Zeit zu meinem ersten Mehrweg-Verdampfer mit Kartuschen-System gekommen. Heute dampfe ich ausschliesslich mit einer E-Zigarette, die ich selbst mit nikotinhaltigen Liquids befülle.

An dieser Stelle wendest du nun vielleicht ein, dass ich der Letzte sei, der Einweg-Vapes verteufeln darf. Da magst du sogar recht haben. Ich tue es trotzdem. Rückblickend hätte ich den ersten Schritt mit den Einweg-Vapes nämlich locker überspringen können. Wie sagt man so schön: Hinterher ist man immer schlauer. Auch was die gewichtigen Nachteile von Einweg-Vapes für Mensch und Umwelt angeht.

Opium fürs Jungvolk

Stehe ich vor einer Auslage mit Einweg-Vapes, wähne ich mich in einem Süssigkeitenladen. In allen Farben kommen sie daher, zum Teil leuchten oder blinken sie, wenn du daran ziehst. Dazu kommen die verführerischen, fruchtig-süssen Aromen wie «Pink Lemonade», «Guava Kiwi Passion Fruit» oder «Peach Mango Smoothie». Beworben werden die Dinger immer wieder von mehr oder weniger bekannten Menschen in den sogenannten sozialen Medien wie Instagram oder TikTok. Kurz: Das Zielpublikum der Hersteller von Einweg-Vapes sind ganz offensichtlich die Jungen.

So weit, so ungut. Denn von Einweg-Vapes fühlen sich nunmal längst nicht nur junge Erwachsene angesprochen, sondern auch ganz viele Minderjährige. Und das entwickelt sich immer mehr zum Problem. Oder hat es bereits, wie «Sucht Schweiz» schon 2023 besorgt schrieb. Hält ein «Chocolate Strawberry Cheesecake»-Vape einen Mann fortgeschrittenen Alters wie mich vom Rauchen ab, verleitet er eine 15-Jährige, die vorher nie geraucht hat, in die Nikotinsucht. Das ist schlecht. Sehr schlecht.

Einweg-Vapes: Bunt wie Smarties … und viel schädlicher.
Einweg-Vapes: Bunt wie Smarties … und viel schädlicher.
Quelle: Shutterstock / Yarrrrrbright

Erhältlich wie Kaugummi

Meine ersten Einweg-Vapes musste ich vor einigen Jahren im Fachhandel kaufen, die gab es sonst nirgends. Inzwischen kriegst du sie am Kiosk und im Detailhandel. Ja, auch wir verkaufen haufenweise Einweg-Vapes. Bis zum Rüffel der «Arbeitsgemeinschaft Tabakprävention Schweiz» wegen offenbar gesetzeswidriger Modelle vor kurzem hatten wir sogar noch viel mehr im Sortiment. Die Verkäufe von E-Zigaretten sind in den letzten Jahren sprunghaft in die Höhe geschossen, besonders die von den Wegwerfprodukten. Dass von diesem Kuchen alle ein Stück abhaben wollen, verwundert da kaum.

Dass in der Schweiz praktisch jede und jeder überall und jederzeit an E-Zigaretten kommt, liegt daran, dass es keine einheitlichen Regeln gibt. Auch was den Verkauf angeht. Aktuell gelten Vapes nach Schweizer Recht noch als Gebrauchsgegenstände und fallen in den Geltungsbereich des Lebensmittelgesetzes. Gesetzliche Bestimmungen zum Jugendschutz gibt es auf Bundesebene bislang keine. Das ändert sich jedoch bald. Im neuen Tabakproduktegesetz, das voraussichtlich Mitte 2024 in Kraft treten wird, werden E-Zigaretten den Tabakerzeugnissen gleichgestellt. Sie dürfen somit nicht mehr an unter 18-Jährige verkauft werden. Von niemandem.

Unabhängig davon ist der Verkauf von E-Zigaretten an Minderjährige in elf Kantonen schon jetzt verboten, unter anderem in der ganzen Westschweiz. Zudem verpflichten sich Vertreter der Branche seit Jahren zu Verkaufsregeln im Sinne des Jugendschutzes, so etwa die «Swiss Vape Trade Association». Das ist löblich. Und es verdeutlicht gleichzeitig die Probleme, die der bestehende Flickenteppich mit all seinen Schlupflöchern beim Jugendschutz mit sich bringt.

