Greif nach den Sternen - Astrofotografie
Sterne zu fotografieren ist für viele ein Mysterium und ohne teure Ausrüstung praktisch unmöglich. Viele Stadtmenschen wissen zudem schon gar nicht mehr, dass Sterne nicht nur zu Onlinebewertung verwendet werden können, sondern der Himmel jede Nacht mit Milliarden von ihnen wunderschön erhellt wird. Höchste Zeit, etwas Licht ins Dunkel zu bringen und euch eine Einführung in die Sternenfotografie zu geben!
Ich lebe momentan auf einem abgelegenen Backpacker Resort in Airlie Beach an der Ostküste Australiens. Das Resort ist rund 40 Autominuten von jeglicher Zivilisation entfernt und das WiFi erlaubt es mir knapp, diesen Artikel in die Schweiz zu übermitteln. Das heisst: genügend Zeit, um mich meiner Fotografie zu widmen und nachts einen unglaublichen Sternenhimmel zu bewundern.
Mit diesem Beitrag möchte ich dir eine Einführung in die Astrofotografie geben, nach der du, mit ein klein wenig Vorbereitung, sofort selber loslegen kannst. Das Thema Astrofotografie ist sehr umfassend. Von Teleskopaufnahmen ferner Galaxien über Sternbilder zu Sternschnuppen gibt es eine riesige Auswahl an Motiven und Techniken. In diesem Beitrag fokussiere ich mich auf jene Methode, die für die meisten Personen am einfachsten zugänglich ist (das 50'000 CHF Teleskop kannst du somit wieder aus dem Warenkorb löschen, wenn du möchtest). Wir sprechen hierbei von der Weitwinkel Sternenfotografie, bei der man neben dem Sternenhimmel auch immer etwas von unserem blauen Planeten, entweder Landschaft, Silhouetten oder Menschen mitfotografiert.
Was packen wir in die Kameratasche?
Die Astrofotografie ist einer der wenigen Bereiche der Fotografie, bei dem die Ausrüstung effektiv eine Rolle spielt. Mit einem Mobiltelefon oder einer simplen «Point & Shoot»-Kamera kann man ausser dem Mond (als kleinen Punkt am Horizont) nicht viel aufnehmen. Die Kamera sollte über einen manuellen Einstellungsmodus verfügen, bei dem man die Belichtungszeit, die Blendenöffnung und den ISO-Wert einstellen kann. Die meisten Spiegelreflexkameras, Systemkameras und leistungsstarken Kompaktkameras können das heutzutage. Falls du eine Spiegelreflex- oder spiegellose Systemkamera hast, empfiehlt es sich zudem, ein lichtstarkes Weitwinkelobjektiv zu verwenden. Eine Brennweite zwischen 12 und 24mm (Vollformat) eignet sich besonders gut. Je weitwinkliger die Linse (kleinerer mm Wert) desto besser. Das jeweils passende Objektiv zur Kamera haben wir dir gleich hinter der Kamera abgebildet.
Speziell für die Astrofotografie gemacht (z.B. mit Astrotracer und spezifischem Sensor) sind diese Kameras. Für euch haben wir das jeweils am besten passende Objektiv noch ergänzt.
Der dritte Punkt zum Thema Ausrüstung ist äusserst kritisch für die Bildqualität deiner Sternbilder. Die Rede ist von einem stabilen Stativ! Es kann den Unterschied zwischen einem verwackelten Bild von weissen Strichen auf einem schwarzen Hintergrund und einem klaren Bild der Milchstrasse machen.
Ein Fernauslöser und eine Taschenlampe sind zwei weitere Ausrüstungsgegenstände, die in deine Kameratasche gehören. Der Fernauslöser hilft dir, ein verwacklungsfreies Foto aufzunehmen, da man die Kamera nicht direkt berühren muss. Die Taschenlampe ist nützlich, um im Dunkeln den Fokus richtig zu setzen und gibt dir die Möglichkeit einige kreative Ideen auszuprobieren.
Welche Knöpfe an meiner Kamera muss ich drücken?
Sterne zu fotografieren hat etwas von einem Überraschungsei. Mit blossem Auge und auf dem LCD-Bildschirm der Kamera kann man nur erahnen, wie das fertige Bild aussehen könnte. Entweder ist es im übertragenen Sinne eine der coolen Sammelfiguren aus der Werbung oder leider nur das unförmige Stück Plastik, dass du schon zum zehnten Mal weggeschmissen hast. Für mich ist daher die erste «Testauslösung» immer sehr spannend (und macht Lust auf Schokolade).
Bevor wir starten, gilt es die Kamera in den manuellen Modus umzuschalten.
