Kritik

Filmkritik: «Once Upon a Time... in Hollywood» ist Tarantinos Märchen ohne Biss

Luca Fontana
2.8.2019

Brad Pitt und Leonardo DiCaprio spielen in «Once Upon a Time... in Hollywood» zwei Haudegen der alten Sorte. Dabei frönt Regisseur Tarantino seine Liebe fürs Retro-Hollywood der 1960er-Jahre – und offenbart überraschend Schwächen.

Es ist eine tiefe Verneigung vor dem glamourösen Hollywood Ende der 1960er, die Quentin Tarantino mit «Once Upon a Time... in Hollywood» macht. Damals sorgten noch die Larger-than-life-Filmstars für Glamour und volle Kinokassen – statt wie heute Fortsetzungen, Reboots und filmübergreifende Franchises.

Was taugt der Film?

Tarantino-typisch passiert erstmal gar nicht so viel, dann noch viel weniger, bevor zum Schluss doch noch die Hölle losbricht. Das macht Tarantino-Filme aus, auch wenn der Regisseur seine unverkennbare Kino-Klaviatur schon besser bespielt hat. Denn «Once Upon a Time... in Hollywood» ist in seinen besten Momenten der Film des Jahres, in seinen miesesten aber die reinste Folter.

Ein abgehalfterter Star und sein Stuntman

Rick Dalton (Leonardo DiCaprio) und sein loyaler Freund Cliff Booth (Brad Pitt) erkennen Hollywood nicht wieder. Rick, der Star einer einst erfolgreichen TV-Westernserie, muss sich damit abfinden, zum alten Eisen zu gehören: Die einzigen Rollen, die er noch kriegt, sind jene des Bösewichts, der vom jungen, aufstrebenden Schauspieler vermöbelt wird.

Cliff geht’s noch schlechter: Wegen seiner zwielichtigen Vergangenheit, in der er möglicherweise, möglicherweise auch nicht, seine Frau ermordet hat, und Ricks sinkendem Hollywood-Stern, kriegt er kaum noch Jobangebote. Denn Cliff ist seit jeher Ricks Stuntman. Momentan aber mehr sein persönlicher Fahrer, Laufbursche und seine moralische Stütze.

Rick und Cliff lernen Hollywood-Agent Marvin kennen
Rick und Cliff lernen Hollywood-Agent Marvin kennen
Quelle: Sony Pictures

Dann soll Rick Dalton nach einem Treffen mit Hollywood-Agent Marvin Schwarz (Al Pacino) nach Italien, um in Spaghetti-Western mitzuspielen. Allerdings nicht, bevor Schauspielerin Sharon Tate (Margot Robbie) und Regisseur Roman Polanski (Rafal Zawierucha) seine Nachbarn werden, Bruce Lee (Mike Moh) aufkreuzt und ein ahnungsloser Cliff Booth in Charles Mansons Sekte stolpert. Der Charles Manson, der Sharon Tate 1969 auf grausamste Weise hat ermorden lassen.

Das Hollywood der 1960er Jahre

Im Grunde genommen ist es ein Märchen, das Tarantino da erzählt. Das fängt schon beim Titel an: Es war einmal… in Hollywood.

Da sind zwei Typen, die zwar Freunde sind, aber genauso gut Brüder sein könnten. Ein Film-Business, das glamouröser kaum wirken könnte, aber eigentlich erbarmungslos und kaltherzig ist. Wie in einem Märchen nimmt Tarantino historische Fakten nie besonders ernst. Kennen wir schon aus «Inglourious Basterds».

Aber «Once Upon a Time... in Hollywood» wirkt gerade deshalb so märchenhaft, weil das ganze Drumherum stimmt: ganze Stadtteile LAs sind komplett verwandelt worden, als ob jemand in die Vergangenheit gereist und dort gedreht hätte. Überall knallbunte, hautenge T-Shirts mit weiten Hosen, swingende Musik, alte Autos und gute Laune. Es ist ein knietiefes Bad in der Retro-Nostalgie der 1960er-Jahre, das wir Zuschauer nehmen dürfen.

Brad Pitt als charmant-lässiger Cliff Booth
Brad Pitt als charmant-lässiger Cliff Booth
Quelle: Sony Pictures

Dann folgt der Film einem typischen Tag seiner beiden Protagonisten. Rick ist der seiner Stellung beraubte TV-Star, dessen Hollywood-Karriere nie so richtig abgehoben ist. Seinen Frust ertränkt er in Alkohol. Etwas Weisheit kriegt er von einem achtjährigen Mädchen, das ihm etwas voraus hat: Method Acting. Im Jahr 1969. Witzige Idee.

Das Highlight des Films ist eine gut zehnminütige Szene auf Ricks Hausdach, in der Cliff die TV-Antenne repariert. Warum die Szene, wie sie da ist, so gut ist und überhaupt existieren darf, will ich dir nicht vorwegnehmen. Nur soviel: Teufelskerl Tarantino. Dem gelingen Dinge, die auf Papier nach einer furchtbar schlechten Idee klingen.

