Huawei vs. USA: Neue Software… oder doch nicht?
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Huawei vs. USA: Neue Software… oder doch nicht?

Huawei will bei Android bleiben. Trotzdem schaut sich der chinesische Konzern nach Alternativen um. Diese könnten aus dem eigenen Haus, Finnland oder Russland stammen.

Der amerikanische Konzern Google darf noch bis Ende August 2019 mit dem chinesischen Unternehmen Huawei offiziell Geschäfte machen. Das besagt eine Ausnahmebewilligung, die dem Handelsverhältnis kurz nach dem Generalverbot vor einigen Wochen gesprochen wurde. Was danach kommt, steht noch in den Sternen. Eine längere Zusammenarbeit mit Huawei ist denkbar, aber kein Unternehmen von der Grösse und Wichtigkeit Huaweis ist doof genug, sich keinen Plan B zu überlegen.

Was, wenn alle Stricke reissen? Was, wenn keine privilegierte Zusammenarbeit mit Google mehr möglich ist?

Aktuell im Handel erhältliche Geräte sind übrigens immer noch nicht von den politischen Wirren um Huawei und die USA betroffen. Über künftige Geräte lässt sich noch nichts Definitives sagen.

Nach Spekulationen von User Adr1vn und Chevynator ist es Zeit für einen Überblick.

Hoffe eigentlich insgeheim, dass Huawei bald das eigene OS bringt, das wäre sehr interessant für den Markt.
Adr1vn
Ich vermute aber, es wird einfach ein Android Fork ala Amazon. Würde dann einfach einen anderen Store und OS Namen geben aber im Grunde immer noch Android sein, was vermutlich für Huawei besser wäre.
Chevynator

Sailfish OS: Android, aber anders

Sailfish OS bezeichnet sich selbst als «das unabhängige, partnerfreundliche OS, das die Innovation fördert». Das Operating System aus Finnland gleicht Android, hat aber einen anderen Kernel. Sailfish läuft nach wie vor auf einem Linux-Kernel, wohingegen Android den Kernel für sich angepasst hat.

Entstanden ist Sailfish aus einer Gruppe Entwicklern, die damals für das ähnlich aufgebaute Betriebssystem MeeGo gearbeitet haben. MeeGo, das anno 2010 auf dem Nokia N9 lief, ist gefloppt. Die Entwickler aber hatten bereits eine Milliarde US-Dollar in ihr Projekt investiert und haben nicht aufgegeben. Aus MeeGo wurde Jolla Ltd., eine Firma, welche die Sailfish Community betreut und Software entwickelt. Mittlerweile aber erfreut sich Sailfish einer breiten Community, die das Projekt unterstützt, Features fordert und einbaut.

Und: Sailfish OS hat den grossen Vorteil, dass es voll mit dem Android-Ökosystem kompatibel ist.

Aurora OS

Die Russen, wer denn sonst? Aurora OS könnte, so Medienberichte, die Nachfolge Androids auf den Geräten Huaweis antreten. Die News stammt vom russischen Magazin The Bell. The Bell ist zwar noch recht neu auf dem Markt, aber mit Yelizaveta Osetinskaya hat das Magazin das starke Backing einer ehemaligen RBC-Journalistin. Sie soll es sich laut Angaben Radio Svobodas durch die Coverage der Panama Papers mit der russischen Regierung verscherzt haben.

Auf jeden Fall haben die Russen ein eigenes Betriebssystem. Anscheinend. Denn online findet sich weder eine offizielle Website noch sonst etwas. Da ist zwar eine Linux-Distribution mit dem Namen Aurora OS (via archive.org], aber die ist für Netbooks entwickelt worden. Laut Branchendienst Distrowatch ist die Entwicklung, die als Eeebuntu für Asus Eee PCs begonnen hat, eingestellt worden. Daher ist aktuell davon auszugehen, dass Aurora OS entweder chinesisch/russisches Säbelrasseln in Richtung USA ist, oder dass die wenigen Fakten tatsächlich auf ein neues Betriebssystem schliessen lassen.

The Bell gibt an zu wissen, dass Aurora OS seit 2012 entwickelt wird. Es sei eine Version von Jollas Sailfish OS. Der russische Milliardär Grigory Berezkin ist seit 2014 einer der Miteigentümer Jollas. Er habe im selben Jahr eine Vereinbarung mit dem russischen Ministerium für Kommunikation unterschrieben, das die Schaffung eines «nationalen Russischen mobilen Betriebssystems» beschliesst. Berezkin hat auch Beziehungen zu einem Unternehmen namens Open Mobile Platform (OMP), einem russischen Entwickler für Software. Auf der Seite OMPs wird gross von «Sailfish für Russland» gesprochen. OMP gehört zu 75 Prozent dem Telekommunikationskonzern Rostelecom, dem grössten Internet Service Providers Russlands.

Ist das etwa Aurora OS?

