Huawei vs. USA: Die Zukunft des Kirin
Die USA haben die Sanktionen gegen Huawei verschärft. Der Kirin-Chip könnte vor dem Aus stehen, sofern Huawei keinen neuen Hersteller für Chips findet. Unerwartete Hilfe kommt von Qualcomm.
Die US-Regierung hat die Schrauben angezogen. Neu hat die Regierung unter US-Präsident Donald Trump erlassen, dass kein Hersteller weltweit Handel mit Huawei treiben darf, sofern irgendwo in der Herstellung US-Equipment oder US-Software verwendet wird.
«Wir glauben, dass das ein Schritt ist, der Huaweis Fähigkeit, Halbleiter von irgendwoher zu beschaffen, signifikant (fast komplett) einschränkt», schreibt Manish Nigam, Head of Asian Technology Research bei Credit Suisse.
Das Ende der Smartphones (und des 5G-Equipments)?
Noch härter formuliert es Dan Wang, Researcher bei Gavekal: «Huaweis Zeiten als Hersteller von 5G-Netzwerk-Equipment und Smartphones sind wohl vorbei sobald dem Konzern der Vorrat im kommenden Frühjahr ausgeht».
Die Regierung Trump hegt bisher nicht erhärteten Spionageverdacht. Huawei soll mit seiner 5G-Netzwerkinfrastruktur Daten und Informationen abgreifen können, die der nationalen Sicherheit der USA schaden können. Die Beweise stehen bisher aus, es ist aber möglich, dass die USA diese noch nicht öffentlich gemacht haben. Sami Seppänen, CEO des estnischen Telekomkonzerns Elisa, sagt gegenüber err.ee, dass es keine Backdoors in irgendwelchen Produkten Huaweis oder anderer chinesischer Hersteller gebe. Er geht sogar so weit, dass jeder «mit der Sache vertraute Engineer» nur schon über den Vorschlag lachen würde. «Die Spionagevorwürfe stammen aus den Mündern von Ahnungslosen», sagt er. Die Smartphones, für die sich die Öffentlichkeit eher interessiert, sind in diesem Kampf mehr oder weniger Kollateralschaden.
Erstmals hat sich auch Richard Yu, Chief Executive der Consumer Business Group Huaweis, kritisch zur Situation geäussert. An der Konferenz China Info 100 hat er öffentlich gesagt, dass die Chip-Lieferanten Huaweis nur Bestellungen bis und mit 15. Mai 2020 angenommen haben. «Wir sind in einer schwierigen Lage… Huaweis Smartphones haben keine Chip-Versorgung mehr. Dieses Jahr könnte das letzte Jahr der Kirin Chips sein… Das ist ein grosser Verlust für uns», sagt er.
Und jetzt… was nun?
Huawei gibt nicht auf. Ein Konzern der Grösse Huaweis kann sich das nicht leisten. Daher muss der Konzern kurzfristig eine Lösung finden. Das Ende des Kirins scheint, zumindest zeitweise, beschlossen zu sein. Der Kirin-Chip ist das intellektuelle Eigentum Huaweis, wird aber von HiSilicon hergestellt. HiSilicon verwendet US-Technologie in der Fertigung und darf entsprechend nicht mehr für Huawei produzieren.
Huawei muss also einen neuen Hersteller finden. Offensichtlicher Kandidat wäre MediaTek, ein chinesischer Chip-Hersteller, der für seine Low-End Chips bekannt ist. Die Frage, nebst der nach US-Equipment, bei MediaTek aber ist, ob es die Fähigkeit hat, 5-nm-Chips herzustellen. Denn da liegt die Zukunft. MediaTek hat die Infrastruktur für 7-nm-Chips, wie die Pressemitteilungen zum neuen MediaTek Dimensity 800U verraten. Die Zukunft liegt aber in der 5nm-Architektur und Huawei dürfte dem Schritt zur zwei Nanometer kleineren Architektur näher sein als ein anderer Hersteller. Obwohl sich Huawei in Punkto Development nicht tief in die Karten blicken lässt, zeigt die Geschichte des Unternehmens, dass sie schneller neue Architekturen adoptieren als die Konkurrenz. Aber: Kann MediaTek die Menge Chips herstellen, die Huawei benötigt?
Unerwartete Hilfe kommt aus dem Lager des Chip-Herstellers Qualcomm, amerikanischer Hersteller der Snapdragon Systems-on-a-Chip. Das Wall Street Journal berichtet, dass Qualcomm Lobbyarbeit leistet, damit es wieder mit Huawei Geschäfte machen darf. Als eines der Hauptargumente führt Qualcomm auf, dass das Handelsverbot Huawei nicht davon abhalten werde, die für die Herstellung von Phones und 5G-Netzwerk-Equipment notwendigen Materialien zu beschaffen. Vielmehr verliere die USA durch das Handelsverbot «Milliarden von Dollar».
Derweil kämpft US-Präsident, Initiator der Sanktionen gegen Huawei, um seine Wiederwahl. Unabhängig der Spionagevorwürfe gegen Huawei wirft er an einer Wahlveranstaltung im US-Bundesstaat Wisconsin dem FBI vor, dass es ihn während seines Wahlkampfs im Jahre 2016 ausspioniert habe. Daher stehe ihm eine dritte Amtszeit zu: «Wir gewinnen jetzt noch einmal vier Jahre. Und dann, danach, machen wir nochmal vier Jahre, weil die meine Kampagne ausspioniert haben. Wir sollten diese vier Jahre wiederholen dürfen.»
Bei Smartphones bleibt die Situation bestehen: Neue Geräte werden ohne Google Services ausgeliefert, laufen aber auf Android. Alte Geräte mit Google Services werden weiterhin Updates erhalten. Die Google Services werden nicht über Nacht von Geräten verschwinden.
Journalist. Autor. Hacker. Ich bin Geschichtenerzähler und suche Grenzen, Geheimnisse und Tabus. Ich dokumentiere die Welt, schwarz auf weiss. Nicht, weil ich kann, sondern weil ich nicht anders kann.