

Google Pixel 3: Im Preis längst Spitzenklasse, beim Rest nicht ganz

Das Pixel 2 wurde für seine Kamera gefeiert, jedoch für das Display und das altbackene Design verteufelt. Das Pixel 3 macht zwei Schritte vorwärts und einen zurück.
Googles-Hardware-Ambitionen werden von Jahr zu Jahr grösser. Im gleichen Masse steigen auch unsere Ansprüche. So konnte man beim ersten Google Pixel noch ein Auge zudrücken wegen des uninspirierten Designs und mangelnder Flaggschiff-Features wie IP68-Standard. Das Pixel 2 baute auf den Stärken des Vorgängers auf, liess aber optisch immer noch zu wünschen übrig. Aller guten Dinge sind bekanntlich drei: Das Pixel 3 ist wortwörtlich die rundeste Version der dreien und doch bleibt auch das neuste Modell etwas zu kantig.
Design: Notch vs. Ränder

Bevor das Pixel 3 und das Pixel 3 XL überhaupt erschienen sind, gab das Design durch unzählige Leaks zu reden. Das Pixel 3 XL besitzt nämlich einen Notch. Während der Smartphone-Pickel fast schon zum Standard von Flaggschiffgeräten gehört, ist das Exemplar beim Pixel 3 XL etwas gar auffällig – wie das halt so ist, wenn man einen fetten Pickel mitten auf der Stirn hat. Allerdings muss ich sagen, als jemand, der noch nie ein Gerät mit Notch besessen hat, dass das Teil schon nach wenigen Tagen nicht mehr auffällt. Er ist einfach da. Über die Einstellungen könntest du ihn theoretisch kaschieren, indem die obere Bildschirmhälfte einen künstlichen Balken erhält. Damit verlierst du aber noch mehr Bildfläche. Mehr stört mich das Asymmetrische. Oben geht das Display bis zum Rand und unten prangt ein fettes Kinn. Das wirkt nicht besonders ästhetisch.


Abgesehen von Notch und Co. finde ich aber beide Geräte verdammt schick – ganz besonders das symmetrische Pixel 3. Die abgerundeten Ränder fühlen sich extrem gut in der Hand an und die kleinen Farbakzente bei den Power Buttons oder auf der Rückseite sind genau mein Ding. Von den Fotos und Videos war ich nicht wirklich überzeugt, aber aus der Nähe können die Pixel 3 voll punkten.
Da ich mich nach Jahren mit XL-Geräten vergangenen Winter wieder für ein handlicheres Gerät entschieden habe, sagt mir das Pixel 3 mehr zu. Es liegt gut in der Hand und ich kann es einhändig einigermassen gut bedienen, ohne Angst zu haben, dass es mir aus der Hand rutscht. Dazu hilft weiterhin der Fingerabdruckscanner auf der Rückseite, mit dem sich die Benachrichtigungszentrale nach unten ziehen lässt. Die Masse zum Pixel 2 sind praktisch identisch, nur das Display ist von 5 auf 5.5 Zoll gewachsen. Das freut das Auge, aber dadurch muss ich meinen Daumen noch mehr verrenken, um den unteren Bildschirmrand zu erreichen. Obwohl es also dünnere Ränder hat, was optisch definitiv schöner wirkt, hat es unfreiwillig an Bedienfreundlichkeit eingebüsst.
Natürlich ist das noch harmlos im Vergleich zum XL. Zwar habe ich mich auch an den grossen Bruder wieder recht schnell gewöhnt. Wirklich warm werde ich damit aber nicht mehr. Mir ist es zu unhandlich. Der riesige 6.3 Zoll grosse Bildschirm macht dafür beim Surfen, Zocken und Videos schauen mächtig Laune. Bei letzteren stört allerdings der Notch etwas. Standardmässig zeigt beispielsweise die Youtube-App typische 16:9-Videos linkslastig an. Der Notch wird mit einem Balken abgedeckt und rechts wird der Rand noch breiter, um das Bildverhältnis zu wahren. Zoomst du das Bild, nutzt das Video zwar das ganze 18:9-Display, jedoch nimmt dir dann der Notch etwas vom Bild weg. Beides ist suboptimal.


Schnell, laut, aber nicht das ausdauerndste
Warum ich seit Jahren auf die Nexus/Pixel-Reihe setze, ist, weil mir das nackte, unveränderte Android von Google am meisten zusagt. Ausserdem kriege ich nur dort verzögerungsfrei die neusten Sicherheitspatches und Softwareupdates. Selbst wenn letztere meist wenig Weltbewegendes mit sich bringen und nicht selten Features enthalten, die andere Hersteller seit Jahren im Angebot haben, Bild im Bild zum Beispiel.
Dennoch bleibt für mich das pure Android die erste Wahl. Da ich die Beta von Android 9 auf meinem Pixel 2 bereits seit Monaten installiert habe, hat sich mit dem Wechsel auf das Pixel 3 wenig verändert. Der Launcher ist leicht angepasst und die Suchleiste am unteren Rand hat nun ein antippbares Symbol für den Google Assistant. Sonst sieht auf den ersten Blick alles gleich aus.

