Gegen schlaflose Nächte: Diese Hausmittel fördern den gesunden Schlaf
18.10.2022
Jeder zweite Erwachsene kämpft regelmäßig gegen ein Monster im Bett: die Schlaflosigkeit. Doch ruhelose Nächte können wir oft selbst in den Griff bekommen, bevor das Schlafproblem zur Schlafstörung wird.
Schlafen ist etwas Merkwürdiges: Unser Körper fällt in eine Art achtstündiges Koma, während sich unsere Gedanken in eine skurrile Traumwelt verabschieden. So eigenartig der Schlaf auch ist, er ist essenziell für unser psychisches und physisches Wohlbefinden. Wer an Schlafstörungen leidet, weiß: lieber acht Stunden in skurrilen Traumwelten als hellwach in der Wirklichkeit.
Was Schlafprobleme von einer Schlafstörung unterscheidet
Ruhelose Nächte sind die neue Volkskrankheit. Eine internationale Forschungsarbeit hat gezeigt: Acht Prozent der Menschen leiden an einer diagnostizierten Schlafstörung. Und jeden zweiten Menschen plagen zumindest temporäre Schlafprobleme.
Der Unterschied zwischen beiden liegt in der Störungsdauer, wobei die Grenze fließend ist. Eine unruhige Nacht hier und da gilt als normal. Anders ist es, wenn jemand über einen Zeitraum von rund drei Monaten regelmäßig über Schlaflosigkeit klagt: Der- oder diejenige sollte sich Hilfe im Schlaflabor suchen, sagt Dr. Brigitte Holzinger, Psychologin, Psychotherapeutin und Schlafcoach im Institut für Bewusstseins- und Traumforschung in Wien. Der Weg zum praktischen Arzt sei dabei nicht immer die beste Lösung: «Schlaf kommt im Medizinstudium kaum vor» weiß die Expertin. Zu schnell würden Schlafmittel verschrieben, die zwar kurzfristig helfen, aber keine langfristige Lösung sind. Ihr Rat: Lieber gleich Schlafmedizin-Expertinnen oder -Experten aufsuchen. Akkreditierte Schaflabore findest du bei der Österreichischen Gesellschaft für Schlafmedizin oder der Schweizerischen Gesellschaft für Schlafforschung, Schlafmedizin und Chronobiologie.
Damit ein Schlafproblem zu keiner Störung – also einer Insomnie – wird, gibt es ein paar nützliche Hebel in deiner Schlafroutine. Diese können dir das Einschlafen leichter machen. Wir haben mit Schlafcoach Holzinger über die Regeln der Schlafhygiene gesprochen und was du zuhause gegen temporäre Schlafprobleme unternehmen kannst.
Schlafprobleme: Was sind die Hintergründe?
Hinter Schlafproblemen – und der schwerwiegenderen Insomnie – steckt meistens Stress. Hält er dauerhaft an, nennt man den Zustand in der Schlafforschung «Hyperarousal»: ein anhaltender Anspannungszustand. «Stress in der Arbeit, aber auch existenzieller Stress können Auslöser von Schlafproblemen sein», sagt Holzinger.
Wer zu lange an solchen Anspannungszuständen leidet, läuft Gefahr, dass sich ungesundes Schlafverhalten zu einer Schlafstörung manifestiert. «Von einer Schlafstörung spricht man dann, wenn man über einen Zeitraum von drei Monaten mehrmals die Woche unter Ein- und Durchschlafproblemen leidet. Dann hat man die Diagnose: Insomnie.» Die Expertin rät, sich schon vorher professionelle Hilfe zu suchen, und zwar schon nach etwa einem Monat. «Sonst gewöhnt man sich schnell an den Zustand, die Störung manifestiert sich und die Behandlung wird schwieriger.»
Damit es erst gar nicht so weit kommt, gilt es, einige Regeln der Schlafhygiene zu beachten. Allen voran: die innere Uhr. Sie ist Basis des guten Schlafs. Darüber sind sich die meisten Menschen nicht im Klaren, weshalb sie ihre natürlichen, ganz individuellen Schlaf- und Wachzeiten oft nicht berücksichtigen.
Die innere Uhr: Ein Instinkt, der bei Schlafproblemen irritiert ist
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und verschiedene Studien empfehlen zur Behandlung von Schlafstörungen die kognitiv-behaviorale Therapie als ersten Schritt. Heißt: Verändere deine Schlafroutine. Die innere Uhr spielt dabei eine zentrale Rolle: Sie funktioniert wie ein innerer Instinkt, auf den allerdings die meisten Menschen zu wenig hören.
