Produkttest

Fossil Q Marshal – Meine erste Smartwatch

Ich mag Smartwatches mehr im Konzept als in der Ausführung. Weil für den kleinen offensichtlichen Mehrwert haben sie mir bisher einfach zu viel gekostet. Zeit, mich meinen Vorurteilen zu stellen.

Marketingmanagerin Michelle steht vor mir und sagt: «Willst du mal eine Smartwatch testen? Du testest ja eh alles, was irgendwie Smart ist». Kann ich schon machen, gebe ich zur Antwort, weil von wollen kann nicht wirklich die Rede sein. Smartwatches sind in meinem Leben das eine Gadget, das ich als total überflüssig befinde und jetzt soll mich die Q Marshal eines besseren belehren. Ich habe dafür meine Gründe:

  • Eine Smartwatch ist kein eigenständiges Gerät
  • Sie sind meist klobig, schwer und alles andere als filigran
  • Der Bildschirm ist zu klein
  • Ich trage ohnehin keine Uhren

Aber: Als ich vor kurzer Zeit die Vector Luna reviewt habe, habe ich etwas Blut geleckt. Mehr Informationen am Handgelenk sind schon irgendwie sexy. Ich sehe, warum sich Menschen bewusst für eine Smartwatch entscheiden. Trotzdem: Ist das wirklich was?

So, genug gemotzt. Michelle drückt mir die Fossil Q Marshal in die Hände und wünscht mir viel Spass. Ja, danke vielmals. Grummelnd setze ich mich also mit Smartwatches auseinander, da ich ich das nicht mehr getan habe, seit die ersten Smartwatches auf den Markt gekommen sind, Ruhe in Frieden Pebble. Und die Q Marshal ist also meine erste vollständig smarte Smartwatch, die mit allen Features und so daherkommt. Der Test beginnt.

Alles spricht mit allem

Okay, das Teil sieht wesentlich edler aus, als ich erwartet habe. Nett ist auch, dass die Einbuchtung in der Kiste, in der die Q Marshal liegt, ein Q ist. Tut zwar nichts zur Sache, aber ist definitiv ein netter Touch. Smartwatches sind ja so eine Sache. Irgendwie muss eine ganze Menge Technologie auf kleinstem Raum untergebracht werden. Und eine Batterie braucht ja bekanntlich auch ihren Platz.

Die Box hat ein Q als Uhraufbewahrungseinbuchtung

Die Uhren, die ich damals angeschaut habe, waren ausserordentlich hoch, was mir schon mal nicht gefallen hat. Die Q Marshal ist zwar etwas höher als gehofft, aber sie kann locker als schicke Uhr durchgehen. Da ich – anders als Donald Trump – grosse Hände und breite Handgelenke habe, fällt das nicht so auf.

Das Setup ist relativ schmerzlos. Die Q Marshal benötigt für die Kommunikation mit dem Smartphone die App «Android Wear» für Android oder Apple iOS. Danach geht alles recht fix und einfach zum Punkt, wo ich bereits wieder vergessen habe, dass ich das je gemacht habe. Einmal musste ich als Security Feature eine Art Code verifizieren und das wars aber auch schon.

Bei Smartwatches gibt es ein wichtiges Feature, das längerem Setup bedarf: Das Zifferblatt. Das ist eine wichtige Entscheidung, denn es ist das erste, das du siehst, wenn du deine Smartwatch anblickst. Da aber jeder Trottel fernab jeden Geschmacks seine eigene Zifferblätter gestalten kann, musst du dich zuerst durch gefühlte dreissigtausend katastrophal grässliche Beleidungen ans Design kämpfen bevor du ein Zifferblatt findest, das einigermassen gut aussieht. Mein Tipp: Investier einen Franken oder zwei und kauf dir eins von den Premium-Zifferblättern. Die sind oft von Leuten gestaltet, die im echten Leben mal eine Uhr gesehen haben und manche wissen sogar, die Informationsflut auf dem Display nett unterzubringen, ohne dass die Uhrfunktion massgeblich beeinträchtigt wird. Zudem können sich einige sogar damit brüsten, dass sie ästhetisch nett anzusehen sind.

Eine der Websites, die es jedem ermöglicht, Zifferblätter zu machen ist FaceRepo, wo nach Uhren gefiltert werden kann. Aber auch da: Optische Beleidigungen und nur wenig Schönes.

Patriotismus hin oder her, aber das Teil ist einfach grauenhaft.

Nach etwas mehr als einer Stunde fluchen und wiederholter Hinterfragung der Menschheit, habe ich mich dann für das Daring Graphite HD entschieden. Schön dabei ist, dass die App diverse Feineinstellungen zulässt.

Wohl auch Geschmackssache, aber immerhin sieht das nach Uhr aus

Unauffällig bis Feierabend

Uhren haben im Alltag vor allem ein Feature: Sie fallen nicht auf, es sei denn sie werden gebraucht. Das kann die Q Marshal recht gut… so bis etwa um 18 Uhr.

