Ikonen der Spieleindustrie: Todd Howard – der Mann hinter The Elder Scrolls, Fallout und Starfield
Todd Howard von den Bethesda Game Studios ist einer der international bekanntesten Spieleentwickler. In diesem Report zeichnen wir seine Geschichte nach: Von seinen Anfängen als Mit-Designer von Terminator: Future Shock über seine zahlreichen Projektleiterposten bei Hitserien wie The Elder Scrolls und Fallout bis hin zu künftigen Spielen wie dem heiß ersehnten Starfield.
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Todd Howard, Jahrgang 1971, wächst in Lower Macungie Township auf, einer 30.000-Seelen-Gemeinde im US-Bundesstaat Pennsylvania. Schon als Kind kann er sich nicht nur für Mathematik, Star Wars, Der Herr der Ringe und D&D-Brettspiele begeistern, sondern auch für alles, was mit PCs zu tun hat – speziell Computerspiele. Ein Titel, der es ihm von Anfang angetan hat, ist das im September 1981 veröffentlichte Rollenspiel Wizardry von Sir-Tech. Aber auch das am 23. August 1983 erschienene Ultima 3: Exodus aus der Feder von Richard Garriott und seinem Team bei Origin Systems lässt ihn nicht mehr los. Vor allem das Erkunden der riesigen Fantasy-Welt und die Gespräche mit NPCs geben ihm immer wieder ein faszinierendes Gefühl von Freiheit. Nicht zuletzt aufgrund dieser beiden Klassiker fasst Howard bereits in jungen Jahren den Entschluss, eines Tages selbst Spiele zu entwickeln.
Den dafür nötigen Rechner organisiert er sich mit seinem ein Jahr älterem Bruder – der später Director of Creative Affairs bei Disney wird und den Animationsfilm Bambi 2 mitproduziert – dank eines unwiderstehlichen Angebots. «Ich erinnere mich noch daran, wie mein Bruder und ich unbedingt einen Apple-Computer haben wollten und wir unseren Eltern deshalb das irrwitzige Versprechen machten, jeden Tag das Haus zu putzen», so Todd Howard 2006 in einem Interview mit der Lokalzeitung The Morning Call.
Erste Programmierkenntnisse bringen sich die beiden derweil in Eigenregie mithilfe von selbst erworbenen Büchern und der Unterstützung von Freunden bei. Um seinem Traumjob weiter auf die Sprünge zu helfen, schließt Howard im Alter von 18 Jahren die Highschool ab und wechselt auf das College of William & Mary im circa 550 Kilometer südlich gelegenen Williamsburg im US-Bundesstaat Virginia. Howard ist ein engagierter Student der Wirtschaftswissenschaften, kann es jedoch nicht lassen, jede freie Minute im Rechnerraum der Hochschule zu verbringen, um dort ein brandneues Produkt seines Lieblingsentwicklers Origin Systems zu spielen: die Weltraum-Ballerei Wing Commander (1990). Wenn Howard gerade keine Vorlesungen besucht, Kilrathi-Schiffe pulverisiert oder sein Coding-Know-how verfeinert, bastelt er hingegen emsig an eigenen kleinen PC-Spielen.
Todd Howard: Ein Mann mit klaren Zielen und großen Ambitionen
Zu wichtigen Feiertagen besucht er außerdem regelmäßig seine Eltern. So auch während der Weihnachtsferien in seinem Senior-Jahr am College. Das Besondere damals: Bevor er sich auf den Rückweg zur Uni macht, fällt ihm beim Betrachten der Schachtel von Wayne Gretzky Hockey - einem 1988 veröffentlichten Eishockey-Spiel von Bethesda, das er gerne spielt - etwas Interessantes auf. Die Firmenzentrale von Bethesda liegt praktisch auf seiner Route zum College! Howard denkt nicht lange nach, ergreift die Gelegenheit beim Schopfe und stattet dem Unternehmen auf eigene Faust einen Besuch ab.
Dort angekommen, stellt er sich sogleich hoch motiviert vor, schwärmt von seiner Begeisterung für Bethesda-Spiele und fragt ganz unverblümt, ob man ihn nicht als Entwickler einstellen könne. Die Menschen bei Bethesda mögen seinen Enthusiasmus, sagen ihm jedoch freundlich ab und bitten ihn, es doch erst dann wieder zu versuchen, wenn er seinen Abschluss in der Tasche hat. Gesagt, getan! Kaum mit dem College fertig, wird Howard erneut bei Bethesda vorstellig - und erhält erneut eine Absage. Begründung: Derzeit seien keine Stellen frei.