Wie es sich für ein neues Gerät gehört, läuft dank neustem Snapdragon 845 alles blitzschnell und ohne Verzögerung – zumindest in den meisten Fällen. Irgendwo schleicht sich dann doch immer irgendwo ein kleiner Ruckler rein. Zu 98 Prozent flutscht die Bedienung aber butterweich und es ist ein Vergnügen das Pixel 3 zu bedienen. Die 2 Prozent sorgen bei mir dennoch für Kopfschütteln. Und die Erfahrung zeigt, dass es in den kommenden Monaten und Jahren nicht besser wird.
Nebst dem puren Android 9 spendiert Google den Pixel-3-Geräten ein paar (vorerst) exklusive Features. Unter anderem kannst du das Smartphone auf das Gesicht drehen (Flipp to Shhh), wenn jemand anruft, um den Anruf stumm zu schalten. Du kriegst auch neue AR-Stickers. Das sind 2D- und 3D-animierte Figürchen wie die Porgs aus «Star Wars», die du in deine Fotos oder Videos packen kannst. Ist ungefähr fünf Minuten lustig. Nützlicher finde ich das Archiv von Now Playing. Now Playing identifiziert automatisch Songs und zeigt sie auf dem Lockscreen an. Über das Archiv kannst du alle früheren Songs jederzeit nachschlagen.

Dann gibt es da noch den Pixel Stand. Ein Dock, das Fast Wireless Charging unterstützt. Ich hab es mir importiert, da digitec es derzeit noch nicht im Angebot hat (in vier bis sechs Wochen sollten wir es haben). Zwar funktioniert das Dock mit allen QI-kompatiblen Geräten, aber nur das Pixel 3 profitiert von exklusiven Funktionen. Dazu gehört ein Lichtwecker, der den Sonnenaufgang simuliert, ein digitaler Bilderrahmen oder programmierbare Routinen. Ich finde das Teil extrem praktisch, aber mit 80 Dollar auch viel zu teuer, für das, was es kann.

Die beiden Stereolautsprecher auf der Vorderseite produzieren wie schon beim Vorgänger erstaunlich lauten und kräftigen Sound. Google zufolge sollen sie gar 40 Prozent lauter geworden sein. So genau kann ich das nicht sagen, aber sie sind definitiv lauter als beim Pixel 2 und das war schon ordentlich laut. Wenn ich beim Kochen Podcasts höre, reicht die Lautstärke sogar, um das Anbraten zu übertönen.
Enttäuscht hat mich dagegen die Akkuleistung. Das Pixel 2 hat wenigstens anfangs fast eineinhalb Tage durchgehalten. Mein brandneues Pixel 3 mit einem 2915 mAh Akku wirft hingegen fast jeden Abend den Stromsparmodus an. Das darf einfach nicht sein. Mit GPS, Bluetooth, Wifi, Always On Display, Songerkennung etc. kommt es im Schnitt auf etwa 18 Stunden. Beim XL sieht es dank 3430-mAh-Akku etwas besser aus. Aber auch das muss jeden Abend an die Steckdose. Ich weiss, dass die meisten Smartphones unter diesem Problem leiden, darum wäre es für Google eine umso grössere Chance gewesen, hier zu Punkten.
Kopfhörer, die sich hören lassen können

Wo Google wieder überzeugt, ist bei der Ausstattung. Allem voran die USB-C-Kopfhörer. Etwas, das leider längst nicht mehr zur Standardausstattung gehört. Sie besitzen das gleiche System mit den verstellbaren Schlaufen wie die Pixel Buds. Sie liegen angenehm und fest in den Ohren und lassen wenig Sound nach draussen. Trotzdem sind sie genug durchlässig, dass ich beim Velofahren noch den Strassenverkehr höre. Die Soundqualität ist erstaunlich gut. Die Bässe sind kräftig und der Sound wirkt insgesamt sehr ausgeglichen. Da ich sonst die Sennheiser Momentum 2 Wireless benutze, welche einen äusserst klaren und neutralen Klang besitzen, wirken die Earbuds auf mich aber eine Spur zu dumpf.
Der Packung liegt noch ein USB-C-Netzteil, ein USB-C zu USB-A-Adapter sowie ein USB-C-Kopfhörer-Dongle bei.
Keine Patzer beim Display