Der Home Screen unter OMPs Sailfish-Version
Der Home Screen unter OMPs Sailfish-Version
Die Notification Drawer unter OMPs Sailfish
Die Notification Drawer unter OMPs Sailfish

Sailfish ist in Russland nicht weit verbreitet, trotz der Ankündigung Berezkins, dass die russische Sailfish Version nicht nur für Regierungsstrukturen sei, sondern auch für normale Nutzer. Einzig das Inoi R7, ein für Russland in China hergestelltes Phone, läuft auf einer russischen Version Sailfishs aus dem Hause OMP. Über das Phone ist nur wenig bekannt, aber die Kollegen von SailfishMods.de scheinen es zu mögen.

Das regierungsnahe Magazin Sputnik News weiss zudem von angesetzten Gesprächen zwischen Huawei und dem russischen Ministerium für Kommunikation, ob Aurora OS eingesetzt werden könnte. Die Gespräche sind auf Herbst angesetzt, wohl nachdem der Entscheid über eine mögliche weitere Zusammenarbeit zwischen Google und Huawei gefällt ist.

HongMeng OS

Nach wie vor ist wenig über das im Hause Huaweis entwickelte Betriebssystem bekannt, das den Namen HongMeng OS trägt. Der Name scheint aber bestätigt, denn Huawei hat entsprechende Patente angemeldet. Für jeden Rechtsraum, in dem HongMeng ausgerollt werden soll, muss ein eigenes Patent angemeldet werden. Daraus kann geschlossen werden, wo das Betriebssystem eingesetzt würde, wenn es denn zum Split mit Google Android käme.

  • Schweiz
  • Thailand
  • Kambodscha
  • Mexico
  • Australien
  • Korea
  • Malaysia
  • Indonesien
  • Neuseeland
  • Kanada
  • Spanien
  • Philippinen

Das bedeutet nicht, dass HongMeng die Alternative für Android ist und dass es zwingend kommt. Denn Huawei hält öffentlich daran fest, dass der Konzern gerne bei Android bleiben würde. Die Patente und Trademarks bedeuten lediglich, dass Huawei sich auf einen möglichen Launch vorbereitet.

Was HongMeng kann, ist oder tut, ist nach wie vor gänzlich unbekannt.

Die Bedeutung hinter dem Namen 鸿蒙

Eines aber wissen wir dank User xividyzf. In einem Kommentar schreibt er als Antwort auf meine angenommene Umschrift von Hongmeng und der Übersetzung zu «Roter Traum»:

I am a Chinese. The name Hong Meng has nothing to do with "red dream" at all. The correct Chinese characters are 鸿蒙.
xividyzf

Übersetzung:

Ich bin Chinese. Der Name Hong Meng hat nichts mit «Roter Traum» zu tun. Die richtigen Chinesischen Zeichen sind 鸿蒙.
xividyzf

In der Umschrift in Pinyin heisst das Betriebssystem überraschenderweise «Hongmeng». Die Zeichen aber sind völlig andere als die, die mit «Roter Traum» übersetzt werden können. Denn «Roter Traum» sieht so aus: 红梦.

Der effektive Name 鸿蒙 ist laut Thread auf der Frageplattform Quora eine Anspielung auf die Chinesische Geschichte..

Das Huawei'sche Hongmeng, also 鸿蒙, beschreiben einen Zeitraum vor der Zeit. Die Hongmeng-Ära beschreibt einen Zeitraum bevor Pangu (盘古), das erste Lebewesen und Erschaffer von allem, aus seinem Ei geschlüpft ist, Yin und Yang mit seiner Axt in Himmel und Erde getrennt hat und den Himmel von der Erde weggestossen hat. Bevor all das passiert ist, bevor Pangu überhaupt in sein Ei kam, herrschte Hongmeng. Hongmeng ist der Zustand des Chaos, bevor Ordnung in die Welt kam. Seit einiger Zeit wird das Wort «Hongmeng» als Stellvertreter für «chaotische vergangene Zeiten» verwendet.

Ein Hinweis darauf, wie es um die Software steht?

Apropos: International könnte Hongmeng als «Ark OS» oder «Oak OS» bekannt sein. Entsprechende Patente seien eingereicht.

Android trotz Abbruch der Beziehung

Android ist als Betriebssystem nach wie vor in den Karten. Der Grund dafür ist, dass das Betriebssystem seit jeher darauf ausgelegt ist, von jedem gratis genutzt werden zu können. Das nennt sich Android Open Source Project (AOSP) und wird von Google selbst bereitgestellt. AOSP ist eine reine Version Androids, die jeder nach Belieben abändern kann, soll und darf. Die ganzen engen Partnerschaften mit Marken wie Nokia, Huawei, BQ und anderen sind erst später dazugekommen. Das wäre Chevynators Lösung: Einfach ein Android Fork aufbauen und dann damit arbeiten.

Es ist also nach wie vor möglich, dass Huawei auf Android setzt und anstatt aktiv am Development der Software vor dem Release mitzuarbeiten, seine Emui-Geschichten als Nachtrag auf AOSP bringt. Das Resultat wären etwas verzögerte Updates, was aber in der grossen Landschaft der Android-Distributionen und den Update Cycles keine nennenswerte Beeinträchtigung mit sich bringen würde.

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Journalist. Autor. Hacker. Ich bin Geschichtenerzähler und suche Grenzen, Geheimnisse und Tabus. Ich dokumentiere die Welt, schwarz auf weiss. Nicht, weil ich kann, sondern weil ich nicht anders kann.


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