Entmutigen lässt er sich der frisch gebackene Wirtschaftsfachmann davon jedoch nicht. Im Gegenteil: Kurz darauf organisiert er sich einen Job bei einer kleinen Software-Firma in Yorktown, Virginia, nahe seiner ehemaligen Universität. Dort entwickelt er kleine Spiele und nutzt jede Gelegenheit, um branchenrelevante Messen zu besuchen, allen voran die CES in Las Vegas. Typisch Howard: Weil seine Lieblings-Spielefirma damals ebenfalls vor Ort ist, besucht er den Bethesda-Stand und schlägt sich einmal mehr als neuen Mitarbeiter vor. Ebendiese Hartnäckigkeit zahlt sich letztlich aus und beschert dem damals 24-Jährigen im Jahr 1994 einen Producer-Posten bei Bethesda Softworks in Rockville, Maryland.
Vom Sci-Fi-Shooter-Produzenten zum Elder-Scrolls-Experten
Mit dem Arbeitsvertrag in der Tasche geht's dann auch direkt ans Eingemachte. Unter der Regie von Projektleiter Kaare Siesing darf Howard als Produzent und unterstützender Designer die Entwicklung von Terminator: Future Shock vorantreiben. Der Ego-Shooter nutzt eine neue, von Bethesda entwickelte 3D-Engine namens XnGine und punktet zum Release im August 1995 mit sehr detaillierten 3D-Umgebungen, einem hohen Grad an Freiheit beim Erkunden der Welt und der Möglichkeit, sich mittels Maus jederzeit frei umzusehen – noch bevor id Softwares Quake ein Jahr später diese Art der Steuerung salonfähig macht. Future Shock mausert sich zu einem überraschend unterhaltsamen Lizenzspiel und zieht sogar eine Fortsetzung nach sich, an der Howard erneut als Produzent und Designer mitwirkt. Wichtigste Neuerung bei The Terminator: SkyNET: Neben einer neuen, sieben Missionen umfassenden Kampagne ist ein Versus-Multiplayer-Modus an Bord, den man entweder zu acht im LAN oder zu zweit übers Internet spielen kann.
Zwei Monate bevor The Terminator: Skynet im November 1996 um die Gunst von Shooter-Fans buhlt, veröffentlicht Bethesda außerdem The Elder Scrolls 2: Daggerfall – ein monströses Rollenspiel, das dank prozedural generierter Inhalte mit einer sage und schreibe 209.331 Quadratkilometer großen Open World, 15.000 Ortschaften und 750.000 Bewohnern protzt. Zusammen mit Kurt Kuhlmann unterstützt Howard auch hier das Kern-Designteam rund um Julian Lefay, Bruce Nesmith und Ted Peterson und sammelt dabei weitere wertvolle Erfahrung beim Entwerfen offener Spielwelten. Rückblickend ist Daggerfall ein hochambitioniertes Werk, das bei der Fachpresse jedoch teils gemischte Gefühle hinterlässt: Während die Spieltiefe, die Größe der Welt und die damit einhergehenden Möglichkeiten viel Zuspruch finden, muss sich der Titel aufgrund seiner zahlreichen Bugs und Logikfehler sowie teils veralteter Technik auch ordentlich Kritik gefallen lassen. Dennoch entpuppt sich Daggerfall im Herbst 1996 als Verkaufs-Hit, dem die Macher nach dem Release mit mehr als einem halben Dutzend Patches die gröbsten Macken austreiben.
Um an diesen Erfolg anzuknüpfen, nimmt Bethesda nach Daggerfall gleich drei neue The-Elder-Scrolls-Projekte in Angriff. Während sich das Designer-Trio bestehend aus Julian Lefay, Daniel Greenberg und Richard Guy um das First-Person-Action-Rollenspiel An Elder Scrolls Legend: Battlespire kümmert, wird Howard die Projektkoordination für das unter anderem von Prince of Persia, Tomb Raider und Ultima inspirierte Action-Abenteuer The Elder Scrolls Adventures: Redguard übergeben. Der Twist hier: Statt sich serientypisch vor Spielbeginn einen Helden zusammenzustellen, schlüpft man die Rolle von Söldner Cyrus, der alles daransetzt, auf der Insel Stros M'Kai seine verschollene Schwester Iszara zu finden.
