Haustiere: Für jedes Alter gibt es ideale Begleiter
Von der Wiege bis zur Bahre: Das Leben mit einem Vierbeiner zu teilen stärkt Körper und Geist. Nicht nur die ältere Generation profitiert von Verantwortungsgefühl, Halt und Hingabe zum Haustier.
Kein seltenes Bild auf unseren Straßen: Die ältere Dame und der meist auch bereits betagte Hund. In meiner Familie sind wir da nicht anders. Meine Mutter ist mittlerweile 80 Jahre alt und geht seit mehr als 40 Jahren Gassi. Warum ich das so genau weiß? Weil ich mit 10 einen Hund haben wollte. Partout. Einen West Highland White Terrier. Nur den und unbedingt. Mein Interesse an Streicheln und Kuscheln war groß, das an Wartung und Pflege hielt sich nach erster Begeisterung erwartungsgemäß in Grenzen. Meine Mutter übernahm diese Aufgaben dafür mit vollem Elan.
Nach Westi 1 folgte dann noch Westi 2 und mittlerweile bereichert eine verhaltenskreative Hündin den Haushalt. Meine Mutter lebt nach dem Tod meines Vaters allein. Und der teuflisch-süße Vierbeiner hält ihre Beine und außerdem die Gemütsverfassung auf Trab. Die geflügelten Worte «Das letzte Kind trägt Fell» treffen also voll ins Schwarze.
Haustiere: Treue Begleiter sind im Alter tierisch gesund
Nach diesem kleinen Schwank aus meinem Leben folgt auch schon das erste Learning: Nicht in jedem Alter kann man das Herrchen oder Frauchen sein, das ein Tier verdient. Doch fast immer ist ein Tier, wenn es im Leben leiser wird, eine Wohltat für Körper und Seele. Wissenschaftlich ist sein therapeutischer Nutzen längst bewiesen.
Für ältere Menschen kommt jedoch ein weiterer Vorteil hinzu: «Senioren kümmern sich besser um sich selbst, wenn jemand auf sie angewiesen ist. Sie behalten eine Routine bei. Sie nehmen ihre Medikamente regelmäßig ein, weil sich jemand auf sie verlässt », sagt Susan Kurowski, ihres Zeichnens Gründerin von «Pets for the Elderly», einem US-Verein, der Seniorinnen und Senioren bei der Adoption von (zumeist ebenso älteren) Haustieren unterstützt.
Ein offizielles Limit nach oben gibt es allerdings nicht: Die Schweizer «Tierwelt» hat bei mehr als 30 Tierheimen in der Deutschschweiz nachgefragt, inwiefern die Reife der Interessenten bei der Vermittlung eine Rolle spielt. Von den 16 Tierheimen, die geantwortet haben, gab keines an, dass Menschen ab einem gewissen Alter grundsätzlich keine Tiere mehr adoptieren können. Das Alter sei zwar durchaus ein Faktor bei der Abklärung, ob eine Adoption zustande komme oder nicht. Doch Älterwerden, so der Tenor, verlaufe sehr individuell, wie auch die zu vermittelnden Tiere sowohl vom Alter als auch vom Wesen her sehr individuell seien.
Paradigmenwechsel: Fellkinder statt Kinder?
Allerdings findet gerade ein spannender demographischer Wandel statt: Bei vielen Millennials haben Hund und Katz einen größeren Wert als die eigenen Familienmitglieder, sogar als möglicher eigener Nachwuchs. Eine Umfrage von Consumeraffairs in der Zielgruppe zwischen 26 und 40 Jahren ergab: 57 Prozent der Befragten lieben ihre/n tierische/n Begleiter mehr als ihre Geschwister. 30 Prozent behaupteten, ihr Haustier ihrem Partner gegenüber zu bevorzugen.
Und jetzt kommt‘s dicke: Mehr als die Hälfte der Millennials gaben bei der Befragung an, dass sie lieber ein Haustier adoptieren würden, als ein eigenes Kind zu bekommen. Besonders ausgeprägt war dieser Gedanke bei Katzenbesitzerinnen und -besitzern: Hier ziehen 63 Prozent einen Stubentiger dem menschlichen Nachwuchs vor.
Und Millennials, davon gibt es viele: In der Schweiz war im Jahr 2021 die Vorgänger-Generation X auf dem Arbeitsmarkt immer noch in der Mehrheit (35,9 Prozent), haben aber nur 0,7 Prozent Vorsprung auf jene dominante Altersklasse, die sich für Leine und Kratzbaum und gegen den Kinderwagen entscheiden möchte.
