Hypnobirthing: «Frauen geben bei der Geburt zu früh die Kontrolle ab»
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Hypnobirthing: «Frauen geben bei der Geburt zu früh die Kontrolle ab»

Frauen, die sich mit «Hypnobirthing» auf die Geburt vorbereiten, schwärmen von ihrer Entbindung. Eine alternative Technik als Plädoyer für Kontrolle, mentale Stärke und Vertrauen in den eigenen Körper.

Geburt gleich Schmerz. Eine Assoziation, so verinnerlicht, dass ich im Gespräch mit Freundinnen instinktiv das Gesicht verziehe, sobald das Thema zur Sprache kommt. Dabei habe ich selbst noch nie ein Kind zur Welt gebracht. Es sind Geschichten mühsamer, qualvoller Geburten, die meine Vorstellung davon prägen, was bei der Entbindung geschieht. Scheinbar geht es auch anderen so, denn immer mehr Mütter teilen auf Social Media ihre positiven Geburtserfahrungen, um diesem einseitigen Bild entgegenzuwirken. Ein Schlagwort fällt dabei besonders häufig: Hypnobirthing.

«Hypnobirthing ist eine Philosophie und Technik zugleich, die der Geburtsvorbereitung dient», erklärt Stephanie Borner. Sie bietet seit Kurzem selbst Hypnobirthing-Kurse für werdende Eltern an und erklärt mir, wodurch sich das Konzept von einem gewöhnlichen Geburtsvorbereitungskurs unterscheidet. Dank prominenter Frauen wie Herzogin Kate oder Anja Zeidler, die öffentlich über ihre positiven Erfahrungen mit Hypnobirthing sprechen, findet das Thema immer mehr Anklang bei Schwangeren. Auf der Schweizer Hypnobirthing Webseite lesen sich die positive Geburtsberichte fast schon wie Spottbriefe an alle Mütter, die bei der Geburt gelitten haben.

«Die Geburt war einfach perfekt»

«Traumgeburt»

«Wunderschöne kurze Geburt»

«Es war soooo schön»

Was haben diese Frauen anders gemacht?

Perspektivenwechsel

«In gewöhnlichen Vorbereitungskursen lernen Schwangere, welche Stellungen und Atemtechniken bei Schmerzen helfen. Der Schmerz ist das Problem und für dieses werden Lösungen bereitgestellt.» Beim Hypnobirthing, auch «sanfte Geburt» genannt, gehe man das Thema von der anderen Seite an, sagt Borner. Die negative Sicht auf die Geburt wird gegen einen neuen, positiven Blickwinkel eingetauscht. Der Fokus: die mentale Komponente der Vorbereitung.

«Der Körper weiss schon, wie es läuft.»

«Frauen lernen hier alles, was auch im Standardkurs thematisiert wird. Sie werden jedoch zusätzlich darüber aufgeklärt, welche Aufgaben ihnen der Körper bereits ohne ihr Zutun abnimmt. Also was bereits von selbst funktioniert.» Dieses Wissen stärke die Frau, mache ihr Mut und wecke das Urvertrauen in die Natur, also in den eigenen Körper. «Der Körper weiss schon, wie es läuft.» Und wenn er es mal doch nicht weiss, gebe es das medizinische Sicherheitsnetz.

Kontrollverlust

«Die Ärzte und das Spital sind wichtige Bestandteile einer sicheren Geburt», so Borner. Sie greifen ein, wenn der natürliche Prozess Unterstützung braucht. «Das Problem ist nur, dass die Medizin häufig zu schnell eingreift und Frauen die Kontrolle von Anfang an voll und ganz an die Ärzte abgeben.» Der Arzt sei dafür verantwortlich, dass das Kind gesund zur Welt kommt. Nicht dafür, die Frau zu stärken. «Er flickt, wenn etwas nicht funktioniert. Schwangere sind aber nicht krank. Unsere Gesellschaft behandelt sie dennoch so.» Für die Stärkung der Frau seien früher und noch heute in vielen Kulturen Mütter, Schwestern und Freundinnen zuständig. Sie begleiten die werdende Mutter durch die Geburt und stehen mit Rat und Tat zur Seite. «Hierzulande ist für viele Schwangere aber der Arzt die erste Anlaufstelle bei Fragen.»