Doch weder Battlespire, das am 2. Dezember 1997 erscheint, noch das im Kern gut gemachte Redguard, das am 14. November 1998 das Licht Welt erblickt, können kommerziell auch nur ansatzweise in die Fußstapfen von Daggerfall treten. Für Bethesda eine ziemliche Katastrophe, denn nach und nach machen sich die Flops auch finanziell bemerkbar. Erschwerend kommt hinzu, dass das bereits seit 1994 in Entwicklung befindliche Weltraumspiel The 10th Planet nicht die nötigen Fortschritte gemacht hat und aufgrund dessen eingestellt werden muss. Die Folge: Bethesdas Mutterfirma Media Technology Limited wird im Juli 1999 von ZeniMax Media aufgekauft, wodurch neue Liquidität entsteht.
Morrowind: Howards Durchbruch
Bethesdas ganze Hoffnungen ruhen ab diesem Zeitpunkt auf The Elder Scrolls 3: Morrowind. Und auf Todd Howard, denn ihm wird der zentrale Posten des Spieldirektors zuteil. Howard fühlt sich geehrt und stellt gleich in mehrerer Hinsicht neue Weichen. Die nicht mehr zeitgemäße XnGine wird eingemottet und durch NetImmerse ersetzt – eine komplett in C++ geschriebene Cross-Plattform-3D-Engine mit voller Unterstützung der wichtigen Grafik-Schnittstelle Direct3D.
Gleichzeitig fällt der Entschluss, die Spielwelt deutlich kleiner zu gestalten als in Daggerfall und – ähnlich wie in Redguard – wieder mehr auf von Hand erstellte Inhalte zu setzen. Um diesen Prozess zu vereinfachen und zu beschleunigen, verdreifacht man die Teamgröße und konzentriert sich in der Anfangsphase stark auf die Entwicklung des The Elder Scrolls Construction Set. Gemeint ist ein extrem vielseitiger und flexibler Editor, den Howard selbst gerne als «Rollenspiel-Betriebssystem» bezeichnet und der seinen Entwicklern ermöglicht, gezielt an ganz bestimmten Bereichen des Spiels zu arbeiten.
Eine weitere Stärke des Construction Sets hebt Howard erstmals im Juni 2000 in einer offiziellen Pressemeldung hervor: «Das ES3 Construction Set erlaubt Nutzern, Daten für Morrowind zu erstellen, zu modifizieren und zu editieren. Angefangen beim Erschaffen von Landschaften, Städten und Dungeons bis hin zum Schreiben von Dialogen sowie dem Erstellen von Charakteren, Waffen, Rassen, Magie und mehr – es kann alles. Nutzer können ihr eigenes Abenteuer erstellen und andere Spieler werden in der Lage sein, es direkt in ihr Spiel herunterzuladen.»
Morrowind ist das bisher größte Unterfangen von Bethesda und bringt das Team immer wieder an seine Grenzen – im Guten wie im Schlechten. «Morrowind war ein sehr komplizierter Crunch», erinnert sich Howard 2019 gegenüber dem US-Spielemagazin Polygon. «Das Team war unter immensem äußerem Druck, das Spiel fertigzustellen und ich fühlte ein riesiges Absacken der Teammoral. Normalerweise kann man sagen, wenn Leute ihr beste Arbeit machen – sie sind fokussiert und haben Spaß daran. Aber das Team war nur ausgebrannt und zeitweise keinem gesunden Arbeitsklima ausgesetzt». Vor allem die Tatsache, dass Morrowind sich verspäten könnte und dann gar nicht mehr erscheint, macht vielen Mitarbeitern spürbar Sorgen.
Als Howard den Ernst der Lage realisiert, setzt er zunächst eine E-Mail an seine Mitarbeiter auf. Darin fragt er jeden Einzelnen, als was man ihn beziehungsweise sie in Erinnerung behalten soll. Anschließend beruft er ein großes Team-Meeting in einem nahegelegenen Hotel ein und lässt die Antworten auf seine E-Mail-Frage auf individuelle Visitenkarten drucken. Viele Bethesda-Angestellte glauben zunächst, dass ihnen bald die Kündigung bevorsteht. Doch das Gegenteil ist der Fall. Howard hält eine sehr emotionale Rede, in der er großes Verständnis für die aktuelle Situation ausdrückt und alle Anwesenden motiviert, ein halbes Jahr vor Release nicht die Flinte ins Korn zu werfen. «Wenn du weiterhin an Bord bist, dann nimm dir deine neue Visitenkarte und komm morgen wieder», so Howards eindringliche Worte. Seine Ansprache ist ehrlich und direkt – und erzielt die erhoffte Wirkung. Vielen Mitarbeitern fällt plötzlich eine große emotionale Last von den Schultern, die Motivation kehrt zurück, und Morrowind wird tatsächlich innerhalb der nächsten sechs Monaten fertiggestellt.