Wenn etwas am Pixel 2 bemängelt wurde, so waren es die Displays – besonders beim XL. Verwaschene Farben, schlechte Sichtwinkel mit Blaustich, Burn-ins. Google hat sich die Kritik zu Herzen genommen. In beiden Grössenvarianten kommt erneut ein OLED zum Einsatz: im Pixel 3 eins von LG und beim XL eins von Samsung. Vor einem Jahr war es genau umgekehrt. Glücklicherweise sind aber keine Qualitätsunterscheide zwischen den beiden auszumachen. Beide können sich mehr als sehen lassen – besonders dank den wunderschön abgerundeten Ecken.
Musste ich beim Pixel 2 den Farbmodus «boosted» verwenden, um etwas Pepp zu erhalten, so liefern die Pixel 3 im Standardmodus «adaptiv» bereits ein tolles Ergebnis. Die Farben sind kräftig ohne übersättigt zu wirken und die Sichtwinkel sind hervorragend.
Ist die Kamera wirklich so geil?
Seit dem ersten Pixel ist die Kamera das hervorstechendste Merkmal. Google verzichtet auch dieses mal auf ein Multikamera-Setup – zumindest auf der Rückseite. Trotzdem schafft es die 12.2-Megapixel-Kamera hervorragende Bilder zu knipsen. Der Autofokus ist schnell und dank neuer Motion-Funktion kann er selbstständig ausgewählten Objekten folgen. Praktisch, wenn du ein bewegendes Objekt fotografieren möchtest oder unterschiedliche Blickwinkel ausprobieren willst.
Da die Hauptkamera des Pixel 3 nur eine Linse besitzt, musst du ohne die Flexibilität eines zusätzlichen Weitwinkels oder Teles auskommen. Dafür gibt’s den Super Res Zoom. Ein digitaler Zoom, der durch leichte Wackler deiner Hand mehrere Bilder aufnimmt und somit mehr Bildinformationen speichert. Die Technologie stammt aus der Astronomie. Ganz so beeindruckend wie das klingt, ist das Resultat dann aber nicht. Die Qualität ist definitiv besser als beim Pixel 2 oder wenn du das Bild nachträglich zuschneidest – erwarte aber keine Wunder.


Auf der Vorderseite setzt Google dagegen auf ein Dual-Setup aus zwei 8-MP-Kameras. Eine ist für Weitwinkel- und die andere für normale Aufnahmen. Das Weitwinkel ist ideal für Gruppenselfies und schafft einen Winkel von 107 Grad. Das ist erstaunlich viel, kann aber je nach Sichtwinkel leicht das Bild verzerren. In den meisten Fällen hat es aber gute Resultate erzielt.


Der Photobooth Mode schiesst automatisch Bilder, wenn du lachst oder Grimassen schneidest und Top Shot wählt aus einer Reihe Bilder das beste aus. Ersteres ist ein spassiges Gimmick, das an heiteren Abenden interessante Schnappschüsse generieren kann. Letzteres funktioniert gut, aber nicht perfekt. Ausserdem sind die zusätzlich aufgezeichneten Bilder von deutlich niedriger Qualität. Du musst Motion eingeschaltet haben, um die Funktion zu nutzen.
Der Portrait Mode, der Bildern künstlich ein Bokeh verleiht, funktioniert nach wie vor ausgezeichnet. Selbst bei einem verstrubbelten Haupt wie meinem schafft es die AI den Hintergrund klar zu trennen und so schöne Unschärfe zu produzieren. Die Stärke lässt sich anschliessend manuell anpassen.
Dann wäre da noch Night Sight. Das wohl beeindruckendste Kamera-Feature. Machst du damit ein Foto, zeichnet die Kamera mehrere Bilder auf – ähnlich wie beim Super Res Zoom – und bastelt daraus ein Bild. Das Ergebnis ist absolut beeindruckend. Selbst in miesesten Lichtverhältnissen produziert die Pixel-Kamera damit schöne Bilder. Die Aufnahmen weisen erstaunlich wenig Bildrauschen aus und sind immer noch ziemlich scharf.

