Produkttest

Hands-on mit der Fujifilm GFX100RF: minimalistisches Mittelformat

Du bist Hipster und reich? Deine Zeit ist gekommen. Für knapp 5000 Franken verkauft Fujifilm dir die ultimative Retro-Kamera. Ich habe sie ausprobiert.

Die Fujifilm GFX100RF überträgt das Konzept der beliebten X100-Serie ins Mittelformat: kompaktes Gehäuse, Retro-Look, fixes Objektiv. Die neue Luxuskamera bietet einen fast viermal so grossen Sensor wie ihre kleine Schwester und kostet dafür dreimal so viel – 4998 Franken oder 5499 Euro. Sie konzentriert sich auf Fotografie und ist weniger für Video gedacht.

Eine spannende Idee. Aber ergibt sie auch Sinn? Ich habe die Fujifilm GFX100RF ausprobiert und bin hin- und hergerissen. Die wichtigsten Spezifikationen im Vergleich mit zwei anderen Kameras, die ein ähnliches Konzept haben:

Hinweis: Fujifilm hat mir für diesen Test ein Vorserienmodell der GFX100RF zur Verfügung gestellt. Dieses hatte noch keine finale Firmware. Theoretisch könnte der Hersteller also noch Anpassungen vornehmen. Die Kamera ist ab April 2025 für 4998 Franken oder 5499 Euro verfügbar. Du kannst sie demnächst in Silber und Schwarz vorbestellen.

Retro-Design und durchdachte Bedienung

Eine Kamera wie diese ist eher kein Arbeitsgerät. Sie muss vor allem Spass machen. Ihre Anziehungskraft hängt unter anderem davon ab, ob ich sie schön finde und gerne in der Hand habe. Beides ist bei der Fujifilm GFX100RF der Fall. Ihr Gehäuse besteht aus Metall und texturiertem Kunststoff. Es wirkt solide, sauber verarbeitet und hat viel Retro-Charme.

Wie immer bei Fujifilm hast du die Auswahl zwischen Silber und Schwarz.
Wie immer bei Fujifilm hast du die Auswahl zwischen Silber und Schwarz.

Für ihre Sensorgrösse wiegt die GFX100RF wenig und ist kompakt. Das liegt unter anderem daran, dass sie keinen grossen Handgriff braucht. Dank des leichten Objektivs liegt sie trotzdem bequem in der Hand. Wie bei Fujifilm üblich, befindet sich der Sucher nicht mittig, sondern links oben. Statt eines klassischen mechanischen Verschlusses vor dem Sensor hat die Kamera einen Zentralverschluss im Objektiv. Das spart Platz und hat den Vorteil, dass du Blitze bis zu 1/4000 Sekunde synchronisieren kannst.

Teile der Bedienung erinnern an die X100IV. Etwa die Wahlräder auf der Oberseite. Mit einem stelle ich die Verschlusszeit ein – oder die ISO, wenn ich es nach oben ziehe. Mit dem anderen steuere ich die Belichtungskompensation. Leider fehlt bei dieser ein Sperrknopf, sodass ich sie oft aus Versehen verstelle. Das gilt auch beim neuen Format-Wahlrad auf der Rückseite.

Mit dem linken Einstellrad verstelle ich die Verschlusszeit – oder mit rausziehen und drehen die ISO.
Mit dem linken Einstellrad verstelle ich die Verschlusszeit – oder mit rausziehen und drehen die ISO.

Zwei weitere neue Bedienelemente befinden sich auf der Vorderseite: Mit einem Hebel unter dem Auslöser kann ich «zoomen». In Anführungszeichen, weil es sich dabei eigentlich um einen digitalen Crop handelt, der die Auflösung entsprechend verringert. Er wird auf das Sucherbild und auf JPGs angewandt. RAW-Dateien speichert die GFX100RF hingegen immer im Originalformat.

Unter dem Auslöser befindet der Zoom-Hebel, rechts das neue 5-Wege-Bedienelement.
Unter dem Auslöser befindet der Zoom-Hebel, rechts das neue 5-Wege-Bedienelement.

Einen zweiten Hebel mit Knopf in der Mitte kann ich mit insgesamt fünf Funktionen belegen: eine für den Knopf, je eine für eine kurze Bewegung nach links oder rechts und je eine für ein langes Halten links oder rechts. Nach etwas Eingewöhnung funktioniert dieses Prinzip erstaunlich gut. Überhaupt finde ich sowohl Design als auch Bedienung unter dem Strich sehr gelungen.