Der eigentliche Befreiungsschlag kommt allerdings erst, als zum Launch der Windows-Version am 1. Mai 2002 auch anhand von Magazin-Rezensionen klar wird, dass sich all die Aufopferung gelohnt hat. Zwar hat das finale Spiel noch diverse Kinderkrankheiten, dank spannender Geschichte, komplexem Szenario, beeindruckender spielerischer Freiheiten, flexiblem Fähigkeitensystem und einer damals im Genre wegweisenden Präsentation kassiert es trotzdem haufenweise Top-Wertungen und sogar zahlreiche «Spiel des Jahres»-Awards. Hinzu kommt: Dank regem Inhalte-Nachschub einer kontinuierlich wachsenden Modding-Community, wird Morrowind auch dann nicht langweilig, wenn man die mehr als 100 Spielstunden umfassenden Haupt- und Nebenmissionen bereits abgehakt hat.
Oblivion: Bessere Quests, smartere KI
Während Morrowind schon bald einen Verkaufsrekord nach dem anderen knackt und ab dem 6. Juni 2002 auch auf Microsofts erster Xbox-Konsole durch die Decke geht, stürzt sich Howard bereits auf sein nächstes großes Projekt – diesmal jedoch in der Rolle des ausführenden Produzenten. Den Spieldirektor-Posten hat dagegen sein langjähriger Kollege Ken Rolston inne. Ihr gemeinsames Ziel für The Elder Scrolls 4: Oblivion: Eine noch intensivere Geschichte mit noch besseren Quests erzählen. Gleichzeitig sollen Charaktere deutlich glaubhafter wirken als bisher.
Umsetzen will man all das mit neuen Entwicklerwerkzeugen zur prozeduralen Generierung von Inhalten und einer stark verbesserten Engine, die unter anderem deutlich bessere Beleuchtung gestattet, glaubhaftere Physikeffekte beherrscht und die Künstliche Intelligenz stark verbessert. Das letztgenannte System hört auf den Namen «Radiant AI», entsteht intern bei Bethesda und ermöglicht es Nichtspieler-Charakteren, Entscheidungen zu treffen, um von den Entwicklern vorgegebene Ziele zu erreichen. Ein solches Ziel kann zum Beispiel darin bestehen, zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort zu speisen oder eine bestimmte Menge Geld anzuhäufen. Wie genau ein NPC sein Ziel dann erreicht, hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab und führt unterm Strich dazu, dass sich die Welt von Oblivion sehr dynamisch und lebendig anfühlt.
Ganze vier Jahre gehen ins Land, binnen derer eine knapp 41 Quadratkilometer große Spielwelt heranreift, die das Team mit über 200 Quests füllt. Dazu gesellt sich ein beeindruckender Soundtrack mit 26 Musikstücken sowie eine sehr aufwendige Vertonung, für die Howard und Co. im Englischen unter anderem Hollywood-Größen wie Patrick Stewart, Sean Bean, Terence Stamp und Lynda Carter gewinnen. Am 20. März 2006 ist es dann so weit: The Elder Scrolls 4: Oblivion erscheint zeitgleich für PC und Xbox 360 und erobert – befeuert von unzähligen Traumwertungen in den Medien – im Handumdrehen die Herzen von Rollenspiel-Liebhabern weltweit. Allein in den ersten zehn Monaten verkauft Bethesda über drei Millionen Exemplare. Im Verlauf seines Lebenszyklus sind es sogar über 9,5 Millionen.
Fallout 3: Howards erstes Endzeit-Epos
Bethesda und Todd Howard – spätestens seit Morrowind und Oblivion verbindet eine ganze Gaming-Generation diese Namen mit hochkarätiger Rollenspiel-Kost. Bethesda weiß um diesen guten Ruf und versucht schon während der Entwicklung von Oblivion, sich in diesem Marktsegment noch breiter aufzustellen. Mittel zum Zweck ist ein Deal mit Interplay Productions, der im Juli 2004 für Schlagzeilen sorgt. Denn zu diesem Zeitpunkt wird bekannt, dass Bethesda die Lizenz erworben hatte, Teil drei der legendären Rollenspiel-Reihe Fallout in die Tat umzusetzen. Vorbereitende Entwicklungsarbeiten laufen bereits früh an. So richtig Gas gibt das von Todd Howard koordinierte Team allerdings erst nach der Fertigstellung von Oblivion.