Als Zweites widmen wir uns der Blendenöffnung. Sie ist von der Lichtstärke deines Objektivs abhängig und wird durch den F-Wert bestimmt. Um möglichst viel Licht einzufangen, solltest du den kleinstmöglichen F-Wert deiner Kamera-Linsen-Kombination auswählen. Meistens bewegt sich der Wert zwischen F1.2 bei einem vollen Geldbeutel und ausgeprägter Kameraobsession und F6.3 bei Kit-Objektiven oder einfacheren Modellen.
Nun kommen wir zur Belichtungszeit. Um die Sterne ohne Bewegung einzufrieren, sollte sich die Belichtungszeit zwischen 10 und 30 Sekunden bewegen. Je nach Blendenöffnung, Brennweite und Sensorempfindlichkeit schwankt dieser Wert. Wenn man die 30-Sekunden-Marke überschreitet, erscheinen die Sterne durch die Erdrotation in den meisten Fällen als Lichtspuren oder sogenannte «Star Trails». Um diesen Effekt zu vermeiden, gilt es die 500er-Faustregel zu beachten:
500 : Brennweite deiner Linse (Vollformat) = maximale Belichtungszeit in Sekunden
Die Sensorempfindlichkeit oder auch ISO-Wert genannt, stellen wir auf einen Wert zwischen 1600 und 3200. Grundsätzlich gilt es, den Wert so klein wie möglich und so hoch wie nötig zu halten. Ein höherer Wert hilft dir zwar, das Bild aufzuhellen und so die Sterne sichtbarer zu machen, jedoch bringt die Erhöhung der Empfindlichkeit auch störendes Bildrauschen mit sich.
Falls deine Kamera Bilder im RAW-Format (anstelle von .jpeg) aufnehmen kann und du die Bilder nachbearbeiten kannst, solltest du dieses unbedingt verwenden. Durch das Aufnehmen in RAW sammelt deine Kamera deutlich mehr Bildinformationen, wodurch du in der Nachbearbeitung die Möglichkeit hast, noch mehr Details sichtbar zu machen.
Um Verwacklungen zu vermeiden, solltest du eine Auslöseverzögerung verwenden, den Bildstabilisator ausschalten und bei Spiegelreflexkameras den Spiegel vor der Auslösung hochklappen.
Das Fokussieren im Dunkeln ist für viele Kameras die grösste Herausforderung. Wenn ich neben dem Sternenhimmel ein Motiv im Vordergrund habe, verwende ich immer eine starke Taschenlampe und den Autofokus der Kamera, um die Schärfe richtig zu setzen. Tendenziell ist es aber am einfachsten, das Fokussieren direkt in die eigene Hand zu nehmen und die Kamera auf manuell umzuschalten. Wenn dein Vordergrundmotiv genügend weit weg ist, kannst du zudem beim Verwenden eines Weitwinkelobjektivs direkt auf unendlich fokussieren.
Einstellungs Cheat-Sheet
- Kamera in manuellen Modus schalten
- Blendenöffnung auf maximalen Wert stellen (kleinstmöglicher F Wert)
- Belichtungszeit zu Beginn zwischen 10 und 30 Sekunden festlegen (anschliessend optimieren)
- ISO Wert zwischen 1600 und 3200 setzen
- Fokus mit Hilfe der Taschenlampe auf Motiv ausrichten
Weitere Einstellungsmöglichkeiten:
- Kamera auf RAW Dateiformat umstellen
- Bildstabilisator ausschalten
- Auslöseverzögerung auf 2 Sekunden
- Weissabgleich manuell auswählen, um bei Folgebildern die gleiche Farbtemperatur zu erhalten
- Bei Spiegelreflexkameras den Spiegel hochklappen
Ich starte jeweils mit folgenden Einstellungen und nähere mich anschliessend meinem gewünschten Bild durch Anpassen der Werte an: 25 Sekunden Belichtungszeit, eine Blende von F4 (maximale Blende an meinem Weitwinkelobjektiv), ISO 2500, 2 Sekunden Auslöseverzögerung.
Planung
Sterne zu fotografieren bedingt in den meisten Fällen etwas Planung. Es gibt vier Faktoren, die man berücksichtigen sollte: den Standort, die Position der Milchstrasse, die Wettervorhersage und den Mondstand.
Um die Sterne in ihrer vollen Pracht bewundern und abbilden zu können, empfiehlt es sich, das Weite zu suchen und sich so fern wie möglich von künstlichen Lichtquellen (auch Lichtverschmutzung genannt) zu halten. Zudem gilt es bei deiner Standortwahl darauf zu achten, dass nebst einem klaren Sternenhimmel auch immer etwas Interessantes im Vordergrund zu sehen ist.