Natürlich macht das Pixel 3 auch bei normalen Bildverhältnissen exzellente Bilder. Dank HDR+, das automatisch und verzögerungsfrei angewendet wird, werden die Bilder kontrastreich und die Farben sind kräftig, aber natürlich. Noch bessere Bilder kriegst du oft durch HDR+ Enhanced, das sich in den Kamera-Optionen über HDR+ Control aktivieren lässt. Damit benötigt die Kamera aber einen Augenblick, bis ein Bild geknipst ist, weil sie zusätzliche Bildinformationen aufnimmt. Durch die Zuverlässigkeit mit der das Pixel 3 Bilder schiesst, ertappe ich mich dabei, dass ich viel mehr Fotos mache als früher. Es macht einfach Freude, damit herumzuspielen.
Im Videobereich kann das Pixel 3 nicht ganz mit den besten Smartphones mithalten. Zum einen ist bei 4K/30 Schluss, zum anderen ist die Bildqualität nicht auf dem gleichen Niveau wie die Fotos. Der Bildstabilisator hingegen ist erstklassig. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich meinen, mein Video wäre auf einem Stativ gefilmt worden.
Kinderkrankheiten oder ernstzunehmende Probleme?
Wie bei so vielen neuen Geräten war auch der Launch des Pixel 3 begleitet von besorgniserregenden Meldungen: Kratzanfällige Rückseite, Cache-Probleme durch die verhältnismässig geringe Menge an RAM (4 GB) oder ein Kamera-Bug, der die App zum Abstürzen bringt. Auf meinen zwei Geräten ist nur eines dieser Phänomene aufgetaucht. Die Rückseite des schwarzen Modells übersteht ein Zusammenprall mit einem Schlüsselbund im Hosensack tatsächlich nicht unbeschädigt. Ich hab’s extra für euch ausprobiert und eine einzige Zugfahrt hat gereicht, um Spuren zu hinterlassen. Sorry an dieser Stelle für den, der das Gerät bei uns occasion kauft. Es war für die Wissenschaft! Das weisse Modell ist gefeit von dieser Problematik und das pinke konnte ich nicht testen. Wenn du Kratzer vermeiden willst, bleibt dir nur der Griff zu einer Hülle.

Google hat sich entschieden, lediglich 4 GB RAM einzubauen. Wenig, wenn man bedenkt, dass mittlerweile 6 GB oder gar 8 GB Gang und Gäbe sind. RAM wird unter anderem benötigt, um geöffnete Apps zwischenzuspeichern. Ist der Speicher voll, müssen Apps gekickt und bei der nächsten Verwendung wieder neu gestartet werden. Das soll Vermutungen zufolge der Grund dafür gewesen sein, dass bei einigen Usern die Kamera Bilder nicht gespeichert hat. Allerdings ist der Fehler auch auf anderen Geräten mit der Pixel-Kamera-App aufgetaucht. Google hat bereits einen Fix versprochen. Bei mir ist der Fehler nie aufgetreten.
Zu guter letzt gab es noch Meldungen, dass die Kamera abstürzt, wenn eine andere App als die Pixel-Kamera-App darauf zugreifen möchte. Auch hier scheinen nur wenige User betroffen zu sein und ich konnte das Problem nicht reproduzieren.
Fazit: Besser, aber für den Preis kaum zu rechtfertigen

Jedes Jahr hoffe ich, dass Google mit dem Pixel das perfekte Smartphone auf den Markt bringt. Die Symbiose aus Hard- und Software aus dem gleichen Haus wie es Apple macht, klingt schliesslich nach dem idealen Weg. Aber auch dieses Jahr schiesst Google leicht am Ziel vorbei – aber nicht für jeden gleich weit. Ich persönlich finde das Design des Pixel 3 richtig hübsch. Nur das schwarz-weiss-Muster hätten sie für mich wie im letzten Jahr beim XL auf der Rückseite weiterführen können. Natürlich würde auch ich ein noch randloseres Design bevorzugen, aber dann muss Android erst an der Bedienfreundlichkeit grosser Smartphones arbeiten. Der Notch beim XL ist dagegen definitiv der grössere Schönheitsfehler, aber auch daran gewöhnst du dich.
Wichtiger ist das Gesamterlebnis. Und dort kann Google überzeugen. Sensationelle Kamera, tolles Display, kräftige Lautsprecher, grosszügiger Lieferumfang und überall kleine praktische Funktionen, die das Leben erleichtern. Das beste und unkompromittierte Android-Erlebnis gibt es weiterhin auf dem Pixel. Das Einzige, was mich wirklich stört, ist die durchschnittliche Akkuleistung. Von einem Smartphone, das 1000 CHF und mehr kostet, erwarte ich in allen Belangen nur das Beste. Mal abwarten, was es mit den Gerüchten auf sich hat, dass Google eine günstigere Lite-Version bringen könnte. Mein Fazit fällt ähnlich aus wie im letzten Jahr. Das Pixel 3 und das Pixel 3 XL sind hervorragenden Geräte, deren Preis aber kaum rechtzufertigen ist – ausser du bist wie ich, ein kleiner Fanboy.


Google Pixel 3 XL
64 GB, Just Black, 6.30", Single SIM, 12.20 Mpx, 4G



Als Kind durfte ich keine Konsolen haben. Erst mit dem 486er-Familien-PC eröffnete sich mir die magische Welt der Games. Entsprechend stark überkompensiere ich heute. Nur der Mangel an Zeit und Geld hält mich davon ab, jedes Spiel auszuprobieren, das es gibt und mein Regal mit seltenen Retro-Konsolen zu schmücken.