Der Plan der Rollenspiel-Profis aus Rockville: Statt die Kultreihe mit einem weiteren 2D-Rollenspiel aus der Iso-Perspektive fortsetzen, soll ein Paradigmenwechsel hin zu 3D-Grafik und Echtzeitkämpfen stattfinden. Außerdem will man sich durch einen zeitgleichen Release auf PC, Playstation 3 und Xbox 360 wesentlich breiter aufstellen als zuvor.
Der Schwerpunkt auf eine starke Geschichte, eine riesige offene Welt und nicht-lineares Gameplay soll indes erhalten bleiben und serientypisch durch schwarzen Humor und eine raue Gangart flankiert werden. Und genau so kommt es dann auch: Auf Basis der auch in Oblivion verwendeten Gamebryo-Engine werkelt Howards Truppe mit vollem Elan an einer eigenen Vision der Apokalypse. Szenario von Fallout 3 ist dabei das sogenannte Capital Wasteland bestehend aus den Ruinen von Washington D.C. sowie dem nördlichen und westlichen Umland. Was viele nicht wissen: Anfangs wollte Howard sogar die komplette US-Regierungshauptstadt nachbauen lassen, muss diesen Plan aber verwerfen und sich auf etwa die Hälfte beschränken, weil die Entwicklung sonst jeglichen Zeitrahmen gesprengt hätte.
Fallout 3, das viele liebgewonnene Elemente der Vorgänger in zeitgemäßem Gewand präsentiert (darunter das S.P.E.C.I.A.L.-System, den Pip-Boy, die Vault genannten Bunker und die als Designvorlage dienenden 1950er-Jahre), schlägt zum Start im Oktober 2008 ein wie ein Fatman-Nuklearsprengkopf. Beflügelt von einem Metacritic-Schnitt von 91 von 100 Punkten für die PC-Fassung und 4,7 Millionen ausgelieferten Einheiten, setzt Bethesda allein bis Anfang November 2008 300 Millionen Dollar um. Sieben Jahre und fünf DLC-Erweiterungen später können die Amerikaner gar 12,4 Millionen verkauften Einheiten vermelden.
Skyrim: Das fünfte Elder Scrolls übertrifft alles
Fallout 3 gilt als Meilenstein des Rollenspiel-Genres. Todd Howards bis dato größter Erfolg soll jedoch erst noch folgen: Skyrim. Der fünfte Teil der 1994 mit Arena ins Leben gerufenen The-Elder-Scrolls-Reihe geht nach einer längeren Planungsphase ab Ende 2008 mit einer Mannschaft bestehend aus knapp 100 Entwicklern in Vollproduktion. Als technisches Grundgerüst dient diesmal die sogenannte Creation Engine – eine neue Engine, die auf der Gamebryo-Technologie von Fallout 3 aufbaut, diese jedoch stark weiterentwickelt. Bessere Sichtweite, schickere Flora und Fauna, neue Wettereffekte, flüssigere Charakteranimationen, mehr NPC-Interaktionen – die Bandbreite der Neuerungen ist lang.
Schon in der Vergangenheit legte Howard viel Wert darauf, die Karten mit jedem Ableger der Reihe neu zu mischen. Im Falle von Skyrim geschieht dies inhaltlich gleich auf mehreren Ebenen. Die Spielwelt etwa ist nun in der gleichnamigen nördlichen Region von Tamriel angesiedelt und durch ihre geografische Lage gespickt mit Gebirgsketten, die Spieler vor ganz neue Navigations-Herausforderungen stellen. Um die Welt besonders abwechslungsreich und entdeckenswert zu gestalten, entwirft Bethesda außerdem neun individuelle Regionen mit insgesamt über 300 verschiedenen Sehenswürdigkeiten, investiert noch mehr Zeit in die Ausarbeitung der Hintergrundgeschichte und trimmt das Ganze thematisch in Richtung einer rauen Fantasy-Welt mit starkem Wikinger-Einfluss.
Verliese und Höhlensysteme sollen ebenfalls eine wichtigere Rolle spielen, weshalb Howard das Dungeons-Designer-Team auf insgesamt acht Personen erweitert, die daraufhin 150 verschiedene «Kerker» entwerfen. Zum Vergleich: In Oblivion war lediglich eine Person für diesen Job verantwortlich. Ergänzend dazu denkt man sich sage und schreibe 244 Quests aus, erweitert das Kampfsystem spürbar und bringt der «Radiant AI» neue Tricks bei. Da Skyrim außerdem akustisch neue Maßstäbe stehen soll, verpflichtet Bethesda über 70 Synchronsprecher (darunter Max von Sydow, Christopher Plummer und Joan Allen), die mehr als 60.000 Dialogzeilen einsprechen. Anfangs nur vage in einem einseitigen Design-Dokument umrissen, sind hingegen die Drachen. Weil sie sich jedoch sofort prima in das Gesamtkonzept einfügen, baut man das Feature immer weiter aus – später sogar mit einer eigenen Drachensprache.