Ich denke, wir sind uns einig, dass die Milchstrasse unter den Astromotiven mit Abstand das fotogenste ist. Da sich die Erde aber kontinuierlich bewegt, solltest du die Position der Milchstrasse in deiner Motivwahl miteinbeziehen. Es wäre schade, wenn du dein Zelt aufbaust, schön belichtest und dann feststellst, dass die Milchstrasse auf der gegenüberliegenden Seite ihre Runde dreht. Ich benutze zur Motivausrichtung eine Smartphone-App, die es mir erlaubt, die Sternbilder ausfindig zu machen.
Das Wetter kannst du leider nicht beeinflussen, es sollte aber definitiv in deiner Planung berücksichtigt werden. Breaking News: Ein bewölkter Himmel verunmöglicht es dir, ein Bild der Sterne aufzunehmen.
Der dritte Planungsfaktor ist der Mondstand. Wenn du dein Motiv für 30 Sekunden belichtest, wirst du überrascht sein, wie stark das Mondlicht dein Foto beeinflussen kann. Am besten, du nutzt den Vollmond dazu, die berühmten «Full Moon Partys» in Thailand zu besuchen und den Neumond, um die Sterne zu fotografieren. Falls du bei Halbmond fotografieren möchtest, empfiehlt es sich, die Kamera zu einem möglichst tiefen Mondstand auszupacken.
Kreative Anregungen
Nachdem wir nun die technischen «Basics» angeschaut und verstanden haben, kommen wir zum richtig spannenden Teil.
Die Milchstrasse an sich ist schon sehr beeindruckend. Um beim Betrachter aber einen richtigen «WOW»-Effekt zu erzeugen, braucht es etwas mehr. Die Rede ist von einem «point of interest» oder Blickfang. Etwas, das dem Sternbild Kontext gibt und den Blick des Betrachters durchs Bild führt. Ich möchte euch einige Anregungen aufführen, die ich in den vergangenen Wochen selber ausprobiert habe.
Wenn du mit jemandem unterwegs bist, bietet es sich natürlich an, die Person direkt ins Bild zu integrieren. Da es hierbei um Langzeitbelichtungen geht, müssen sich deine Models in etwas Geduld üben. Optimalerweise stehen die Personen nämlich regungslos über die gesamte Belichtungszeit an Ort und Stelle. Man kann sie entweder als Silhouette abbilden oder mit Hilfe einer Taschenlampe hervorheben. Wenn man sich für das Zweite entscheidet, reicht es, den Lichtstrahl für wenige Sekunden auf die Person zu richten und wieder auszuschalten.
Eine Taschenlampe hilft dir nicht nur beim Fokussieren, sondern kann deinen Bildern auch zum gewissen Etwas verhelfen.
Eine Anwendungsform ist das sogenannte «Lightpainting». Dabei benutzt man die Taschenlampe als Stift und zeichnet Formen und Text in die Luft. Diese werden dann durch die lange Belichtungszeit sichtbar gemacht. Man kann diese Motive nicht nur mit Taschenlampen zeichnen, sondern mit jeglicher Art von Lichtquellen. Besonders gut eignen sich Leuchtstäbe oder Wunderkerzen.
Um einen Lichtstrahleffekt in deinen Bildern zu erhalten, benutzt du am besten eine leistungsstarke Taschenlampe mit einem fokussierbaren Lichtstrahl. Eine wichtige Voraussetzung ist hier, dass die Luft entweder mit Nebel, Staub oder Rauch «verschmutzt» ist, um das Licht «sichtbar» zu machen.
Fazit
Wie es der Titel schon sagt, war dies nur eine kleine Einführung in das umfangreiche Thema Astrofotografie. Die Sterne sind zwar mehrere Millionen Lichtjahre von uns entfernt – mit etwas Geduld, einer Kamera und der richtigen Vorbereitung können wir sie aber um einiges greifbarer machen. Die Sterne werden noch ein paar weitere Jahre überdauern, deine Zeit auf der Erde ist jedoch begrenzt. Also zögere nicht zu lange und mach dich auf die Suche nach der Milchstrasse!
Als nächsten Schritt kannst du versuchen, ein Timelapse der Sterne zu erzeugen! Dazu aber mehr in einem späteren Beitrag.
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In der einen Hand meine Kamera und in der anderen ein Flugticket. So sieht mein persönlicher Idealzustand aus.
Mehr zu mir und meiner Fotografie findest du auf <a href="https://www.instagram.com/35waves/" target="_blank">Instagram</a> oder meiner <a href="https://www.35waves.com/" target="_blank">Website</a>