Viel Crop-Reserven, wenig Bokeh

Den Mittelformat-Sensor der Fujifilm GFX100RF kenne ich bereits aus anderen Modellen – etwa der GFX100 II, der GFX100S II oder der Hasselblad X2D. Auflösung, Farbtiefe, Dynamikumfang und Rauschverhalten sind allesamt überragend. Eine bessere Bildqualität wirst du unter 50 000 Franken nirgends finden. Mehr Details findest du in meinem Test der GFX100 II.

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    Fujifilm GFX 100 II im Test: das ultimative Werkzeug

    von Samuel Buchmann

Das Objektiv der GFX100RF hat eine native Brennweite von 35 Millimetern. Auf Vollformat umgerechnet entspricht das 28 Millimetern (Cropfaktor 0,79). Die hohe Auflösung des Sensors erlaubt starke Crops, nach denen immer noch relativ viele Details übrig bleiben. Wechsle ich per digitalem Zoom virtuell die Brennweite, ergeben sich im nativen 4:3-Format folgende Auflösungen:

  • 35mm (28mm Vollformat-Äquivalent): 102 Megapixel
  • 45mm (36mm Vollformat-Äquivalent): 61 Megapixel
  • 63mm (50mm Vollformat-Äquivalent): 31 Megapixel
  • 80mm (63mm Vollformat-Äquivalent): 20 Megapixel

Das macht die GFX100RF vielseitiger, als sie mit ihrer Festbrennweite auf den ersten Blick scheint. Natürlich schmelzen mit dem digitalen Zoom die Bildqualität-Vorteile des Mittelformats dahin. Du nutzt noch einen Teil des Sensors, der absolut betrachtet allerdings erstaunlich gross bleibt: Auf der ersten Zoomstufe wird die GFX100RF zu einer Vollformat-Kamera. Auf der zweiten Zoomstufe ist der Ausschnitt etwas grösser als ein APS-C-Sensor, auf der dritten Stufe etwas grösser als Micro Four Thirds.

Wenn du keine Lust auf Nachbearbeitung hast, bekommst du mit den eingebauten Film-Simulationen verschiedene Looks für JPGs direkt aus der Kamera.
Wenn du keine Lust auf Nachbearbeitung hast, bekommst du mit den eingebauten Film-Simulationen verschiedene Looks für JPGs direkt aus der Kamera.

Was mich jedoch stört, ist die relativ schlechte Lichtstärke des Objektivs. Sie liegt bei ƒ/4 auf 35mm. Damit zauberst du keine nennenswerten Bokeh-Effekte. Falls du lieber im Vollformat-Äquivalent denkst: Das entspricht etwa ƒ/3.1 auf 28mm. Und bitte lass dir von niemandem etwas von einem «magischen Mittelformat-Look» erzählen. Sowas existiert nicht. Dieser hartnäckige Mythos basiert auf purer Verwirrung darüber, wie Sensorgrösse, Lichtstärke und Brennweite zusammenhängen.

Ich vermisse den Bildstabilisator

Der zweite Wunde Punkt ist der fehlende Bildstabilisator. Fujifilm verzichtet wohl nicht aus Spargründen auf ihn, sondern weil er entweder den Body oder das Objektiv grösser machen würde. Das halte ich für eine schlechte Entscheidung.

Als Hasselblad bei der X2D mit dem gleichen Mittelformat-Sensor einen Bildstabilisator einführte, wurde die Kamera gegenüber der Vorgängerin 129 Gramm schwerer und 4,5 Millimeter dicker. Ein solches Opfer würde ich bei der Fujifilm GFX100RF sofort in Kauf nehmen, um nicht ständig Angst vor verwackelten Aufnahmen zu haben. Ohne Stabilisator bin ich zu schnellen Verschlusszeiten gezwungen. Bei wenig Licht bedeutet das hohe ISO-Werte, welche wiederum die Vorteile des grossen Sensors verringern.

Ein eingebauter optischer ND-Filter ermöglicht Langzeit-Belichtungen bei Tageslicht. Ohne Bildstabilisator kann ich das aus der Hand aber höchstens für kreative Unschärfen nutzen.
Ein eingebauter optischer ND-Filter ermöglicht Langzeit-Belichtungen bei Tageslicht. Ohne Bildstabilisator kann ich das aus der Hand aber höchstens für kreative Unschärfen nutzen.

Auch bei viel Licht vergibt die GFX100RF damit Chancen: Das Objektiv hat einen optischen ND-Filter, den ich per Knopfdruck vorschalten kann – ein tolles Feature. Es erlaubt auch bei Tageslicht Langzeitbelichtungen, ohne dass ich extra einen Filter anschrauben muss. So lassen sich bewegte Objekte dynamisch darstellen. Etwa fliessendes Wasser oder fahrende Autos. Bloss kann ich diese kreative Möglichkeit mit der GFX100RF nicht spontan aus der Hand einsetzen, weil ohne Stabilisator auch das restliche Bild verwackelt.