Das Mammutprojekt Skyrim verschlingt Kosten von über 100 Millionen Dollar und wird – nach fünf Jahren Entwicklungszeit – am 11.11.2011 (Howards Traumdatum!) endlich fertiggestellt. Die Erwartungen der Community sind gigantisch und werden von Bethesda in einigen Punkten sogar noch übertroffen. Insbesondere im Hinblick auf die unfassbar detailliert ausgearbeitete offene Welt und die Möglichkeiten, den eigenen Helden in eine beliebige Richtung zu entwickeln. Mal abgesehen von einigen wenigen Ausnahmen zücken Kritiker weltweit Bestnoten und vergeben über 250 «Spiel des Jahres»-Auszeichnungen. In Kombination mit begeisterten Online-Nutzerwertungen wird schnell klar, warum The Elder Scrolls 5: Skyrim wenig später die Spitzenpositionen vieler Verkaufscharts erobert.
Im Gegensatz zu vielen konkurrierenden Spielen jener Zeit entpuppt sich Skyrim jedoch auch in den Jahren danach als Chart-Dauerbrenner. Hauptgrund hierfür: Howards Entwicklertruppe bügelt kontinuierlich verbleibende Fehler aus, spendiert neue Features (etwa Kinect-Unterstützung, einen weiteren Schwierigkeitsgrad etc.), ergänzt bis Ende 2012 drei Erweiterungen und wird nicht müde, eine Neuauflage nach der anderen aus dem Hut zu zaubern. Sei es nun die Special Edition aus dem Jahr 2016, die von vielen nicht für möglich gehaltene Switch-Umsetzung von 2017, die interessante VR-Adaption für Playstation VR und PC sowie die im November 2021 veröffentlichte Anniversary Edition – das mittlerweile deutlich mehr als 30 Millionen Mal verkaufte Skyrim ist einfach nicht totzukriegen. «Wenn ihr wollt, dass wir aufhören, Skyrim-Ports zu veröffentlichten, dann hört auf, sie zu kaufen», scherzt Howard 2018 in einem Talk auf der Gamelab-Konferenz in Barcelona.
Fallout 4: Rückkehr an die Ostküste
Nach der Fertigstellung von Skyrim sowie dessen DLCs und Updates zögert Howard nicht lange, seine nächste Vision in die Tat umzusetzen. Dabei folgt er einmal mehr einem Motto, das ihm schon seit Jahren gute Dienste erwiesen hat und das er im Gespräch mit Gamasutra 2016 noch einmal wie folgt auf den Punkt bringt: «Baue eine Welt, die die Neugier des Spielers weckt. Eine Welt, die Neugier und Erkunden auf jede erdenkliche Weise belohnt». Im Falle von Fallout 4 ist diese Welt in und um die US-Metropole Boston angesiedelt, etwa 25,23 Quadratmeilen groß und Schauplatz für eine über 80-stündige Odyssee eines Bewohners oder einer Bewohnerin von Vault 111, der/die loszieht, um seinen/ihren entführten Sohn zu retten. Wie schon bei Skyrim, setzt Howard auch bei Fallout 4 auf die Creation Engine – abermals vielseitig erweitert und nun unter anderem in der Lage, Spielern Zugriff auf ein umfangreiches Crafting-System zu gewähren. Dies wiederum erlaubt nicht nur die Modifikationen der 50 Waffen, sondern erstmals auch den Bau eigener Siedlungen. Weiteres Highlight: Mit der PC-Fassung kompatible Mods sollen auch auf Konsole funktionieren.
Fallout 4 benötigt vier Jahre Entwicklungszeit, wird von Howard auf der E3 2015 erstmals gezeigt und am 10. November desselben Jahres veröffentlicht – wieder begleitet von einer Vielzahl von Topwertungen. Die Tester loben vor allem die dichte Atmosphäre, die im Kern motivierende Hauptquest, den serientypische Humor, das im Vergleich zu Fallout 3 nochmals verbesserte Kampfsystem, die vor witzigen Ideen überquellenden Spielwelt, das Begleitersystem sowie die famose Musikuntermalung und Sprachausgabe.