«Vieles in der Medizin vereinfacht die Geburt für den Arzt, nicht aber für die Frau.»

Dabei darf man laut Borner nicht vergessen, dass nicht alles, was der Arzt tut, im Interesse der Frau ist. «Vieles in der Medizin vereinfacht die Geburt für den Arzt, nicht aber für die Frau.» Als Beispiel nennt sie die Liegeposition mit gespreizten Beinen. «Mittlerweile wissen wir, dass das nicht die ideale Position ist, um ein Kind auf die Welt zu bringen. Sie erleichtert dem Arzt jedoch den Zugang. Auch der Dammschnitt etablierte sich, weil er für den Arzt bequemer ist. Dabei wäre er in den meisten Fällen gar nicht nötig und zieht vermeidbare Beschwerden für die Frau mit sich.»

Hypnobirthing vertritt die Ansicht, dass die Frau erst dann die Kontrolle dem Arzt überlässt, wenn der natürliche Prozess nicht mehr funktioniert. Nicht vorher. «Viele Frauen denken sich: Im Spital wird mir dann schon gesagt, wie alles abläuft und was ich zu tun habe.» Dieses Denken berge Potenzial für Ungewissheit und Ängste, was die Frau letztlich in einen Stresszustand versetzt. «In Stresssituationen fährt der Körper die Darmfunktionen, die Durchblutung und die Sauerstoffversorgung des Kindes herunter. Die Frau verkrampft sich, Schmerzen sind die Folge. Nicht selten ist dann ein Kaiserschnitt nötig.» Durch die Vorbereitung mit Hypnobirthing soll frau gar nicht erst in eine solche Stresssituation kommen. Dazu stehen ihr unterschiedliche Werkzeuge zur Verfügung.

Von Selbsthypnose und der Macht des Wortes

Eines dieser Werkzeuge ist laut Borner der bewusste Umgang mit der Sprache. «Wer von Wehen oder vom Pressen spricht, impliziert: Autsch!» Deshalb werden gewisse Ausdrücke durch positive Begriffe ersetzt. Aus Wehe wird Welle. Aus Pressen Schieben. Und aus Schmerz Muskelkraft. Selbsthypnose, positive Affirmationen, Kommunikation sowie Visualisierungs- und Atemübungen sind neben der Sprache weitere Tools. «Im Zentrum steht die mentale Vorbereitung der werdenden Mutter auf das, was kommt und das Vertrauen in ihren Körper. Durch diese zwei Hebel kann sie eine Tiefenentspannung herbeiführen.»

Die Visualisierung und der Einsatz eines anderen Wordings können laut Borner in den meisten Fällen einen Dammriss oder -schnitt vermeiden. «Beim ruckartigen Pressen geht es dem Dammgewebe viel zu schnell. Es kann sich nicht dehnen und reisst. Deshalb beginnt die Frau einen Monat vorher mit einer Dammmassage. Stellt sie sich dann bei der Geburt ein Schieben statt ein Pressen vor, geht alles langsamer. Hinzu kommt der Mechanismus der Hypnose. Dabei stellt sich die Frau bildlich vor, wie sich der Damm öffnet, vergleichbar mit einer Blüte.» So entstehe in der Vorbereitungszeit bereits eine Art Beziehung zwischen der werdenden Mutter und ihrem Damm.

«Hypnobirthing ist nicht als Wundermittel für eine sanfte Geburt zu verstehen.»

Diese Hypnose lasse sich nicht mit der Showhypnose, die wir aus dem TV kennen, vergleichen. «Du kannst die Selbsthypnose als eine Art Meditation betrachten, die dich in die Tiefenentspannung geleitet und durch die du in dich gehst, um an deinem Unterbewusstsein zu arbeiten. Mit dem Ziel, dass du dich nicht nur auf das Baby freust, sondern auch auf die Entbindung selbst.» Es sei ein Umprogrammieren. Mit Entspannung gegen die Angst. Die Geburt ist ein Kraftakt und die Muskelkraft – also der Schmerz – bringt frau Schritt für Schritt näher zum Kind. Wer sich dabei entspanne und sich das nahende Glück stets vor Augen halte, könne selbst die «Strapazen» der Geburt als schön empfinden. «Hypnobirthing ist aber nicht als Wundermittel für eine sanfte Geburt zu verstehen. Die Mutter muss – wenn möglich gemeinsam mit ihrem Partner oder ihrer Partnerin – zu Hause aktiv üben.»

