
Hintergrund
5 schrullige Gemeinsamkeiten von Büsis und Nymphies
von Anika Schulz
Mit hightech Navigations-, Funk- und Radarsystemen sichern Fluglotsen den Verkehr im hiesigen Luftraum. Ein Besuch im Tower zeigt: Viel essenzieller als all die Instrumente ist die menschliche Kommunikation und Kontrolle dahinter.
Auf den ersten Blick sehe ich nur Monitore. Bildschirm reiht sich an Bildschirm. Der Funk ist laut. Ich verstehe nur «Tschüss» am Ende der Funkdurchsage eines Piloten. Im Tower arbeiten zurzeit vier Flugverkehrsleiter. «Zu Spitzenzeiten sind es fünf», erklärt mir Vladi Barrosa, Sprecher von Skyguide Zürich. Die Fluglotsen arbeiten im Schichtbetrieb. Ein Lotse arbeitet nie länger als zwei Stunden ohne Pause, insgesamt sind’s sieben Stunden pro Tag. Im Tower gibt’s so sechs Schichten am Tag.
Die Hauptaufgabe der Fluglotsen ist laut Vladi ganz einfach: «Kollisionen am Boden und in der Luft verhindern, das ist alles.» Um den komplexen Ablauf von Flügen zu steuern, bedienen sich die Flugverkehrsleiter verschiedenster Technologien. Dabei macht ein Fluglotse nicht den ganzen Tag dasselbe. Jeder der vier, beziehungsweise fünf, Fluglotsen im Tower hat eine andere Aufgabe.
Am Arbeitsplatz ganz links sitzt Christoph. Er ist für’s Clearance Delivery zuständig: Er ist für die Flugzeuge verantwortlich, die noch am Gate stehen. Sobald die Flugbegleiter die Türen geschlossen haben und bereit für den Abflug sind, funkt Christoph das Flugzeug an. Er teilt dem Piloten das Wetter und letzte Informationen für die Flugroute per Funk mit.
Dann gibt Christoph dem Piloten den Squawk durch. Der Squawk ist ein vierstelliger Code, der den Transponder, mit dem jedes Flugzeug ausgestattet ist, identifiziert. Der Pilot stellt den ihm zugewiesenen Code im System des Flugzeuges ein. Mit dem Transpondercode kann das Flugzeug später auf den Radarschirmen der Flugsicherung ausgemacht werden. Der Radar sendet einen Impuls an die Transponder der Flugzeuge. Der Transponder antwortet und wird mit dem Erkennungscode auf dem Radarschirm angezeigt.
Mit dem Transpondercode können die Fluglotsen Flugnummer, Flughöhe und Geschwindigkeit der Flugzeuge auslesen. Es gibt auch spezifische Transpondercodes. So muss, falls ein Flugzeug in eine Luftnotlage kommt, der Code vom Piloten geändert werden. Für entführte Flugzeuge lautet der Squawk zum Beispiel 7500.
Auf dem Platz in der Mitte des Towers sitzt Xandel. In seinem österreichischen Dialekt erklärt er mir, dass er für die Position Ground Control verantwortlich ist. Für ihn ist wichtig, was am Boden des Flughafens passiert. Daneben übernimmt er etliche weitere Koordinationsaufgaben. Dazu gehört die Koordination zwischen dem Flughafen Dübendorf und Zürich. Von Dübendorf starten Militärflugzeuge und Helikopter der Rega. Auch der Start der Militärflugzeuge erfordert die Koordination des Towers. Militärflugzeuge und – logischerweise – Rettungsflugzeuge haben Vorrang vor den Passagierflugzeugen aus Zürich.
Hat die Rega einen Notfall und muss über den Flughafenbereich fliegen, dann müssen die Flugzeuge hier in Zürich warten. Das gilt auch für Militärflugzeuge. Ist dies der Fall, «dann rufen die aus Dübendorf an», erklärt mir Xandel. «Und wir müssen hier den Hörer abheben.» Dass die Kommunikation nur via Telefon – es gibt Standleitungen zu den anderen Flughäfen – und Funk stattfindet, erstaunt mich. Ich hätte mehr Hightech bei der Datenübermittlung erwartet. Beim System handelt es sich zwar um ein komplexes Fernmeldenetz, dass mit Touchscreen bedient wird. Dennoch verwundert es mich, dass ein Fluglotse nebst dem Funk auch noch den Telefonhörer abnehmen muss.
Nebst der Koordination mit Dübendorf ist Xandel in der Position des Ground Controls auch für die Pistenbeleuchtung zuständig. Von den Lotsen wird diese Pistenbefeuerung genannt. Im Tower können alle Lichter, die sich auf den Pisten des Flughafens Zürich befinden, an- und abgestellt werden, sowie individuell angesteuert und ausgerichtet werden.
Am wichtigsten sind dabei die Stop-Bars. Das sind die roten Lämpchen, die vor jeder Kreuzung einer Lande- oder Startpiste leuchten. Für Piloten sind diese wie eine rote Ampel. Sie dürfen eine Piste erst überqueren, wenn sie von den Fluglotsen das Go erhalten haben.