Gleichwohl gelingt es Fallout 4 nicht, wie einst Fallout 3, auf Metacritic die magische Marke von 90 Punkten zu durchbrechen. Denn neben einer leider oft nicht sonderlich cleveren Begleiter-KI und zu vielen Spielzeit-streckenden 08/15-Quests stören zum Start vorwiegend Technik-Ungereimtheiten wie nervige Ladepausen beim Betreten beziehungsweise Verlassen von Innenbereichen, Bildraten-Einbrüche, Clipping-Fehler, Matschtexturen und einiges andere mehr. Trotzdem macht das Spiel eine Menge Spaß und verkauft sich speziell in der Anfangsphase blendend. Allein auf Steam greifen in den ersten 24 Stunden 1,2 Millionen Spieler zu.
Aber auch Howard hat Grund zur Freude: Wie schon im Jahr 2012 für Skyrim wird er auch 2016 für Fallout 4 bei den DICE Awards mit dem Preis als bester Spieldirektor geehrt. Ein Jahr später nimmt ihn die Academy of Interactive Arts & Sciences zudem als 22. Mitglied in seine Hall of Fame auf. «Sowohl The Elder Scrolls als auch Fallout sind bekannt für ihren experimentellen Ansatz beim Erschaffen von Welten und Geschichtenerzählen. Die Größe dieser offenen Welten, die Vielfalt der Questreihen und die nahezu endlose Auswahl an Charakteren haben dafür gesorgt, dass keine zwei Spieler die gleiche Erfahrung machen», heißt es im Würdigungsschreiben der Akademie, die in den Jahren zuvor bereits Sid Meier, Will Wright, Gabe Newell, und weitere Industrie-Ikonen ehrte.
Das Fallout-76-Debakel
Eigentlich hätte sich Howard zu diesem Zeitpunkt bereits zur Ruhe setzen können. Doch der damals 47-Jährige denkt gar nicht daran, zumal er längst in neue Projekte involviert ist, allen voran Fallout 76. Das erste Multiplayer-Spiel der Bethesda Game Studios wird am 30. Mai 2018 mit einem Teaser-Trailer enthüllt. Binnen kürzester Zeit entsteht ein riesiger Hype um ein Spiel, das Howard dann zur E3 2018 im Detail präsentiert. Und zugegeben, das Prequel zu allen bisherigen Fallout-Titeln klingt fantastisch.
Eine Welt, viermal so groß wie die von Fallout 4, angesiedelt im apokalyptischen West Virginia, aufgeteilt in sechs Regionen, mit einem jeweils ganz eigenen Stil, haufenweise brandneue Kreaturen, ohrwurmige Country-Musik-Untermalung (Stichwort: «Take Me Home, Country Roads») und all das angetrieben von einer stark modifizierten Creation Engine, die unter anderem Wetterphänomene selbst über gigantische Entfernungen hinweg darstellen kann – auf den ersten Blick verspricht Fallout 76 riesiges Potenzial und macht unglaublich neugierig. So neugierig, dass selbst der US-Bundesstaat West Virgina kurz darauf einen gigantischen Anstieg der Touristenzahlen verzeichnet.
Als das Spiel dann jedoch am 14. November 2018 erscheint, muss Bethesda einen Wertungstiefschlag nach dem anderen einstecken. Kein Wunder, denn die Palette an Problemen ist riesig und reicht von langweiligen, teils unfertigen Quests und fehlenden menschlichen NPCs über massive Performance- und KI-Probleme bis hin zu fiesen Komplettabstürzen. Knapp ein Vierteljahrhundert nach seinem Karrierebeginn bei Bethesda erlebt Todd Howard, damals ausführender Produzent, ein Desaster, das kurz davor ist, das Image der Marke Fallout ernsthaft zu beschädigen. Verstärkt werden diese Sorgen durch die Tatsache, dass sich die Stimmung in der Community rapide verschlechtert.
Bethesda nimmt sich diese Kritik glücklicherweise schnell zu Herzen und versucht, die gröbsten Schnitzer mit verschiedenen Software-Flicken zu beheben. Außerdem stellt man allen Spielern kurz vor Weihnachten 2018 als Entschädigung die Fallout Classic Collection auf PC kostenlos zur Verfügung. Howard gibt zudem zu verstehen, dass es ein Irrtum war, vor Release kein weiteres Feedback im Rahmen eines Beta-Tests gesammelt zu haben. Gleichzeitig sagt er der Community anhaltenden Support zu. Weil sich viel Kritik auf einzelne Gameplay-Elemente bezieht, wird intern außerdem beschlossen, ein gigantisches Rundum-Update in Angriff zu nehmen.