Autofokus, Display und Sucher: alles okay

Display, Sucher, Prozessor und Autofokussystem stammen direkt aus der GFX100S II. Letzteres erkennt Gesichter, Augen und verschiedene Motive und stellt in der GFX100RF für Mittelformat-Verhältnisse rasch scharf. Dabei hilft wohl, dass im kleinen Objektiv nicht viel Glas verschoben werden muss. Mehr Details zum Autofokus findest du im Test der GFX100 II.

Das 3,2 Zoll grosse Display auf der Rückseite hat eine gute Auflösung von 2,36 Millionen Bildpunkten (1024 × 768 Pixel) und ist schön hell. Es lässt sich nach oben und unten neigen, aber nicht ausklappen und drehen. Falls du auf Mittelformat-Selfies gehofft hast, muss ich dich also leider enttäuschen.

Bei einer Kamera ohne Videofunktionen reicht mir das neig-, aber nicht drehbare Display.
Bei einer Kamera ohne Videofunktionen reicht mir das neig-, aber nicht drehbare Display.

Der elektronische Sucher ist mit 5,76 Millionen Bildpunkten (1600 × 1200 Pixel) ebenfalls in Ordnung. Eine Chance verpasst Fujifilm aber bei der Vollbild-Darstellung des digitalen Zooms: Die Kamera skaliert nicht den Ausschnitt des Sensors auf die volle Sucherauflösung. Stattdessen berechnet sie weiterhin ein 2-Megapixel-Sucherbild aus dem vollen Sensor und vergrössert erst dann den Ausschnitt. Die Schärfe des Suchers sinkt also im gleichen Verhältnis wie die Auflösung der Bilddatei – obwohl der Sensor selbst auf der höchsten digitalen Zoomstufe noch rund zehnmal so viele Pixel liefern könnte (5120  ×  3840).

Der runde Kameragurt und die Gegenlichtblende gehören beide zum Lieferumfang.
Der runde Kameragurt und die Gegenlichtblende gehören beide zum Lieferumfang.

Fazit

Einzigartig, aber auch eingeschränkt

Fujifilms neuer Mittelformat-Zwerg ist ein interessanter Kompromiss. Er bietet das derzeit beste Verhältnis zwischen Bildqualität und Kompaktheit. Auch Bedienung, Autofokus, Display und elektronischer Sucher sind solide. Die Nachteile des Konzepts: hohe Kosten, kein Bildstabilisator und ein Objektiv mit geringer Lichtstärke trotz fixer Brennweite.

Ich bin mir sicher, dass die GFX100RF ihre Fans finden wird. Ihr Gesamtpaket funktioniert für gewisse Anwendungen super – zum Beispiel Street- oder Dokumentarfotografie. Mit keiner anderen Kamera erhältst du in einem so unauffälligen Gehäuse eine so hohe Auflösung. Auch bei hohen ISO-Werten liefert der Mittelformat-Sensor noch sehr gute Ergebnisse.

Doch in vielen Situationen hat mir die GFX100RF zu viele Nachteile: Der fehlende Bildstabilisator schränkt mich ein. Die Weitwinkel-Perspektive passt oft nicht. Und sobald ich digital zoome, schwindet der Qualitätsvorteil des grossen Sensors. Starke Bokeh-Effekte darfst du mit ƒ/4 auf 35 mm (entspricht im Vollformat etwa ƒ/3.1 auf 28 mm) auch nicht erwarten. Und dann wäre da noch der Preis von fast 5000 Franken.

Als Immer-dabei-Kamera würde ich lieber für ein Drittel des Geldes die X100VI kaufen. Bei unbegrenztem Budget wildert Fujifilm im Revier der Leica Q3. Die hat zwar nur einen Vollformat-Sensor – dafür einen Bildstabilisator, ein lichtstarkes Objektiv (ƒ/1.7 auf 28 mm) und mehr Prestige. Ich werde das Gefühl nicht los, dass sie für viele die attraktivere Luxus-Kompaktkamera bleiben wird.

Pro

  • relativ kompakt und leicht
  • hübsches Retro-Design
  • für Mittelformat guter Autofokus
  • guter Sucher, gutes Display
  • eingebauter optischer ND-Filter
  • Zentralverschluss
  • fantastische Bildqualität

Contra

  • kein Bildstabilisator
  • Objektiv mit geringer Lichtstärke
  • fixe Brennweite
  • teuer für eine Freizeitkamera
Fujifilm GFX100RF (35 mm, 102 Mpx)
Kamera

Fujifilm GFX100RF

35 mm, 102 Mpx

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