Über die Woche kumulierst du ein Schlafdefizit: Du gehst spät ins Bett und stehs früh wieder auf, am Wochenende machst du die Nacht zu Tag oder versuchst das Defizit der Woche durch besonders viel Schlaf auszugleichen. Die innere Uhr sei durch diese unregelmäßigen Bettzeiten irritiert, sagt die Schlafexpertin. Regelmäßigkeit ist aber das A und O einer gesunden Schlafroutine.
Das ist leichter gesagt als getan: Anforderungen des Alltags richten sich meistens nicht nach deiner biologischen Uhr. Tipp: Im nächsten Urlaub hörst du wieder vermehrt auf deine biologische Uhr und findest heraus, ob du ein natürlicher Morgen- oder Nachtmensch bist und wie viele Stunden Schlaf du brauchst, um erholt aufzuwachen. Nach ein paar Tagen Umstellung hat es dein Körper (wieder) raus und du lebst mehr nach deiner natürlichen biologischen Uhr statt nach der sozialen.
Kaffee: Vormittags die letzte Tasse, wenn du schlecht schläfst
Was deine innere Uhr auch irritiert: Koffein. Es ist die weltweit am meisten verbreitete psychoaktive Substanz, macht uns wach und steigert unsere Leistungsfähigkeit. Dass es uns im Umkehrschluss beim Einschlafen stört, ist wenig überraschend. Nur denkt daran kaum jemand, wenn er am Nachmittag gemütlich an seinem Milchkaffee nippt.
Der Wachmacher Kaffee, aber auch Grün- und Schwarztee oder koffeinhaltige Softdrinks haben daher (spätestens) in der Abendroutine nichts verloren. Eine Studie im Sleep Medicine Review zeigt: Koffein verlängert die Einschlafzeit, während es zugleich die Schlafdauer und -effizienz herabsetzt. Tiefschlafphasen reduzieren sich und Wachzeiten und Erregungszustände nehmen zu. Die Studie verweist aber auch auf ausgeprägte individuelle Unterschiede. Dabei spiele das Alter eine große Rolle – in der Regel wird unser Schlaf mit dem Alter empfindlicher – aber auch Gewöhnung ist ein relevanter Faktor. In dieser Literaturanalyse heißt es: «Schädliche Nebeneffekte von Koffein, zum Beispiel Insomnie, treten häufiger bei Menschen auf, die wenig bis gar kein Koffein konsumieren, als bei Menschen mit einem hohen Koffein-Konsum.»
Aufgrund der individuellen Unterschiede sind auch die Empfehlungen für den letzten Kaffee sehr unterschiedlich. Im Schnitt hat Koffein eine Halbwertszeit von vier bis acht Stunden. Danach hat der Körper rund die Hälfte des Koffeins abgebaut. Bei manchen Menschen dauert dieser Prozess sogar 14 Stunden. Trinkst du also um 13 Uhr mittags deine letzte Tasse Kaffee mit 90 mg Koffein, hast du gegen 17 womöglich immer noch eine halbe Tasse Kaffee mit 45 mg Koffein im Blut. Wer einen empfindlichen Schlaf hat, sollte daher schon vormittags die letzte Tasse Kaffee trinken.
Alkohol: Ein Suchtmittel, kein Schlafmittel
Von einer Alltagsdroge zur nächsten: Alkohol. Von ihm solltest du auf jeden Fall die Finger lassen, wenn du eine gesunde Schlafroutine etablieren möchtest. Ein Glas Wein oder Bier am Abend wirkt zwar im ersten Moment schlaffördernd und beruhigend. Aber: Genau das macht ihn so gefährlich, sagt Schlafcoach Holzinger: «Alkohol dockt im Gehirn an eine ähnliche biochemische Struktur, wie gängige Schlafmittel.» Das bedeutet: Wie Schlafmittel macht uns auch Alkohol schläfrig. Damit erfülle er eine gefährliche Funktion: Wir greifen immer öfter und immer schneller zum Alkohol, um Einschlafprobleme zu lösen. Nicht nur unsere Gesundheit, sondern auch unsere Schlafqualität wird dadurch aber negativ beeinflusst. Schlaf unter Alkoholeinfluss ist weniger tief und erholsam. In einer Studie über den Zusammenhang von Sucht und Schlaf heißt es: «Beeinträchtigte Schlafqualität wiederum geht mit einem erhöhten Risiko für Depression und Substanzkonsum einher.»