Letzteres hört auf den Namen Wastelanders, erscheint am 14. April 2020 und schafft es in der Tat, viele Gameplay-Probleme auszubessern oder zumindest stark abzumildern. Aus dem gestürzten Ikarus wird inzwischen langsam ein Phönix, der langsam aus der Asche aufsteigt und sich dank immer neuer Updates fortan in ein sehr unterhaltsames Online-Spiel verwandelt. «Wir haben die Leute im Stich gelassen und waren in der Lage zu lernen und dadurch besser zu werden», gibt Howard während eines Ask-Me-Anything-Events auf Reddit im November 2021 offen zu. «Drei Jahre später haben wir das Glück, dass Fallout 76 einer unserer meistgespielten Titel ist. Und das wiederum verdanken wir den elf Millionen Spielern, die es zu einer unglaublichen Community gemacht haben. Am Ende hat es zu uns zu viel besseren Entwicklern gemacht.»
Zukunftsaussichten: Starfield, TES 6 und Indiana Jones
Und was plant Howard für die Zukunft? Eine ganze Menge! Ganz oben auf seiner Agenda steht das 2018 erstmals angekündigte Action-Rollenspiel Starfield, das er als Spieldirektor maßgeblich verantwortet. Starfield nutzt die Creation Engine 2, soll am 11.11.2022 (genau elf Jahre nach Skyrim) für Windows PCs und Xbox Series X/S erscheinen und wird von Howard bisher vage als «Skyrim im Weltraum» umrissen. Istvan Pely, leitender Künstler von Starfield, beschreibt es indes als «NASA Punk» und spielt damit auf die Tatsache an, dass sich viele Technologien im Spiel auf NASA-Technik zurückführen lassen.
Zur Geschichte ließ Bethesda ebenfalls schon einige Details durchsickern. Demnach spielt diese in einem kleinen, 50 Lichtjahre von der Erde entfernten Sonnensystem und skizziert eine Welt, in der ein brüchiger Frieden zwischen den zwei größten, einst verfeindeten Raumfahrernationen herrscht. Als Frischling der Weltraumorganisation Constellation besteht eure Aufgabe im Jahr 2330 nun darin, die sogenannten «Besiedelten Systeme» zu erkunden, ihre Geheimnisse zu lüften und euch mit verschiedensten Fraktionen herumzuschlagen, darunter die Ecliptic-Söldner, die Piraten der Crimson Fleet, die wilden Spacers sowie die religiösen Fanatiker von Haus Va'ruun. Klingt vielversprechend? Definitiv! Damit sich das Projekt besser einschätzen lässt, müssen Captain Howard und seine Crew allerdings erst einmal tatsächliches Gameplay zeigen.
Gleiches gilt für The Elder Scrolls 6. Ebenfalls 2018 mit einem kurzen Teaser-Trailer angekündigt, soll der nächste Teil der Fantasy-Saga laut Howard erst nach der Fertigstellung von Starfield erscheinen. Realistisch betrachtet ist hier also nicht vor Ende 2023 oder 2024 mit einem Release zu rechnen. Die Wartezeit zwischen Gameplay-Enthüllung und Veröffentlichung möchte Howard im Optimalfall trotzdem kurzhalten. «Ich mag es, wenn du ein Spiel erst dann so richtig zu sehen bekommst, wenn es kurze Zeit später erscheint», so Howard 2020 in einem Interview mit dem US-Portal IGN.
Bliebe noch Howards drittes Baby: ein bisher noch namenloses Indiana-Jones-Spiel, das derzeit von den Wolfenstein-Machern MachineGames in Schweden entwickelt wird. Howard fungiert dort als Executive Producer und ließ bereits im November 2021 verlautbaren, dass sich Indy-Fans auf eine komplett neue Geschichte freuen dürfen, die er zusammen mit MachineGames entworfen habe. Wann genau der legendäre Schatzsucher seine nächste Reise antritt, ließ er dabei jedoch ebenso offen wie konkrete Details zu Gameplay und Story.
«Great games are played, not made»: Mit diesem Leitspruch, der letztlich darauf abzielt, dass ein Entwickler sein eigenes Spiel immer wieder spielen und verfeinern muss, hat Todd Howard Bethesda zu einem den angesehensten Rollenspiel-Studios der Welt gemacht.
Doch wie seht ihr das eigentlich? Haben die Bethesda Game Studios nach dem holprigen Start von Fallout 76 ihre besten Zeiten bereits hinter sich? Welche von Howards Spielen konnten euch am meisten begeistern? Und auf welches seiner drei neuen Projekte seid ihr besonders gespannt? Wir freuen uns auf euer Feedback in den Kommentaren.
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