Laut früheren Studien werden vor allem Hunde gerne als Partnerersatz und zur Stärkung der psychischen Stabilität angeschafft. Mittlerweile allerdings sind Haustiere nicht nur flauschige Supporter, sondern identitätsstiftend. «Das letzte Kind trägt Fell», dieser Spruch verliert gerade an Bedeutung – und könnte eines Tages von «Das einzige Kind trägt Fell» abgelöst werden. Bis es soweit ist, möchte ich dir einen kurzen Überblick präsentieren, anhand dessen man gut erkennt, wann welches Tier am besten ins Leben passt:
Erstes Lebensdrittel: Drum prüfe, wer sich bindet
Haustiere trainieren unsere sozialen Fähigkeiten von Kindesbeinen an. Aber sie sind kein Spielzeug, sondern fühlende Lebewesen mit unterschiedlichen Bedürfnissen abseits der Kuscheleinheiten. Nur wenn die ganze Familie sie erfüllen kann, sollte diese große Verantwortung übernommen werden.
Ab circa acht, neun Jahren können sich Kinder um ein eigenes Kleintier im Haushalt kümmern. Für Katze oder Hund sind sie erst ab 14, 15 Jahren reif genug – so die allgemeine Expertinnen-Meinung. Allerdings gilt es zu beachten, dass jedes Tier eine eigene Persönlichkeit hat – manche Katzen reagieren etwa ziemlich verschnupft, wenn plötzlich ein Baby die Familie bereichert, andere sind hellauf begeistert.
Und auch bei Hunden gilt: Selbst, wenn sie äußerst liebenswert sind, kann es sein, dass sie charakterlich nicht zu Kindern passen. Neben den noch ungestümen Bewegungen fehlt den Kleinen noch die Fähigkeit sich in andere Lebewesen einzufühlen – etwa, wenn ein älterer oder kranker Hund einfach mal seine Ruhe haben möchte. Um mehr Klarheit zu finden, empfehle ich den Test der Info-Plattform hausinfo.ch zu machen, die die tiergerechte Haltung in der Schweiz fördern soll. Und zwar in jedem Alter.
Kinder und Jugendliche bekommen dort alle Informationen zur Haltung von Hunden, Katzen, Meerschweinchen, Goldhamstern, Wellensittichen, Rennmäusen, Ratten, Fischen und Kaninchen samt einem Quiz, mit dem sie herausfinden können, welches Tier zu ihnen passt. Außerdem online: Ein Heimtier-Vertrag, der dabei hilft festzulegen, wer für die Tiere sorgt.
Zweites Lebensdrittel: Egal welches Tier aber eher mehr als eins
Der amerikanische Versicherungsanbieter «Many Pets» hat emsig Studien und Statistiken gesammelt, um zu untersuchen, wie unterschiedliche Generationen mit ihren Haustieren umgehen. Das Ergebnis? Wie eingangs erwähnt, sind mittlerweile die Menschen der Lebensmitte am tierfreundlichsten. 24 Prozent der Generation X (zwischen 1965 und 1980 geboren) und 27 Prozent der Generation der Baby Boomer (geboren bis 1964) haben Katz und Hund in den Familienstand erhoben. Für so eine große, so diverse Gruppe kann keine glasklare Empfehlung abgegeben werden – zu unterschiedlich sind Lebensstil- und Anschauung.
Aber im Sommer des Lebens dürfte man laut der US-Untersuchung auf Rudelbildung setzen: Die Mehrheit befindet ausreichend tierische Gesellschaft für artgerechter und hält daher häufig gleich mehrere Haustiere.
Drittes Lebensdrittel: Gleich und gleich gesellt sich gern
Wenn die sozialen Kontakte rar werden, verbessern Katzen das Wohlbefinden zuhause ungemein. Allerdings treffen sich Katzenbesitzerinnen und -besitzer nicht bei regelmäßigen Gassi-Runden zum Austausch. Will heissen: Wer rüstig genug ist, wird durch den «besten Freund des Menschen» auch sozial stärker gefordert und eingebunden. Besonders ruhige, kleine bis mittelgroße und genügsame Hunde eignen sich für ältere Menschen, allerdings haben auch sie einen Bewegungsdrang, dem man gerecht werden muss.
Katzen hingegen lassen sich gut in der Wohnung halten und eignen sich speziell für ältere Menschen, die nicht gut zu Fuß sind und selten auf Reisen gehen. Doch egal ob Wuff oder Miau: Jungtiere können einerseits anstrengend sein und sollten andererseits ihre Besitzerinnen und Besitzer dann auch nicht überleben. Also, liebe Seniorinnen und Senioren: Holt euch einen Senior. Charakterfeste Tiere, die ihre Sturm-und-Drang-Phase bereits hinter sich haben, sind gerade ü60 eine echte Bereicherung.
Und ansonsten? Adopt, don‘t shop. Gerade in den Tierheimen und auf Pflegestellen warten viele Vierbeiner auf einen liebevollen Platz. Das gilt übrigens für jede Generation.
Titelfoto: shutterstockLebe lieber ungewöhnlich: Ob Gesundheit, Sexualität, Sport oder Nachhaltigkeit, jedes Thema will entspannt, aber aufmerksam entdeckt werden. Mit einer gehörigen Portion Selbstironie und niemals ohne Augenzwinkern.