Zugegeben, dieses Symbolbild ist echt schlecht. Trotzdem soll es unterstreichen, dass es höchste Zeit ist für einheitliche Gesetze in der Schweiz.
Zugegeben, dieses Symbolbild ist echt schlecht. Trotzdem soll es unterstreichen, dass es höchste Zeit ist für einheitliche Gesetze in der Schweiz.
Quelle: Shutterstock / Reshetnikov_art

Die korrekte Entsorgung

Die E-Zigi zum Wegwerfen besteht hauptsächlich aus Kunststoff, aber eben nicht nur. Erschwerend hinzu kommt bei ihr die Lithium-Ionen-Batterie, die sie am Laufen hält, solange du daran ziehen kannst. Deshalb gehört sie anschliessend weder in den Hauskehricht noch in den Sammelsack für Kunststoffabfälle. Dass das nicht nur bei den Einweg-Vapes vielfach falsch gemacht oder ignoriert wird, davon zeugt die Zunahme von Bränden in Sammelstellen, über die der «Kassensturz» jüngst berichtet hat.

Weil es bislang weder in Europa noch der Schweiz eine offizielle Regelung für die Entsorgung von Einweg-Vapes gibt, empfiehlt die «Swiss Vape Trade Association», sie wie eine Batterie zu entsorgen oder in ein Geschäft der Verbandsmitglieder zurückzubringen. Mehrweg-Vapes wiederum gehören wegen der wiederaufladbaren Akkus auf den Elektroschrott.

Nein, auch am Strassenrand haben leergesaugte Einweg-Vapes nichts verloren!
Nein, auch am Strassenrand haben leergesaugte Einweg-Vapes nichts verloren!
Quelle: Shutterstock / Massimiliano Finzi

Verbieten oder nicht, das ist hier die Frage

34 Länder haben Einweg-Vapes schon verboten oder die entsprechenden Gesetze auf den Weg gebracht, darunter Australien, Grossbritannien oder Frankreich. Ganz im Sinne der Weltgesundheitsorganisation, welche die Regierungen Ende 2023 dringlichst dazu aufrief, im Umgang mit E-Zigaretten zu handeln. Denn in ganz vielen Ländern gibt es noch gar keine Regulierungen wie etwa ein gesetzliches Mindestalter für den Kauf von E-Zigaretten. Tritt in der Schweiz kommenden Juni das neue Tabakproduktegesetz in Kraft, sind wir wenigstens diesbezüglich mal einen Schritt weiter.

Ein Verbot von Wegwerf-Vapes hierzulande erscheint angesichts der starken Lobby illusorisch, auch wenn genau das aus Politik und Medizin vereinzelt gefordert wird. Dass die Dinger bezüglich Suchtpotenzial und Umweltbelastung ein Problem sind, ist auch beim Bundesrat angekommen. Konkrete Massnahmen hat er mit Verweis auf das neue Tabakproduktegesetz bislang jedoch abgelehnt. Zudem sei man daran, das Recycling von E-Zigaretten zu verbessern.

Regulieren und kontrollieren statt verbieten

Als ehemaliger Raucher und nach wie vor Nikotinsüchtiger bin ich froh um die E-Zigarette. Das ändert nichts daran, dass ich die Einweg-Vapes aus obengenannten Gründen für eine Seuche halte, ohne die wir besser dran wären. Aber wie sagte schon ein grosser Philosoph unserer Zeit: «Wäre, wäre, Fahrradkette.» Diese Dinger sind gekommen um zu bleiben, passen sie doch wunderbar in unsere Wegwerfgesellschaft, die wir trotz anderslautender Bestrebungen immer noch sind. Sie zu verbieten würde das Problem nur zum Schein lösen und dafür neue schaffen, beispielsweise einen Schwarzmarkt dafür. Die Prohibition in den USA lässt grüssen.

Statt eines Verbots braucht es klare Regeln, was den Einkauf, Verkauf und Handel von E-Zigaretten angeht, insbesondere Einweg-Vapes. Regeln, die über das Gesetz hinausgehen, das bald in Kraft tritt. Regeln, die von den Behörden strenger kontrolliert werden. Regeln, die es mir und anderen mündigen Bürgerinnen und Bürgern weiterhin ermöglichen, die Finger vom Tabak zu lassen und unserer Nikotinsucht trotzdem nachzugeben. Einweg-Vapes braucht es dafür gar nicht … womit wir wieder am Anfang wären.

Titelbild: Shutterstock / Aleksandr Gavrilychev

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Ich bin Vollblut-Papi und -Ehemann, Teilzeit-Nerd und -Hühnerbauer, Katzenbändiger und Tierliebhaber. Ich wüsste gerne alles und weiss doch nichts. Können tue ich noch viel weniger, dafür lerne ich täglich etwas Neues dazu. Was mir liegt, ist der Umgang mit Worten, gesprochen und geschrieben. Und das darf ich hier unter Beweis stellen. 


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