Die Geburt als Teamsport

Wer die Mutter durch die Geburt begleitet, hat eine wichtige Aufgabe. Dabei spiele es keine Rolle, ob es sich bei dieser Wohlfühl-Person um den Partner, die Mutter oder die Freundin handle. «Diese Menschen sind da, um die Mutter zu schützen, ihr Geborgenheit zu geben und einen Raum zu schaffen, in dem sie sich wohlfühlt.» Konkret heisst das: den Besuch regeln, darauf achten, dass die Frau genügend trinkt, isst und auf die Toilette geht. «Oft fühlen sich die Partner bei der Geburt hilflos. Im Hypnobirthing wird ihnen eine aktive Rolle zugewiesen.» Deshalb sei es wichtig, dass die Geburtsbegleitung genau Bescheid wisse, was geschehe. Für Angst sei kein Platz, denn die gehe schlimmstenfalls auf die Mutter und von da auf das Kind über. «Die Männer werden in der Regel zu wenig miteinbezogen. Ihre Ängste und Sorgen sind deshalb auch ein wichtiger Bestandteil des Kurses.»

Wissen, was frau will

«Es ist wichtig, dass Frauen früh darüber entscheiden, wie und in welchem Umfeld sie ihr Kind auf die Welt bringen wollen», sagt Borner. Das fängt bei der Wahl des Geburtsortes an. «Es gibt Spitäler, die sind auf Kaiserschnitte spezialisiert. Die Wahrscheinlichkeit, dass dort schneller mal zugunsten eines solchen Eingriffs entschieden wird, ist höher. Jede Einrichtung hat ihre eigenen Wege, ans Ziel zu kommen.» Deshalb sei es für die werdende Mutter wichtig, zu wissen, was sie selbst möchte und sich darüber erkundigt, wo sie es bekommt.

«Eine Geburt ist eigentlich eine ruhige Geschichte. Das heisst nicht, dass die Frau nicht schreien darf.»

«Ich rege die Frauen dazu an, sich aktiv Gedanken zu machen: Möchte sie von ein und derselben Beleghebamme über längere Zeit begleitet werden oder darf es auch die Klinikhebamme sein, die gerade Schicht hat? Wünscht sie sich nach der Entbindung lieber ein intimes Familienzimmer oder doch ein Einzel- oder Mehrbettzimmer?» Auch kleine Details zählen: Soll es im Raum dunkel sein? Soll Musik laufen? Helfen Kerzen, eine entspannte Atmosphäre zu schaffen? «Eine Geburt ist eigentlich eine ruhige Geschichte. Das heisst nicht, dass die Frau nicht schreien darf. Im Gegenteil, wenn es ihr guttut, soll sie das tun. Es geht darum, dass die Frau darüber entscheidet, wann es laut wird und wann nicht. Eine Hebamme, die 'Pressen!' schreit, stört unter Umständen nicht nur die Mutter, sondern auch das Kind, das gerade aus dem geräuscharmen Bauch kommt.»

Bauchgefühl

Lilian ist eine der Frauen, die sich sich mit Hypnobirthing auf die Geburt vorbereitet haben. Die 35-Jährige hat den Kurs in der 34. Schwangerschaftswoche bei einem Online-Anbieter absolviert. Einen Kaiserschnitt wollte sie nicht. Dennoch kam ihr erstes Kind mit Hilfe des Skalpells auf die Welt.