Leonardo DiCaprio tanzt den Twist als Rick Dalton – mit Zigarette in der Hand
Leonardo DiCaprio tanzt den Twist als Rick Dalton – mit Zigarette in der Hand
Quelle: Sony Pictures

Einmal läuft ein Film im Film. Zehn Minuten lang. Der Film im Film ist so gut, dass ich ihn unbedingt als Bonusmaterial und in Spielfilmlänge auf der Blu-ray haben will. Dann muss Rick im dümmsten Moment nach dem Text fragen. «Ah ja, ist ja bloss der Film im Film», denke ich mir. Ricks anschliessender Ausraster ist Stoff für kommende Internet-Memes. Das sind die Momente, in denen Tarantinos Liebesbrief an Hollywood zum Besten gehört, was ich dieses Jahr im Kino gesehen habe. Momente voller Cleverness. Perfekt.

Aber dann kommt der zweite Akt. Die reinste Tortur.

Tarantino verlernt sein Filmhandwerk

Das Problem mit diesem ganzen Retro-Nostalgie-Abgesang-Gedöns: Irgendwann ist’s auch mal gut. Denn Tarantinos «Hollywood» plätschert gerade im zweiten Akt lustlos vor sich hin. Vor allem, weil nichts Nennenswertes passiert. Mehrmals habe ich mich genervt, dass ich keinen Schimmer habe, was der Film eigentlich von mir will.

Etwa bei den total chaotischen Zeitsprüngen, die von einer Stimme aus dem Off erklärt werden müssen – ein lausiger Griff in die erzählerische Trickkiste, gleich nach erklärenden Texteinblendungen, auch wenn sie einmal alle tausend Filme funktioniert. Das fällt deswegen so sehr auf, weil Tarantino seine eigentlichen Stärken nie ausspielt: Messerscharfe Dialoge, kuriose Schnitte oder starke Frauenfiguren. Alles im Film wirkt ausgelutscht.

Oder, als die beiden Freunde einen von Ricks Filmen angucken. Die Szene zieht sich und führt ins Reingarnichts. Natürlich hat das eine gewisse Selbstironie, wenn der 44-jährige Leonardo DiCaprio und 55-jährige Brad Pitt zwei alternde Loser in ihrer Midlife-Crisis spielen. Aber nicht zehn Minuten lang. Nicht, wenn’s kein Pay-Off gibt. Ich will schlafen gehen. Was soll das, Tarantino?

Das Schlimmste: Margot Robbie. Sie wird total verschenkt, weil sie als Sharon Tate überhaupt nichts anderes tun darf, als gut auszusehen. Falls Tarantino mit Erwartungen spielen und seine Zuschauer überraschen wollte, dann ist ihm das gelungen – im negativen Sinne.

Margot Robbie als Sharon Tate sieht gut aus – mehr nicht.
Margot Robbie als Sharon Tate sieht gut aus – mehr nicht.
Quelle: Sony Pictures

Kurz, bevor der Film an seiner eigenen Lässigkeit scheitert, rettet er sich in den dritten und letzten Akt, wo 90 Prozent der Action passiert. Die pure Eskalation, ganz Tarantino-typisch. Vergnügt ertappe ich mich dabei, wie ich mich frage, wie genau wir jetzt dahin gelangt sind. Das habe ich alles so nicht kommen sehen. Das ist genial.

Da sind sie wieder, diese Momente, für die ich «Once Upon a Time... in Hollywood» liebe.

Fazit: Zahm, aber erfrischend unkonventionell

«Once Upon a Time… in Hollywood» gehört zu jener Sorte Film, über die ein Urteil zu fällen verdammt schwierig ist. Geniale Momente, die das Genie Tarantinos aufblitzen lassen, gehen Hand in Hand mit einem selbstgefälligen zweiten Akt, der mies konstruiert und schlecht erzählt ist. Dazu lässt «Once Upon a Time… in Hollywood» gerade in den Dialogen jeglichen Biss vermissen, der Tarantino eigentlich ausmacht.

Trotzdem mag ich den Film. Vielleicht, weil seine Ode an die 1960er auf all das pfeift, was Hollywood sonst so fürs Kino produziert. So ist «Once Upon a Time… in Hollywood» zwar oft zu zahm – manchmal geradezu eine Tortur –, aber trotzdem erfrischend unkonventionell.

Quentin Tarantino und seine Schauspieler
Quentin Tarantino und seine Schauspieler
Quelle: Sony Pictures

Der Erfolg an den Kinokassen gibt Tarantino recht. «Once Upon a Time… in Hollywood» hat den erfolgreichsten Wochenend-Start, den ein Tarantino-Film je hingelegt hat.

Sehen kannst du «Once Upon a Time… Hollywood» ab dem 15. August in allen Schweizer Kinos. Der Film dauert 161 Minuten.

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