Der Schrittzähler ist ein recht lustiges Feature, wenn jetzt auch nicht so der Oberhammer. Doch die Q Marshal macht im Alltag doch recht was her. Phantomvibrieren in der Hosentasche gehört definitiv der Vergangenheit an, da ich die Uhr natürlich am Handgelenk trage und dort ist sie wesentlich enger an meiner Haut als das Handy in der Hosentasche. Antworten kann ich auch, aber nur mit Emojis oder per Sprachnachricht. Letzteres funktioniert so: In bester Knight-Rider-Manier rede ich in meine Uhr rein, die Uhr übersetzt das gesagte in Text und sendet die Nachricht, ungeachtet des potentiellen Unsinns den die Uhr verstanden hat.

Ich hätte nie gedacht, dass dieses Bild je nützlich wird

Die Leute aus der Romandie und dem Tessin dürften hier klar im Vorteil sein, denn mit Schweizerdeutsch tut sich Android nach wie vor etwas schwer. Was aber auch nicht weiter erstaunlich ist, weil rein sprachlich ist Schweizerdeutsch so in etwa die grösste Sauordnung, die es gibt. Daher habe ich die Fossil-Uhr im Wesentlichen nur dazu verwendet, Nachrichten zu lesen und diese mit einem Daumen-Hoch oder dem Messenger-spezifischen Analog zu beantworten. Wirkliche Antworten habe ich nicht mal auf Englisch in die Uhr gesprochen, unter anderem auch weil mir das irgendwie doof vorkommt. Ich meine, da könnte ich ja geradeso gut anrufen.

Wie dem auch sei, die Bedienung der Uhr ist eigentlich recht intuitiv und ich kann mich an keinen spezifischen Zwischenfall erinnern, an dem ich mich verloren oder überfordert gefühlt habe. Gut gemacht, Fossil.

Erste-Welt-Probleme überall

Die Probleme treten dann auf, wenn die grösste Schwäche in der Hardware der Fossil Q Marshal auftritt: Der Akku. Die Leistung des Akkus ist grade mal knapp ausreichend. Jeden Abend muss das Teil aufgeladen werden und kurz nach Feierabend ist der Akku so bedrohlich tief, dass ich mich frage, ob die Uhr durchhält, bis ich zu Hause ankomme.

Das Laden der Uhr geht aber erstaunlich fix und nur nach wenigen Minuten kann die Q Marshal wieder in Betrieb genommen werden, ohne dass der Akku voll ist. Dazu braucht die Uhr einige Stunden. Für die Uhr wird, wie für jede Smartwatch, ein spezieller Charger benötigt, was Fluch wie Segen ist. Einen Handycharger haben wir alle mittlerweile im Büro und/oder im Auto. Ich habe sogar vier auf meinem Tisch. Weil Gründe. Und zu Hause liegen Charger-Kabel überall rum. Aber einen Uhradapter zu finden, ist schwierig. Den immer rumtragen ist auch mühsam. Daher ist es gut, dass der Akku immer gegen Abend abkratzt, weil dann bin ich eh zu Hause. Ist also ganz praktisch.

Das alles ist nicht wirklich schlimm, weswegen ich die unter Erste-Welt-Probleme einordne, also ein kleines Ärgernis im Kontext aller anderen Probleme im Alltag und im Rest der Welt.

Ein riesiger Vorteil, der komplett unerwartet war, ist die Spotify-Fernbedienungsfunktion. Im vollgepackten Bus muss ich nicht mehr mein Smartphone aus der Hosentasche hervorkramen, sondern kann einfach mit der Uhr Lautstärke regeln und Tracks überspringen. Das ist der Hammer, auch wenn viele von euch das wahrscheinlich schon lange erkannt haben. Noch besser: Wenn ich mit Bluetooth-Kopfhörer Musik höre und die Dinger eine Telefonie-Funktion haben, dann kann ich mit der Uhr den Anruf annehmen und einfach losquatschen. Das Handy bleibt in der Tasche. Total gut! Damit löst die Q Marshal ein Problem, von dem ich nicht wusste, das ich es habe.

Mein Fazit: Die Fossil Q Marshal ist nicht nur ein schönes Objekt, sondern kann auch ganz nützlich sein. Eine Smartwatch ist kein absolutes Must-Have im Alltag eines jeden Menschen, aber sie schafft auch nicht merklich mehr Probleme als dass sie löst. Wenn ihr jetzt eine Smartwatch wollt, die eine etwas nützlichere Spielerei ist, dann seid ihr mit der Fossil Q Marshal sicher gut bedient. Ich mochte das Teil wirklich während der Testphase.

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Journalist. Autor. Hacker. Ich bin Geschichtenerzähler und suche Grenzen, Geheimnisse und Tabus. Ich dokumentiere die Welt, schwarz auf weiss. Nicht, weil ich kann, sondern weil ich nicht anders kann.

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