«Wenige Wochen vor Geburtstermin war der Kleine in einer Beckenendlage. Weil er sich nie drehte, war die Wahrscheinlichkeit hoch, dass er in dieser Position bleibt. Mir wurde gesagt, dass eine natürliche Geburt zwar möglich aber hart wäre und dass mein Spital solche Geburten gar nicht erst durchführt.» Lilian hatte die Wahl: Entweder sie entscheidet sich für einen Kaiserschnitt in dem Spital, in dem sie bereits alle Voruntersuchungen machen liess oder sie besteht auf eine natürliche Geburt in einem anderen Kantonsspital – vorausgesetzt das Kind dreht sich nicht noch kurzfristig. Corona spitzte die Situation noch zu. «Wir wussten bis kurz vor der Geburt nicht, ob mein Mann dabei sein darf oder nicht. Das alles machte mich fertig.»

«Ich war bereit – egal für welche Art von Geburt.»

Durch den Kurs und die Bücher habe sie sich ein positives Mindset erarbeitet, erzählt die frischgebackene Mutter. «Das half mir, die Situation zu akzeptieren, auch wenn sie von meiner Wunschvorstellung abwich. Ich war bereit – egal für welche Art von Geburt.» Sie lernte, auf ihr Gefühl zu vertrauen, anstatt sich in lange Diskussionen zu verstricken. Sie entschied sich zugunsten eines Kaiserschnitts. «Später stellte sich heraus, dass sich die Nabelschnur um den Hals des Kleinen gewickelt hatte. Das bedeutet, auch wenn ich auf eine natürliche Geburt bestanden hätte, wäre mein Junge schliesslich doch mit einem Kaiserschnitt zur Welt gekommen. Ich lag mit meinem Gefühl also richtig.»

Auch jetzt im Baby-Alltag sei ihr das Gelernte noch von Nutzen. «Im Hypnobirthing gibt es etwas, das nennt sich 'Safe Space', an den man sich mental zurückziehen kann. Den stelle ich mir immer dann vor, wenn mir alles zu viel wird und die Emotionen überhand nehmen.» Besonders vor und während der OP sowie beim Stillen und den Nachwehen habe ihr diese Visualisierung geholfen.

Auf der Zielgeraden

«In Ländern in denen das Gesundheitssystem reibungslos funktioniert, sind solche mentalen Vorbereitungstechniken keine Notwendigkeit, aber sehr hilfreich», sagt Borner. Das zeige das Beispiel Deutschland. Dort herrsche ein Mangel an medizinischem Personal. Dadurch werde man als Frau bei der Geburt wie eine Nummer behandelt. Alles gehe zack zack. «Frauen, die das erlebt haben, vergleichen ihre Geburt mit einer Vergewaltigung. Sie haben keinerlei Kontrolle über das Geschehen.» Eine traumatisierende Erfahrung, die nicht nur Folgen für die Partnerschaft haben könne, sondern auch die Mutter-Kind-Beziehung präge. «Schlimmstenfalls hasst die Mutter ihr Kind.»

Mit Hypnobirthing soll die Entbindung zu einem positiven Erlebnis werden. Das schliesse einen Kaiserschnitt genauso wenig aus, wie eine Geburt, die 24 Stunden dauert. Solange Mutter und Kind dabei ein gutes Gefühl haben, gebe es in der Philosophie des Hypnobirthing keine schlechte Geburt. «Man stellt sich die Traumgeburt in der Vorbereitung immer wieder vor. Wie ein Marathonläufer, der sich mental auf seine Strecke vorbereitet und gleichzeitig bleibt man flexibel. Egal was geschieht, es kommt gut.»

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Stephanie Borner arbeitet als diplomierter Persönlichkeits-Coach und ist seit 2019 in Olten als zertifizierte Hypnobirthing-Kursleiterin tätig. Grundlage für ihren Kurs ist die «Geburtsvorbereitung Schweiz». Dabei unterrichtet sie nach der Philosophie von Marie F. Mongan, einer der Vorreiterinnen der mentalen Geburtsvorbereitung.

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Als Disney-Fan trage ich nonstop die rosarote Brille, verehre Serien aus den 90ern und zähle Meerjungfrauen zu meiner Religion. Wenn ich mal nicht gerade im Glitzerregen tanze, findet man mich auf Pyjama-Partys oder an meinem Schminktisch. PS: Mit Speck fängt man nicht nur Mäuse, sondern auch mich. 


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