Bei Nacht, Schnee, Regen oder Nebel muss die Pistenbeleuchtung angepasst werden. Ich frage Xandel, nach welchem System er die Beleuchtung anschaltet. «Meistens loangts, wenni eifach ausm Fenster rausschaue.»
Wie alle Fluglotsen am Flughafen Zürich arbeitet Xandel nicht nur im Flughafentower, sondern auch in Dübendorf. In Dübendorf befindet sich eine Bezirksleitstelle, auch Area Control Center (ACC) genannt. Dort sind die Fluglotsen für den Anflugdienst, auch Approach Control genannt, zuständig. In diesen Funktionen leiten sie die An- und Abflüge zum oder vom Flughafen Zürich.
Ich frage die Lotsen, wo ihnen die Arbeit besser gefällt. Sie sind sich alle einig, dass die Arbeit in Dübendorf interessanter ist, als jene im Tower. «Da ist viel mehr Action», sagt Xandel. Mit den ständig startenden und landenden Flugzeugen auf den verschiedenen Pisten, empfinde ich den Tower schon mehr als genug actionreich. Xandel sieht mein Erstaunen und legt nach: «In Dübendorf habe ich viel mehr Einfluss als bei der Arbeit im Tower», erklärt er. Hier sei alles reglementiert und sehr eingeschränkt. In Dübendorf können die Lotsen dynamischer arbeiten und haben mehr Freiheiten. Denn dort geben sie Flughöhen, Flug-, Steig- und Sinkgeschwindigkeiten durch. Zudem fliegen die Flugzeuge bei schlechtem Wetter oft nicht auf dem von den Lotsen vorgegeben Kurs. «Dann ist da alles Freestyle», meint Xandel lachend.
Neben Xandel sitzt Stefan. Seine Position ist jene des Aerodrom Controllers. Seit ich im Tower stehe, ist er der einzige, der das Headset ständig aufgesetzt hat. Stefans Aufgabe ist es, die Flugzeuge für Start und Landung zu koordinieren und den Piloten die Freigaben für Abflüge, Landungen und Pistenüberquerungen zu erteilen.
Dazu redet Stefan fast nonstop auf der Funkfrequenz des Flughafens und antwortet auf die einkommenden Funknachrichten der Piloten. Stefan zeigt mir einen Edelweiss-Flieger, der hinten an der Piste steht. Der darf jetzt starten. Dazu nennt Stefan den Namen des Flugzeugs, Windstärke und Windrichtung und sagt dann: Cleared for takeoff. Der Flieger rollt auf der Piste an und hebt auf Höhe des Towers ab. «So, die geu iez aui nach Costa Rica», meint Stefan lachend.
Dann spricht er nochmals mit dem Piloten: «Contact departure», sagt er, was für den Piloten bedeutet, dass er jetzt die Funkfrequenz wechseln muss. Die Frequenz ist im Flight Management System des Fliegers hinterlegt, den Wechsel muss der Pilot aber noch von Hand machen. Damit wird der Pilot an die Lotsen in Dübendorf weitergegeben. Der Flughafentower ist bei startenden Flugzeugen nur bis kurz nach dem Abheben zuständig.
Bei landenden Fliegern sieht’s anders aus. Sobald ein ankommendes Flugzeug im Umkreis von 20 Kilometern des Flughafens ist, muss es den Tower kontaktieren. Für den Landeanflug reihen sie sich in einem Luftkorridor ein und erhalten dann von Stefan die Landeerlaubnis. «Cleared to land, Runway one four», sagt Stefan in den Funk, was soviel heisst, dass ein Flugzeug jetzt auf der Piste 14 landen darf.
Piste 14 ist beim Dock E, hinter einem kleinen Wäldchen. Den ankommenden Flieger sehen wir deshalb erst, als er weiter nach vorne gerollt ist. Vladi Barrosa erklärt mir, dass dieses Wäldchen, das den Lotsen die Sicht verdeckt, immer wieder für Ärger sorgt. Es steht im Naturschutzgebiet und wird nur zwei Mal im Jahr geschnitten. Sind die Bäume etwas höher, sehen die Lotsen nicht mehr auf die Piste. Deshalb hängt oberhalb der Monitore seit etwa zwei Jahren ein Bildschirm, der eine Live-Webcam der Piste 14 zeigt.
«Vor einigen Jahren ist ein Flieger seitlich von dieser Piste gerollt», erklärt mir Vladi. «Die Lotsen haben’s wegen den hohen Bäumen erst gemerkt, als plötzlich Leute am Boden entlang der Piste gelaufen sind. Auch deshalb haben wir diese Kamera.»
Stefan steuert die Flugzeuge aber nicht nur, indem er aus dem Fenster auf die Piste schaut. Auf einem seiner vier Bildschirme ist der Bodenradar aller Flugpisten und Anfahrten abgebildet. Wie die Flugzeuge sind alle Autos und Busse, die am Flughafen herumkurven, mit einem Transponder ausgestattet. So erscheinen alle Flughafenvehikel auf Stefans Radarschirm. Das Radarbild generiert eine Anlage, die beim Dock E steht.