Ein Teufelskreis, den niemand gebrauchen kann. Noch dazu, wo es eine Reihe an wesentlich unverfänglicheren Lebensmitteln gibt, die du vor dem Schlafengehen mit gutem Gewissen konsumieren kannst. Ja sogar schlafförderlich sind.
Für eine gute Nacht ohne Schlafprobleme: Warme Honig-Milch und Eiweißsnacks
Was wir vor dem Schlafengehen essen und trinken, wirkt sich auf unsere Schlafqualität aus. Eine der wohl plakativsten und anders als die kürzlich gehypten Melatonin-Gummibärchen gefahrlosen Einschlafhilfen ist dabei nicht zu unterschätzen: Warme Milch mit Honig. «Milch enthält viel Tryptophan, eine Aminosäure und Vorsubstanz von Serotonin, die danach zu Melatonin zerfällt. Das Serotonin hebt unsere Stimmung und gibt uns – auch durch die Wärme der Milch – ein Geborgenheitsgefühl», sagt die Schlafexpertin. Die Wärme hat aber noch einen Effekt: Durch sie wird die Aminosäure schneller zu Melatonin zersetzt. Der Honig sorgt dafür, dass Tryptophan schneller aufgenommen wird. «Die Dosis ist allerdings nicht besonders hoch» schränkt die Expertin ein.
Weil Tryptophan vorwiegend in proteinhaltigen Nahrungsmitteln wie Joghurt, Linsen oder Nüssen enthalten ist, sollten wir abends auf Eiweiße anstatt Kohlehydrate zurückgreifen. Sie kurbeln unsere Melatonin-Produktion an und liegen weniger schwer im Magen. Kohlenhydrate hingegen beanspruchen unsere Bauspeicheldrüse, die nachts eigentlich Organe wie die Leber bei der Entgiftung und der Fettverbrennung unterstützen sollte.
Die Expertin rät außerdem zu magnesiumhaltigen Lebensmitteln am Abend wie Bananen oder grünem Blattgemüse: «Magnesium entspannt unsere Muskulatur und damit auch unseren Schlaf.» Durch Präbiotika – also Lebensmittel, die unsere Darmflora unterstützten – verbringen wir mehr Zeit in der erholsamen Non-Rem Schlafphase. Das zeigte auch eine Studie im Journal Frontiers of Behavioural Neuroscience.
Schlafgeschichten: Gegenseitiges Vorlesen für einen ruhigeren Schlaf?
Du kennst es vielleicht aus deiner Kindheit: Vor dem Schlafengehen liest dir Mama oder Papa eine Geschichte vor, die dich in den Schlaf wiegen soll. Aber warum beruhigen uns Schlafgeschichten so sehr? «Da sind wir natürlich in unserer Kindheit konditioniert worden», sagt Holzinger. Das Vorlesen vermittelt uns in der Kindheit Geborgenheit und Sicherheit. Dieses Gefühl hilft uns auch im Erwachsenenalter dabei, gut einzuschlafen. Falls sich auf die Schnelle niemand für das gegenseitige Vorlesen findet: Spezielle Podcasts wie nothingmuchhappens.com, Sagenhaft, Die Märchentante oder auch der – «für Kinder und andere Menschen mit Fantasie» gedachte Podcast Schlummerland von SRF bieten angenehme Einschlafgeschichten für Erwachsene.
Das Vorlesen hat aber noch einen anderen Vorteil: Menschen mit Schlafproblemen sind im Frontalhirn übermäßig aktiv und das rund um die Uhr. Das ist sehr anstrengend und hält uns nachts lange wach. «Die Aufmerksamkeit woanders hinzulenken, zum Beispiel auf eine Geschichte, kann das Einschlafen unterstützen», sagt Holzinger.
Sport vorm Einschlafen: Spaziergang statt Krafttraining
Generell ist ausreichend Bewegung für unsere Schlafqualität und unser allgemeines Wohlbefinden sehr wichtig. Zwei bis vier Stunden vor dem Schlafengehen solltest du aber eher keinen Sport mehr betreiben – zumindest keinen intensiven. Ein Spaziergang am Abend wirkt ausgleichend und beruhigend, während dich Krafttraining oder ein Sport wie Fußball eher aufkratzt: «Der Körper produziert dann Hormone, die dem Schlaf entgegenwirken.»
Ausdauer- und Kraftsport sollten wir daher eher auf den Morgen legen, am besten an der frischen Luft und bei Tageslicht. «In der Früh ist der Blaulichtanteil am höchsten und unterstützt uns auf natürlichem Weg beim Wachwerden.»
