Heisse Rennen, kaltes Wasser: die Wingfoil-EM in Silvaplana
Für die internationale Wingfoil-Elite gab es Mitte Juni nur einen Ort: den Silvaplanasee. Rund 60 Foilerinnen und Foiler aus 14 Nationen trafen sich im Oberengadin zur «Formula Wing»-Europameisterschaft. Der Konsens: Sportliche Top-Leistungen vor wunderschöner Kulisse.
Es war ein historischer Anlass: die erste «Formula Wing»-Europameisterschaft überhaupt und dann gleich in der Schweiz. Ganz unerwartet ist das nicht. Schliesslich hat das Engadin für Wind- und Wassersportfans eine besondere Bedeutung. Seit 46 Jahren findet hier die älteste Windsurf-Regatta der Welt statt. Durch den verlässlichen Malojawind hat sich der Silvaplanasee zu einem Windsurf-, Kite- und nun auch Wingfoil-Mekka entwickelt.
«Der Ort hat etwas Magisches, es ist einer der schönsten Orte, an dem ich je gewesen bin», sagt Kamil Manowiecki, ein 22-jähriger Profi-Wingfoiler aus Polen. Selbst das ungewohnt kalte und regnerische Wetter mit Temperaturen zwischen drei und neun Grad konnte die Begeisterung der Athletinnen und Athleten nicht trüben. «Eis-Gladiatoren» nannte Rennleiter Mirco Babini die Teilnehmenden, die auf Tragflächen vom Wind getrieben übers Wasser rauschten.
Strategische Entscheidungen in der neuen Rennklasse
In mehreren Läufen konnten sich die Foilerinnen und Foiler fürs Final qualifizieren. Da das Rennen World-Cup-Punkte brachte, waren auch Sportlerinnen und Sportler aus Hongkong, Neuseeland und den USA am Start. Bei den Herren gewann nach einem sehr spannenden Kopf-an-Kopf-Rennen der 21-jährige Mathis Ghio aus Marseille. Bei den Damen wurde Maddalena Spanu aus Italien mit deutlichem Vorsprung auf das restliche Feld Europameisterin in der «Formula Wing»-Klasse.
Neu in dieser Rennklasse ist, dass sich Athletinnen und Athleten vor dem Start auf das Equipment festlegen müssen, das sie während des Events nutzen wollen. Das Dilemma: Wählen sie die schnellste und radikalste Ausrüstung, haben sie bei leichtem Wind einen Nachteil. Sind Brett, Foil und Wing für wenig Wind geeignet, können sie bei stärkerem Wind nicht die optimale Performance aus ihrer Ausrüstung herausholen. Neben sportlichem Können sind also auch strategische Entscheidungen gefragt.
«Wingfoil-Racing entwickelt sich sehr schnell», sagt Mirco Babini, Vorstandsmitglied der International Wingfoil Racing Association. Es gäbe immer mehr gute Athletinnen und Athleten. Viele von ihnen hätten ihre sportliche Karriere im Windsurfen begonnen und seien dann auf das Wingfoilen umgestiegen.
Rafeek Kikabhoy aus Hongkong ist so ein Sportler. «Es gibt so viel Innovation im Wingfoilen und das Racen macht mir sehr viel Spass», erklärt er seine Motivation. Auch wenn der Sport noch nicht olympisch ist, gibt es ernsthafte Bestrebungen, dass Wingfoilen 2032 bei den Olympischen Spielen im australischen Brisbane dabei sein kann.
Freestyle beim «Ensis Engadin Wing» Event
Die Europameisterschaft fand im Rahmen von «Ensis Engadin Wing 2024» statt. Während sich beim Racen alles um Geschwindigkeit drehte, waren beim Freestyle-Contest Tricks, Style und kreative Manöver gefragt. Nicht nur mit dem Wing, sprich dem Flügel, der frei in der Hand gehalten wird, sondern auch beim Windsurf- und Kitefoilen. Denn auch in diesen traditionelleren Windsportarten hat sich das Foil, also die Tragfläche, inzwischen einen festen Platz erobert.
«Bei diesem Event dreht sich alles ums Foilen, deshalb auch der Name Foilmania», sagt Christian Müller, Präsident der Swiss Foiling Federation . Einzigartig für das Event in Silvaplana ist das «best of three»-Contest-Format. Windsurf-, Kite- und Wingfoilers traten gegeneinander an, um die radikalsten, kreativsten und atemberaubendsten Manöver zu zeigen.
Für die Zuschauenden war es ein visuelles Highlight, die verschiedenen Boards und Segel vor der Kulisse der Dreitausender in die Luft fliegen zu sehen. Die Sprünge und Tricks waren so akrobatisch, dass sie beim Publikum erstaunte «Wows» hervorriefen.
Nach spannenden Heats konnte Balz Müller den Freestyle-Contest für sich entscheiden. Ist er sonst hauptsächlich beim Wingfoilen zu sehen, hatte er für diesen Wettbewerb das Windsurf-Foilboard gewählt. Dass er auch damit Höchstleistung bringt, überrascht nicht. Schliesslich ist er seit rund 23 Jahren vom Windsurfen begeistert, wie er im Interview erzählt.
«Ich liebe das Foil-Freestylen, weil man dabei die Naturgewalten kreativ bändigen kann und sich auf dem fantastischen Spielplatz, den die Wasseroberfläche bietet, austoben kann», sagt der erfolgreiche Wassersportler, der das Wingfoilen seit 2019 entscheidend mitprägt. «Das Sensationelle am best-of-three-Format ist, dass es die unterschiedlichen Wassersportarten zusammen bringt, was sonst kaum passiert», ergänzt er.
Du hast Lust bekommen, selbst ein Rennen aus nächster Nähe zu sehen? Bei den Tourstopps der Swiss Foiling Tour erfährst du, was den Reiz des Trendsports ausmacht.
Forschungstaucherin, Outdoor-Guide und SUP-Instruktorin – Seen, Flüsse und Meere sind meine Spielplätze. Gern wechsel ich auch mal die Perspektive und schaue mir beim Trailrunning und Drohnenfliegen die Welt von oben an.