Ein weiterer von Stefans Bildschirmen zeigt das Pistenkreuz des Flughafens mit der Pistenkonfiguration. Weil Start und Landung immer gegen den Wind erfolgen müssen, wird auf diesem Bildschirm die Windrichtung und Windstärke angezeigt. Auf dem nächsten Bildschirm sieht Stefan den aktuellen Flugplan. Auf der linken Bildschirmhälfte sind alle startenden Flüge, auf der rechten alle landenden.
Auf dem Holberg, etwas ausserhalb von Kloten, stehen die beiden Radaranlagen, die die Bilder für die Überwachung der An- und Abflüge erzeugen. Die beiden Systeme sind redundant, also doppelt. Falls ein Radar ausfällt, muss nicht gleich der ganze Flugverkehr gestoppt werden. In dem Fall sei der Betrieb aber aus sicherheitstechnischen Gründen reduziert. «Die Radar-Technologie ist aus dem zweiten Weltkrieg, also so richtig Hightech», erklärt mir Vladi lachend. Und trotzdem funktioniert das Zusammenspiel mit den neuen Anlagen und Systemen. Ein neuerer Radar sowie eine Funkanlage steht auf der Lägern-Hochwacht.
Trotz den drei verschiedenen Radaranlagen und den etlichen Bildschirmen: Das Wichtigste, also die Start- und Landefreigabe, wird von den Lotsen kontrolliert und ausschliesslich per Sprechfunk auf den UKW-Bändern freigegeben.
Es gibt mittlerweile Hightech-Systeme, bei der die Lotsen die Anweisung für den Piloten per Text eingeben können. Der Pilot sieht den Text dann direkt bei sich im Cockpit. Das System nennt sich CPDLC, was für Controller-Pilot Data Link Comnunications steht. Das System ist aber nur in den neueren Flugzeugen eingebaut. Im Tower wird sich diese Technologie vorerst nicht durchsetzen, erklären mir die Lotsen. Die Übermittlungszeiten seien hier schlicht noch zu lange.
Auf dem Radar kann Stefan alle Flugzeuge, die über dem Schweizer Luftraum herumdüsen, identifizieren, indem er herauszoomt. Da alles auf dem Radar ersichtlich ist, erstaunt es mich, dass an jedem der Arbeitsplätze ein Feldstecher liegt. Vladi erklärt mir, dass sie diese brauchen, wenn sich mal wieder eine Drohne in den Luftraum um den Flughafen verirrt. Aber auch um Gegenstände auf der Piste zu orten, die entfernt werden müssen.
Drohnenflüge sind fünf Kilometer um den Flughafen verboten. Trotzdem kommt’s immer wieder vor, dass eine Drohne herumfliegt. Da die Drohnen von Weitem und mit blossem Auge nicht zu sehen sind, brauchen die Lotsen die Feldstecher. Es sei schon vorgekommen, dass die Flugverkehrsleiter einen Funk von Piloten im Anflug erhielten, dass da eine Drohne im Weg sei. Die Lotsen müssen dann vom Tower aus die Polizei informieren, erzählt mir Vladi.
Um diesen Misstand zu beheben, haben Skyguide und die Firma AirMap ein Luftverkehrsmanagementsystem für Drohnen entwickelt. Das System nennt sich U-Space. Damit soll es bald möglich sein, dass Fluglotsen die Drohnenpiloten in Echtzeit warnen können, wenn ihre Drohne im Weg ist. Die GPS-Daten der Drohnen können so auf dem Radar erkannt werden. Auch eine digitale Luftraumbewilligung ist damit möglich. Wer eine Drohne steigen lassen will, kann dies im System eingeben und erhält dann die Bewilligung für den Flug. In Lugano ist dieses System schon im Testeinsatz. Die Lotsen dort haben einen zusätzlichen Radarbildschirm für Drohnen. In Zürich müssen Drohnen bis dahin noch mit dem Feldstecher geortet werden.
Die Fluglotsen arbeiten mit Hightech sowie alten Radarsystemen. Doch das Wichtigste an ihrer Arbeit ist die menschliche Kommunikation und Kontrolle – sprich sie selbst. Die gesamte Verantwortung der sicheren Flugabfertigung liegt bei ihnen. Ich bin erstaunt, dass sie noch so stark auf Radar und Feldstecher angewiesen sind und sich Dinge wie CPDLC noch nicht durchgesetzt haben. Manchmal scheint weniger tatsächlich mehr zu sein.
Weil der Flugbetrieb am Flughafen Zürich in Wellen funktioniert, nimmt der Betrieb wieder zu. Für mich ist es nun Zeit, den Tower zu verlassen, um die Fluglotsen wieder in Ruhe arbeiten zu lassen.
Experimentieren und Neues entdecken gehört zu meinen Leidenschaften. Manchmal läuft dabei etwas nicht wie es soll und im schlimmsten Fall geht etwas kaputt. Ansonsten bin ich seriensüchtig und kann deshalb nicht mehr auf Netflix verzichten. Im Sommer findet man mich aber draussen an der Sonne – am See oder an einem Musikfestival.