Blaulicht: Stört es nun unseren Schlaf oder nicht?
Apropos Blaulicht: Der für uns sichtbare Teil des Lichts wird in der Wissenschaft kontrovers diskutiert. Insbesondere der Einfluss von Handy- und PC-Bildschirmen, von denen – darüber sind sich alle einig – Blaulicht ausgeht. Aber bedeuten lange Bildschirmzeiten vor dem Schlafengehen wirklich das Ende der erholsamen Nacht?
Darüber ist sich die Forschung uneins. Neuere Erkenntnisse gibt es zum Beispiel in einer Studie der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft. Sie bestätigt: Blaulicht weckt uns durch seine energiereichen Eigenschaften in der Regel auf.
Nur: Der Blaulichtanteil von Handy- und PC-Bildschirmen sei zu gering, um unsere Netzhaut zu schädigen und unseren Schlaf zu stören. Eine andere Studie im Sleep Health Journal kam zu dem Ergebnis: Bei 167 Probandinnen und Probanden in drei Gruppen – Smartphone im Nachtmodus, Smartphone ohne Nachtmodus und kein Smartphone vor dem Schlafengehen – wurden keine Unterschiede der Schlafqualität festgestellt.
Der Neurologe George Brainard sagt im Interview mit Scientific American Mind Gegenteiliges: «Licht, das von unseren elektronischen Geräten ausgeht, ist besonders kurzwellig. Das heißt, es hat einen höheren Blaulichtanteil als Tageslicht und stört damit die Melatonin-Bildung stärker.» Auch eine Studie aus Finnland kommt zu einem anscheinend eindeutigen Schluss: Zwei Stunden blaues Licht am Abend verschiebt unsere Melatonin-Produktion und damit unsere innere Uhr. Dieser Effekt ist besonders stark, wenn wir tagsüber nicht ausreichend Tageslicht abbekommen haben. (Heißt aber wohl im Umkehrschluss: Wenn du dich tagsüber viel draußen aufgehalten hast, fällt das Blaulicht am Abend weniger ins Gewicht.)
Wer einen empfindlichen Schlaf hat, sollte es sich daher vor dem Schlafengehen möglichst dunkel machen. Denn eines ist sicher: Nur im Dunkeln produziert unser Körper Melatonin.
Für eine gute Nacht ohne Schlafprobleme
Melatonin ist der körpereigene Schlafcocktail. Es läutet die Ruhe- und Regenerationsphase ein und setzt unsere innere Uhr in Gang. Darum schlafen wir am besten in einem abgedunkelten Zimmer, sagt der Schlafcoach. «Licht unterbricht die Bildung von Melatonin, das fälschlicherweise als Schlafhormon bezeichnet wird. Eigentlich ist es ein Dunkelhormon.»
Lichtmaschinen für den Nachttisch würden daher wenig Sinn machen, sagt Brigitte Holzinger. «Sobald es hell wird, stoppt der Körper die Bildung von Melatonin. Es empfiehlt sich daher, die Lichter in anderen Wohnräumen schon zwei Stunden vor dem Schlafengehen zu dimmen.»
Freu dich auf dein Bett: Wer träumt, der schläft
Am Ende des Tages kommt es darauf an, sich vor dem Schlafengehen so wohl wie möglich zu fühlen. Was dir dabei hilft, ist letztlich sehr individuell. Angenehme Gerüche wie zum Beispiel durch ein Lavendelkissen oder andere ätherische Öle aufs Kissen gesprüht, können helfen. Eine kühle Raumtemperatur, schöne Bettwäsche, eine gute Matratze und ein gutes Kissen können dich ebenfalls einfacher ins Traumland zu befördern.
Vor allem solltest du dich aufs Träumen freuen. Denn: «Wer träumt, der schläft immerhin.»
Olivia Leimpeters-Leth
Autorin von customize mediahouse
Ich liebe blumige Formulierungen und sinnbildliche Sprache. Kluge Metaphern sind mein Kryptonit, auch wenn es manchmal besser ist, einfach auf den Punkt zu kommen. Alle meine Texte werden von meinen Katzen redigiert: Das ist keine Metapher, sondern ich glaube «Vermenschlichung des Haustiers». Abseits des Schreibtisches gehe ich gerne wandern, musiziere am Lagerfeuer oder schleppe meinen müden Körper zum Sport oder manchmal auch auf eine Party.